Die Modeschöpferin kehrt wieder in ihr altes Mode-Unternehmen zurück. Firmenchef Cremonesi lobt ihre Leidenschaft und visionäre Kraft.

Hamburg. Da ist sie also wieder! Jil Sander kehrt noch einmal auf die große Mode-Bühne und in das von ihr 1968 gegründete Unternehmen zurück. Freitagnachmittag verkündete Alessandro Cremonesi, der Geschäftsführer der Jil Sander AG, was seit ein paar Tagen inoffiziell schon klar war (wir berichteten), aber in einem börsennotierten Unternehmen als ad-hoc-pflichtig gilt und deswegen nicht einfach herausposaunt werden darf.

Spätestens aber, seit am Donnerstag die Meldung herausgegeben wurde, "dass die Zusammenarbeit mit dem Creative Director Raf Simons zum 27. Februar 2012 beendet wird", brachen quasi die Informationsdämme. Die sollten eigentlich Simons' Präsentation der Herbst-Winter-Kollektion an diesem Sonnabend in Mailand noch beschützen, aber der Druck wurde zu groß, zu spektakulär ist der Scoup, dass die Gründerin noch einmal zurückkehren würde, nachdem sie sich schon zweimal zurückgezogen hatte.

Und so schwärmte Cremonesi denn auch: "In den vergangenen Jahren vermochte die Marke Jil Sander ihre starke Identität zu bewahren, weil wir ihren Schlüsselwerten treu geblieben sind und gleichzeitig ein feines Gespür für Zeitströmungen und werdende Trends bewiesen haben. Die Rückkehr Jil Sanders ... ist ein bewegender Moment. Die Bedeutung, die ihre Leidenschaft und visionäre Kraft für die Zukunft unseres Unternehmens haben, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Jil Sanders Unternehmergeist wird sich sehr vorteilhaft auf alle Aspekte der Gruppe auswirken. Es ist fast zu gut, um wahr zu sein." Und auch die alte und neue Designerin ist beseelt: "Ich bin sehr glücklich darüber, wieder da zu sein. Es fühlt sich so an, als würde ich nach einer kurzen Reise wieder nach Hause kommen."

+++ Die Frau hinter der Marke +++

Fast sieben Jahre hatte diese Reise gedauert. 1999 hatte die Hamburgerin den Großteil ihrer Anteile an die Prada-Group verkauft und war als Designerin geblieben, aber dann nach gut einem Jahr nach Streitigkeiten mit Prada-Chef Patrizio Bertelli gegangen, um bejubelt 2003 wieder zurückzukehren. 2005 zog sie sich erneut zurück, und der begabte Raf Simons übernahm ihre Position. Eine smarte Entscheidung war es damals, den stillen Vertreter der kühlen wie kunstvollen Antwerpener Schule zu verpflichten, mit seinem Lieblings-Look - blauer Pullover zu weißem Hemdkragen - wirkte er nicht nur äußerlich wie ein Sander-Schüler, er machte auch keinen Hehl daraus, dass er das Erbe seiner Vorgängerin bewahren wollte, die er persönlich gar nicht kannte. Beziehungsweise darauf aufbauen. Was wohl keinem anderen so gut gelungen wäre, wie es ihm gelang.

Gleichwohl stellten sich im vergangenen Jahr Ermüdungserscheinungen ein, bei den Kunden, die mit der zunehmenden Modernisierung von Silhouetten und Marke und wohl vor allem den modernen Materialien nicht so recht mitkamen und offenbar immer häufiger lieber in den Kaschmirqualitäten von Agnona und Brunello Cuccinelli Ersatzbefriedigung suchten. Jedenfalls verheißen die Zahlen nichts Gutes. Und auch Raf Simons schien schon auf dem Sprungbrett zu wippen, das ihn nun aller Voraussicht nach zu Dior katapultiert. Mit einer offiziellen Bekanntgabe ist dort allerdings nicht so schnell zu rechnen, wahrscheinlicher ist, das Bill Gaytten am 2. März bei den Prêt-à-porter-Schauen in Paris noch unbehelligt die Honeurs auf dem Dior-Laufsteg entgegennehmen kann. Die Inthronisierung eines Kreativdirektors wird im Haus Dior eher im Rahmen der imageträchtigen Haute Couture im kommenden Juni vollzogen.

