Der Mangel an qualifiziertem Personal hemmt den Aufschwung der Wirtschaft. Besonders dem Mittelstand werden die Spezialisten fehlen.

Hamburg. Arbeitslosenzahlen schwanken mit der Konjunktur, doch häufig sind es Jobs für gering qualifizierte Beschäftigte, die mit dem Abschwung verloren gehen. Gut ausgebildete Spezialisten dagegen bleiben auch in schlechteren Zeiten gefragt. Einer Umfrage des Personaldienstleisters Manpower unter 1017 Firmen in Deutschland zufolge geben knapp ein Drittel aller Unternehmen (29 Prozent) an, unter Fachkräftemangel zu leiden. Im Vorjahr waren es zwar noch 35 Prozent, aber angesichts der Erholung der Wirtschaft dürfte die Zahl künftig wieder spürbar zunehmen.

"Der Fachkräftemangel, der während der Wirtschaftskrise unberechtigterweise in Vergessenheit geraten war, ist wieder in aller Munde", sagt dazu Vera Calasan, Geschäftsführerin von Manpower Deutschland. "Insbesondere mittelständischen Unternehmen wird er massive Sorgen bereiten. Dem Mittelstand werden in den nächsten Jahren Zigtausende Spezialisten fehlen."


Während Deutschland im Hinblick auf den Anteil der Betriebe, die Engpässe bei qualifiziertem Personal beklagen, nahe dem weltweiten Durchschnitt rangiert, ist die Spanne international gesehen erstaunlich groß: In Japan suchen 76 Prozent der Firmen vergeblich Fachkräfte, in Irland sind es dagegen nur vier Prozent.

Bundesweit fehlen laut der Studie vor allem Arbeitskräfte mit handwerklichen Ausbildungen, zunehmend aber auch medizinisches Fachpersonal und IT-Mitarbeiter. Der IT-Branchenverband Bitkom hatte kürzlich über 20 000 offene Stellen in diesem Wirtschaftszweig berichtet; jedes dritte Unternehmen klage darüber, dass die Knappheit an qualifiziertem Personal die Geschäftstätigkeit bremst.

Auch in Hamburg sind sich die Verantwortlichen in den Firmen der Brisanz dieses Faktors bewusst: Nach Angaben der Handelskammer nannten in einer Umfrage immerhin 12,5 Prozent aller befragten Unternehmen dies als das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2010.

"Fachkräftemangel ist schon heute in fast allen Branchen ein Thema", sagt auch Knut Böhrnsen, Sprecher der Agentur für Arbeit in Hamburg. "Die Situation wird sich aber noch verschärfen, weil aufgrund der Altersstruktur der Betriebe sehr viele erfahrene Beschäftigte in den nächsten fünf bis zehn Jahren in den Ruhestand treten und ersetzt werden müssen."

Zwar ist Hamburg in einer etwas besseren Situation als andere Teile Deutschlands, was die Demografie angeht: Einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit zufolge nimmt die Zahl der Einwohner im erwerbsfähigen Alter in der Hansestadt zumindest bis zum Jahr 2020 noch geringfügig zu (von gut 1,2 Millionen Personen im Jahr 2006 bis auf 1,23 Millionen), sinkt dann aber in den folgenden 30 Jahren bis auf knapp 980 000 Personen ab.


Indirekt leide Hamburg aber schon jetzt unter der Demografie, erklärt Böhrnsen: "Viele junge Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern treten - anders als noch vor einigen Jahren - gar nicht mehr als Bewerber auf dem Hamburger Arbeitsmarkt auf, weil in den östlichen Bundesländern die Geburtenrate nach der Wende deutlich gesunken ist und sich dies jetzt auf die Betriebe dort auswirkt."

Betrachtet man nur das Segment der qualifizierten und hoch qualifizierten Arbeitnehmer, besteht aber auch in Hamburg nach Berechnungen des IAB schon in zehn Jahren eine Lücke von mehr als 40 000 Fachkräften. Insbesondere im technischen Bereich werde in Hamburg in den nächsten Jahren eine große Zahl hoch qualifizierter Fachkräfte altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden. Daher ist laut IAB eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung, insbesondere von Älteren und von Frauen, dringend erforderlich, um die Folgen des demografischen Wandels für die Hansestadt abzufedern.


Zu den Resultaten der Manpower-Studie gehört aber auch dies: Die Unternehmen stellten bei der Personalsuche immer ausgefeiltere Kataloge der geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten auf, was es immer schwerer mache, passende Kandidaten zu finden.

"Es ist die Frage, ob sich die Unternehmen dies in Zukunft noch leisten können", so Böhrnsen. "Angebot und Nachfrage passen auf den ersten Blick nicht immer zusammen. Da ist auf beiden Seiten mehr Kompromissbereitschaft gefragt." Ebenso wie die Bereitschaft, die neuen Mitarbeiter im Betrieb weiterzuqualifizieren.