Ökonomen bezweifeln Aussagekraft der Ergebnisse und fordern strengere Kriterien. Europaweit fallen sieben Geldinstitute durch - auch die HRE

Hamburg. Gemessen an der wochenlangen Nervosität in der Branche erscheinen die Resultate des Banken-Stresstests eher unspektakulär - zumal aus deutscher Sicht. Doch europaweit betrachtet ist der Test sogar noch besser ausgefallen als von vielen Experten erwartet. Und dass unter den sieben Geldhäusern, die die Hürde der geforderten Kernkapitalquote von sechs Prozent nicht überspringen konnten, mehrere spanische Sparkassen sind, überrascht Fachleute nicht.

Die Europäische Zentralbank (EZB), der Zusammenschluss der europäischen Banken-Aufseher (CEBS) und die EU-Kommission nannten die Ergebnisse einen "wichtigen Schritt vorwärts, um das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen". Sie riefen die durchgefallenen Banken auf, sich nun das nötige Eigenkapital zu besorgen. Insgesamt ergab sich ein Kapitalbedarf von 3,5 Milliarden Euro - auch dies ist weniger als von Fachleuten erwartet.

HRE braucht nun noch einmal zwei Milliarden Euro vom Staat

Allein die vom Bund mit mehr als 100 Milliarden Euro an Kapital und Garantien vor dem Aus gerettete Hypo Real Estate (HRE) braucht nach eigenen Angaben weitere zwei Milliarden Euro. Dass der verstaatlichte Münchner Immobilienfinanzierer eine erneute Finanzspritze benötigen würde, war jedoch schon vor dem Test bekannt.

Überraschungen gab es an der Spitze der Rangliste der deutschen Institute, sortiert nach ihrer Finanzstärke: Neben dem Marktführer, der Deutschen Bank, rangieren dort gleich zwei Landesbanken, darunter die HSH Nordbank, und auch die Commerzbank kommt auf einen Spitzenplatz. "Viele Banken, die jetzt bestanden haben, wurden mit staatlichem Kapital neu aufgestellt", sagte der Branchenexperte Wolfgang Gerke dem Abendblatt. Das gilt für die HSH und die Commerzbank, während die Postbank und die Nord/LB, die den Test nur knapp bestanden, in der Finanzkrise keine staatliche Hilfe in Anspruch genommen haben.

Banken mussten Kursrutsch am Aktienmarkt von 20 Prozent simulieren

Kurz vor der Veröffentlichung der Resultate hatten die Regulierer der CEBS am Freitagnachmittag die exakten Kriterien für die durchzuspielenden Szenarien offengelegt. In einer ersten Stufe musste die sogenannte Kernkapitalquote der Bank - ein Maß für die finanzielle Stabilität - für den Fall errechnet werden, dass sich die Wirtschaft in diesem und im nächsten Jahr so entwickelt wie von der EU-Kommission erwartet.

In einem zweiten Szenario wurde eine zwei Jahre lange Rezession sowie ein 20-prozentiger Kursrutsch an den Aktienmärkten unterstellt. Für das dritte und ungünstigste Szenario (siehe Grafik) hatten die Banken zu ermitteln, wie sich die Kernkapitalquote verschlechtert, wenn auch noch die Kurse der von den Instituten gehaltenen Staatsanleihen abrutschen. Dabei wurde beispielsweise für griechische Papiere ein Wertverfall von 23,1 Prozent im Vergleich zu dem Niveau von Ende 2009 angenommen und für fünfjährige deutsche Bundesanleihen ein Abschlag von 4,7 Prozent.

Experten sind sich einig, dass die am Freitag veröffentlichten Resultate nur eingeschränkte Aussagekraft haben. "Aus dem Test kann man nicht ableiten, dass es allen Banken, die ihn bestanden haben, wirklich gut geht", sagte Professor Dirk Schiereck von der TU Darmstadt. "Der Test dient in erster Linie dazu, die Bevölkerung zu beruhigen und die Politik will die Ergebnisse nutzen, um zu vermitteln, wir tun etwas und haben die Lage im Griff." Letztlich sei eine "Marketingveranstaltung" daraus geworden, meint auch Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. "Es gab eine Reihe von Ländern, die Interesse daran hatten, zu zeigen, dass ihr Finanzsystem stabiler ist als vom Markt erwartet."

Aus Sicht von Gerke macht ein derartiger Stresstest zwar grundsätzlich durchaus Sinn, "aber ich hätte mir ein strengeres Szenario gewünscht." So habe es in den vergangenen Jahren bei Staatsanleihen stärkere Kursschwankungen gegeben, als man sie jetzt simulieren ließ, erklärte Faust. Vor allem aber sei kein Konkurs eines Euro-Landes angenommen worden, kritisierte Konrad Becker, Branchenanalyst bei Merck Finck: "Die Szenarien, die vorgegeben wurden, sind Kompromisse auf Basis politischer Rücksichtnahmen." So hätten die Regierungen verhindern wollen, dass die Wirksamkeit des im Mai beschlossenen Euro-Schutzschilds in Zweifel gezogen wird. Wie heikel derartige Erwägungen sind, zeigt schon dies: Banker berichteten, sie hätten die Rechnungen bis zu siebenmal wiederholen müssen, weil sich die vom CEBS genannten Kriterien ständig änderten.

Ergebnisse der Geldhäuser sind untereinander schwer vergleichbar

Zudem wird die Aussagekraft der Ergebnisse durch mangelnde Vergleichbarkeit der Banken untereinander geschmälert. Dazu tragen schon die uneinheitlichen Bilanzierungsvorschriften bei: "Für die Berechnung der Kernkapitalquoten gab es in den einzelnen Ländern durchaus unterschiedliche Spielräume", erklärte Gerke. Hinzu kommt: "Die Banken haben je nach Geschäftsmodell unterschiedliche Risiken, daher müsste man auch individuelle Kapitalanforderungen vorgeben", sagte Faust.

Analyst Becker warnt denn auch vor überzogenen Erwartungen: "Es wäre eine Illusion, zu glauben, ein einzelner Test könnte zeigen, wie stabil das Bankensystem in Europa ist." Becker hofft daher, dass solche Prüfungen zu einer "regelmäßigen Einrichtung" werden und man aus den bisherigen Mängeln Lehren zieht.