+++ Jil Sander will in ihr Unternehmen zurückkehren +++

Dass "die Jil" wieder etwas Großes vorbereitet, darüber wurde auch schon länger gemunkelt. Bereits bei den jüngsten Orderrunden schrieben einige Einzelhändler sicherheitshalber mehr auf, als ihnen eigentlich gefiel, um quasi "auf der Liste" zu bleiben. Verspricht doch Jil Sanders Rückkehr einen neuen Boom. Für die ersten Saisons allemal.

Zudem wurden vermehrte Aktivitäten in ihrem Büro am schönen Hamburger Harvestehuder Weg registriert, und als sie dann noch ihren Vertrag mit dem japanischen Filialisten Uniqlo beendete, war deutlich: Es ist etwas im Busch. Und zwar nicht in ihren privaten Gartenanlagen in Schleswig-Holstein und auf Ibiza, denn dass sich die 68-Jährige nicht dorthin zurückziehen würde, das war klar. Wenn auch in Auftreten und Wesen eher extreme Pole, haben die drei bekanntesten deutschen Modeschöpfer Karl Lagerfeld, Wolfgang Joop und eben Jil Sander eines doch gemeinsam: Disziplin und vor allem alterslose Kreativität. Nie ist man im Gespräch mit einem der drei versucht nachzurechnen: Mensch, wie alt ist sie eigentlich? Man mag ihnen lieber zuhören.

Es entbehrt nicht einer gewissen Zeitgeist-Ironie, dass auch Wolfgang Joop offenbar von der Firma, die seinen Namen trägt, umworben wird, zurückzukehren. Bis heute gibt es sehr viele Konsumenten, die ohnehin glauben, Joop, der Wunderkind-Schöpfer, wäre noch bei Joop!. "Gucken Sie mal, Herr Joop, ich hab gerade eine neue Jeans von Ihnen!" Solche Sätze fallen regelmäßig. Jil Sander ist derweil von großer Energie und Spannung getragen und mag Raf Simons "nur danken, dass er vom Design nicht abgekommen ist und die Marke so behutsam weitergeführt hat". Doch nun ist es offenbar Zeit für eine andere Authentizität.

+++ "Ihr Lächeln sagt mehr als 1000 Worte" +++

Alle großen Modehäuser wühlen in ihren Archiven, denn die Kunden wertschätzen moderne Entwürfe mit Geschichte. Und wenn man betrachtet, wie erfolgreich zum Beispiel die japanische H&M-ähnliche Kette Uniqlo - die in Deutschland gerade Standorte sucht - ihre J-Kollektion verkauft hat, dann dürfte die Rückkehr zur "Muttermarke" ein sehr positives Echo auslösen. Häufiger beobachtete man in der Pariser Uniqlo-Filiale, wie Frauen, die man äußerlich nicht in einem Billig-Filialisten vermuten würde, das Sortiment sichteten und beglückt zum Beispiel einen "echten" Sander-Mantel, "so einen wie früher!" (nur eben viel preiswerter), vom Ständer nahmen. Es wurde viel Deutsch gesprochen.

Als Jil Sander an einem Freitagabend im Herbst 2003 ihre Rückkehr-Kollektion zeigte, da war der Jubel groß. Auch Rührung schwang mit. Auf allen Seiten. Man kann davon ausgehen, dass sich ähnliche Szenen im Herbst 2012 wiederholen werden. Jil Sander kann es einfach. Und es ist nicht aufgesetzt, wenn sie sagt: "Die Marke Jil Sander ist meinem Wesen tief verbunden und mein Traum von raffinierter, kompromisslos moderner Mode so frisch wie am ersten Tag. Paradigmen ändern und entfalten sich von Saison zu Saison, aber das Herz einer Marke bleibt gleich. Es ist eine große Herausforderung und eine noch größere Freude für mich, die heutige Identität zu entwerfen. Mein Gefühl sagt mir, dass der Augenblick denkbar günstig ist. Die Modewelt braucht klare Handschriften und authentische Stimmen. Ich werde mein Bestes tun, in diesem Chor wieder dabei zu sein." Willkommen zurück.