BGH-Urteil: Gaskunden können ihre Rechnungen drei Jahre lang rückwirkend beanstanden. Der Hamburger Mieterverein ist enttäuscht.

Karlsruhe. Verbraucher können sich gegen Gaspreiserhöhungen durch unwirksame Anpassungsklauseln nur wehren, wenn sie innerhalb von drei Jahren widersprechen. Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof (BGH). Viele Gasversorger - darunter auch E.on Hanse - hatten jahrelang eine Klausel verwendet, die ihnen eine stete Anhebung der Preise erlaubte. Der BGH hatte diese 2008 für nichtig erklärt, aber erst jetzt geklärt, wie es mit möglichen Rückforderungen aussieht.

Verhandelt wurde unter anderem ein Fall aus Hamburg. E.on Hanse hatte ausstehende Zahlungen von einem Kunden eingeklagt, der seine Rechnungen für den Zeitraum zwischen Januar 2004 und Februar 2008 eigenmächtig gekürzt hatte, nachdem E.on Hanse seit 1998 mehrfach den Arbeitspreis aufgrund unwirksamer Klauseln erhöht hatte. Der Kunde zahlte zunächst, erhob erstmals 2005 Widerspruch und kürzte dann die Zahlungen erheblich.

+++ Kunden müssen Gaspreiserhöhungen zeitig widersprechen +++

+++ So widersprechen Sie der Gaspreiserhöhung +++

Für die Berechnungen könnten nicht die Gaspreise zugrunde gelegt werden, die beim Vertragsschluss in den 1980er-Jahren galten, erklärte der BGH. Der Dreijahreszeitraum hingegen sei eine Lösung, die den Interessen von Gasversorgern und Verbrauchern gerecht werde, sagte der Vorsitzende Richter, Wolfgang Ball. Der BGH habe damit eine "Regelungslücke" geschlossen. Ob der Kunde zu viel Geld einbehalten hat, muss nun erneut das Hamburger Landgericht entscheiden.

Verbraucherschützer und Mieterbund äußerten sich über das Urteil allerdings enttäuscht. "Gekniffen sind all jene Gaskunden, die darauf vertraut hatten, dass ihre Energieversorger ordnungsgemäß abrechnen", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Mietervereins zu Hamburg, Siegmund Chychla, dem Abendblatt. "Wir hätten uns gewünscht, dass die Richter mehr gewagt hätten. Und zwar: Wenn Klauseln unwirksam sind, muss keiner den überhöhten Preis bezahlen." Die Entscheidung zeige, dass Gaskunden sich beraten lassen müssen, inwieweit sie aus dem Urteil noch Rechte herleiten können, so Chychla.

Die Hamburger Verbraucherschützer sehen allerdings für alle jene rund 5000 Kunden von E.on Hanse gute Chancen, die von dem Konzern verklagt wurden, nachdem sie Zahlungen zurückgehalten hatten. "Sie haben nach dem BGH-Urteil gute Chancen, dass die Gerichte die Klagen von E.on Hanse abweisen", sagte der Hamburger Anwalt Jan Bornemann, der zahlreiche klagende Gaskunden vor Gericht vertritt. Er geht davon aus, dass die Verklagten nun nicht mehr mit Nachzahlungen zu rechnen hätten. "Wer Widerspruch eingelegt hat und den zum Zeitpunkt des Widerspruchs gültigen Preis gezahlt hat, hat alles richtig gemacht."

Die Energiewirtschaft beurteilte den Richterspruch als "Entscheidung mit Augenmaß". E.on Hanse erwartet keine generelle Auswirkung auf die anhängigen Verfahren. "Die Folgen müssen in jedem Einzelfall vom Gericht neu beurteilt werden", sagte E.on-Hanse-Sprecher, Thomas Renz. Zudem verwies E.on Hanse darauf, dass das Urteil lang zurückliegende Sachverhalte betrifft. "Auf aktuelle Verträge hat das keine Auswirkungen, denn die Preisanpassungsklauseln haben wir korrigiert." Zudem habe E.on Hanse die Gaspreise zuletzt im Jahr 2008 erhöht, 2009 wurden sie sogar gesenkt.