Die großen Windkraftfirmen haben ihren Sitz in Hamburg, und die Branche boomt: 2030 könnte sie schon eine Million Jobs bieten.

Hamburg. Vom Boom der Windkraftindustrie hat Hamburg in den vergangenen Jahren stark profitiert. Die meisten führenden Hersteller von Windturbinen betreiben in der Stadt Repräsentanzen oder Forschungszentren. Repower Systems und künftig auch Nordex haben hier ihre Zentrale. Vertreten ist seit vielen Jahren auch das indische Unternehmen Suzlon, der weltweit viertgrößte Anbieter dieser Technologie und mittlerweile Mutterkonzern von Repower. "Wir waren in Hamburg, lange bevor wir begonnen haben, Schritt für Schritt Anteile an Repower zu übernehmen", sagte Suzlon-Technologiechef John O'Halloran dem Abendblatt. "Das nördliche Europa ist die Heimat der modernen Windkraftindustrie. Hier ist das größte Potenzial der Branche konzentriert. Deshalb sind auch wir hier, mit Niederlassungen in Hamburg, Rostock und Berlin."

Der Konzern betreibt in Hamburg ein eigenes Forschungszentrum sowie die Forschungs- und Trainingseinrichtung RETC gemeinsam mit Repower. Wichtig ist der Standort für Suzlon aber nicht für die technologische Innovation, sondern auch für die Anwerbung von qualifiziertem Personal - und das wird schwieriger. "Sehr wichtig für uns ist es, Nachwuchs von den Universitäten zu rekrutieren. Talentierte junge Ingenieure und Fachkräfte aus anderen Disziplinen werden intensiv umworben, nicht nur von unserer Branche, sondern hier in Norddeutschland zum Beispiel auch von der Luft- und Raumfahrtindustrie", sagte O'Halloran. "Wir haben derzeit rund 180 Mitarbeiter an unseren deutschen Standorten, davon 35 in Hamburg. Wir stellen weiterhin ein und wollen in absehbarer Zeit die Zahl von 200 überschreiten."

Die Knappheit an Fachkräften entwickelt sich für die Windkraftindustrie mittlerweile zu einem flächendeckenden Problem. Die Branche wächst seit Jahren stark. Rund 120 000 Menschen arbeiten in Deutschland inzwischen bei Herstellern von Windturbinen. Im Jahr 2030 könnten es laut einer neuen Studie der Hamburger Unternehmensberatung TGMC Management Consulting bereits eine Million Mitarbeiter sein - die Branche würde damit zu einer Schlüsselindustrie. Diese positive Entwicklung könnte aber vom Nachwuchsmangel gebremst werden.

TGMC erstellte die Studie im Auftrag des weltweit führenden Windkraftkonzerns Vestas aus Dänemark. Viele Führungskräfte in der Branche fürchteten, dass der Bedarf an Mitarbeitern nicht nur jetzt nicht gedeckt werden könne, sondern auch künftig nicht, sagte Heinz Uekermann von TGMC gestern bei der Präsentation der Studie in der Vestas-Europazentrale in Hamburg: "In allen technischen Bereichen werden Arbeitskräfte teilweise händeringend gesucht. Doch die Windindustrie schafft es nur bedingt, ihre hohe Attraktivität potenziellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vermitteln."

Eine zentrale Herausforderung für die Branche ist, dass die Erwartungen und die Ansprüche an die Windkrafttechnologie ständig steigen - und damit auch die Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter. "Wir forschen und entwickeln für Produkte, die wir überall auf der Welt vermarkten", sagte O'Halloran. "Die Anforderungen sind extrem vielfältig, sei es im Hinblick auf extreme Temperaturen oder aber an die bestehenden Stromnetze." Ziel sei es, die Stromerzeugungskosten in den Windturbinen immer weiter zu senken und die Verlässlichkeit zu erhöhen, sagte der Suzlon-Technologiechef: "Die Kosten für Strom aus fossilen Energien steigen unweigerlich - die Kosten für Windstrom werden mit der Effizienz der Anlagen aber weiter sinken."

Repower und Suzlon bedienten verschiedene Marktsegmente, sagte O'Halloran: "Repower stellt vor allem große Anlagen mit hoher Megawattleistung her, Suzlon konzentriert sich auf mittlere und kleinere Anlagen." Das Gemeinschaftsunternehmen RETC leiste für die beiden Anteilseigner physikalische und technologische Grundlagenforschung. "Es geht zum Beispiel darum, besser zu verstehen, wie Rotorblätter in kalten Regionen vereisen und was man am effektivsten dagegen tun kann. Diese Erkenntnisse fließen in die Produktentwicklung von Repower und Suzlon ein, die unabhängig voneinander verläuft", sagte O'Halloran.

"Die wichtigsten Parameter für eine Windturbine sind: Wie produziert die Anlage über eine möglichst lange Lebenszeit zu geringen Wartungskosten möglichst effizient Strom?" sagte der Suzlon-Manager. "Dieses Optimum gilt es zu finden im Hinblick auf die Baukosten für die Anlage. Wir gehen dabei von einer Lebensdauer der Maschinen von mindestens 20 Jahren aus."