Die Übernahme der Warenhauskette ist in trockenen Tüchern. Jetzt beginnt die eigentliche Modernisierung - harte Konkurrenz droht.

Hamburg/Berlin. Der Auftritt von Nicolas Berggruen hatte etwas von einem Triumphzug. Als der Milliardär am Freitagmittag in die Karstadt -Filiale am Berliner Kurfürstendamm kam, brandete spontan Applaus der Beschäftigten auf. Manch eine Verkäuferin hatte Tränen in den Augen, als der müde, aber glückliche Investor zusammen mit Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an den Wartenden auf der Rolltreppe vorbeifuhr. Mitarbeiter schwenkten ein handgemaltes Transparent mit den Worten: "Herzlich Willkommen!"

Erst kurz zuvor, gegen 11.30 Uhr, hatten die letzten Investoren des Vermieterkonsortiums Highstreet mit ihren Unterschriften den Weg für einen endgültigen Verkauf der insolventen Warenhauskette an Berggruen freigemacht. Nach der grundsätzlichen Einigung auf die dringend benötigten Mietsenkungen hatten sich die Vermieter die ganze Nacht zum Freitag hin bemüht, die letzten schriftlichen Zustimmungen einzuholen.

Berggruen sieht ein "aufregendes Leben für Karstadt"

"Karstadt wird jetzt, glaube ich, ein sehr aufregendes Leben haben", sagte Berggruen erleichtert. "Ich bin irrsinnig glücklich, dass ich dabei bin." Trotz Dreitagebart, lässig aufgeknöpftem weißen Hemd und Sonnenbrille in der Hand wirkte Berggruen leicht angespannt. Nur für kurze Momente strahlte der Investor, als er über das "New beginning" der Warenhauskette sprach. Warum es für den Deutsch-Amerikaner gerade Karstadt sein sollte? "Challenge", sagte er: Herausforderung. "Ein Unternehmen, das mit Konsumenten zu tun hat, muss sich erneuern, erfrischen, und man muss den Kunden etwas geben, das ein Erlebnis ist."

Ministerin von der Leyen sprach angesichts der Einigung von einem "Tag der Freude" für das Unternehmen mit seinen rund 25.000 Beschäftigten, deren Arbeitsplätze und 120 Filialen Berggruen erhalten will. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg dankte den Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten für die Unterstützung.

+++ Das große Filialsterben in Hamburg +++

Am Freitagnachmittag setzte das Amtsgericht Essen auch offiziell einen Schlussstrich unter eines der größte Insolvenzverfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nach Annahme des Insolvenzplans gibt es jetzt nur noch eine 14-tägige Beschwerdefrist, in der mögliche Verfahrensfehler beanstandet werden können. Am 1. Oktober soll Berggruen die Schlüsselgewalt für die Karstadt Warenhaus GmbH erhalten.

Der 49 Jahre alte Milliardär, Sohn des legendären Kunstsammlers Heinz Berggruen, will 70 Millionen Euro eigenes Kapital in das Unternehmen investieren. Die Marke Karstadt soll verjüngt und modischer werden (siehe Infokasten). Der Investor hatte den Kaufvertrag bereits Anfang Juni unter Vorbehalt unterschrieben, nachdem er als Sieger aus einem Bieterverfahren hervorgegangen war. Die Einigung zwischen Berggruen und Highstreet zog sich jedoch über Monate hin. Das Konsortium hatte unter der Ägide des früheren Konzernchefs Thomas Middelhoff die meisten der Karstadt-Warenhäuser gekauft und dann an das Unternehmen zurückvermietet. Für den Kauf lieh sich die Gruppe, hinter der die US-Investmentbank Goldman Sachs und die Deutsche Bank stehen, selbst Geld bei Kapitalgebern. Diese Gläubiger zögerten ihre Zustimmung zu den niedrigeren Mieten immer wieder hinaus.

Es fehlt noch immer ein Konzept gegen die Shoppingcenter

Doch auch mit Berggruens Einstieg steht Karstadt nach Einschätzung von Branchenkennern eine schwierige Zukunft bevor. "Durch die jetzt ausgehandelten Mietsenkungen wurden einige schwerwiegende Fehler der Vergangenheit korrigiert", sagte der stellvertretende Leiter des Handelsforschungsinstituts EHI, Marco Atzberger, dem Abendblatt. "Doch das löst nicht das generelle Problem, dass die Kunden heute kaum noch in Warenhäusern einkaufen gehen." Der Hauptkonkurrent der Kaufhäuser seien die Shoppingcenter, so Atzberger. "Die Branche pumpt durch den Bau neuer Einkaufszentren jedes Jahr rund zwei Milliarden Euro an Investitionen in den Markt", sagte der Experte. "Dagegen nehmen sich die 70 Millionen Euro, die Herr Berggruen in die Erneuerung von 120 Warenhäusern stecken will, doch recht bescheiden aus." Ein wirklich überzeugendes Konzept zur Neugestaltung sei zudem nicht erkennbar.

Aus Sicht des Handelsforschers Kai Hudetz sollte Karstadt seine bekannte Marke besser ausnutzen und verstärkt für den Verkauf von Waren über das Internet einsetzen. "Der Onlinehandel bietet gute Chancen, auch ein jüngeres Publikum anzusprechen", sagte der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung in Köln. Die Warenhäuser sollten nach Hudetz' Auffassung ähnlich wie beim Konkurrenten Kaufhof ausgerichtet sein, mit einem klaren Bekenntnis zu Markenware und Shop-in-Shop-Lösungen. Aufgrund des harten Konkurrenzdrucks im deutschen Handel werde es aber trotz allem zu weiteren Schließungen von Warenhäusern kommen, ist der Experte überzeugt.

Von solch einer Prognose wollten die Beschäftigten von Karstadt am Freitag indes nichts hören. Während viele mit Sekt anstießen, bekam Berggruen ehrenhalber ein Mitarbeiterschild ans Revers geheftet. "Ich sehe mich jetzt als Arbeiter für Karstadt", sagte er.