Bis 2020 entstehen laut einer Studie weniger Arbeitsplätze als das in anderen Metropolregionen der Fall ist. Hamburg braucht mehr Zuwanderer.

Hamburg. Die Lebensqualität ist unbestritten hoch, die Wirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren erfolgreich entwickelt - es gibt gute Gründe, warum man in anderen Regionen Deutschlands mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid auf Hamburg blickt. Doch in den nächsten Jahren droht die Hansestadt, wenn es um die Schaffung von weiteren Arbeitsplätzen geht, hinter konkurrierende Ballungsräume zurückzufallen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) und der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC).

"Im Vergleich zur prognostizierten Entwicklung im Bund und in den anderen Metropolregionen Deutschlands entwickelt sich der Großraum Hamburg bis 2020 wenig dynamisch; lediglich Berlin-Brandenburg schneidet schlechter ab", heißt es in der Untersuchung. So werde die Erwerbstätigenzahl voraussichtlich bis zum Ende dieses Jahrzehnts um rund 43.000 Personen wachsen; das wäre ein Plus von zwei Prozent. Für die Großräume München sowie Rhein-Ruhr erwarten die Experten eine Zunahme um deutlich mehr als sechs Prozent. Auch das Rhein-Main-Gebiet und die Region um Stuttgart liegen demnach mit Zuwächsen von gut fünf beziehungsweise mehr als vier Prozent noch weit vor Hamburg.

+++ Arbeitslosigkeit: Niedrigster November-Wert seit 1991 +++

+++ Mindestens 33.000 freie Stellen in Hamburg +++

Wichtig für die künftigen Perspektiven sind vor allem die sogenannten wissensintensiven Arbeitsplätze, also die Jobs für Universitäts- oder Fachhochschulabsolventen. Wo es bereits viele solcher Stellen gibt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie weitere anziehen. Obwohl nicht zuletzt Airbus und andere Unternehmen des Luftfahrtsektors für 76.000 dieser hoch qualifizierten Industriearbeitsplätze in der Metropolregion Hamburg sorgen, kommt München auf 100.000 entsprechende Stellen und Stuttgart sogar auf mehr als 200.000.

Zwar ist ein industrieller Kern wichtig, glauben die Verfasser der Studie. "Wir sehen aber einen deutlichen Wandel in der Wirtschaft", sagt Andreas Borcherding, Partner von PwC in Hamburg: "Zumindest die traditionellen Industrien wandern aus Deutschland ab, dafür nimmt die Bedeutung der wissensintensiven Dienstleistungen - etwa IT und Telekommunikation, Beratung und Medien - zu. Auf diesem Gebiet liegt Hamburg allerdings nicht vorn."

Ein Lichtblick sei die Computerspieleszene, in der Hamburg eine weltweit gute Position habe, sagt die HWWI-Wissenschaftlerin Silvia Stiller. Hier ragt die Firma Bigpoint mit inzwischen mehr als 800 Beschäftigten heraus. "Es wäre aber gut, wenn es zwei oder drei Unternehmen wie Bigpoint gäbe", so Borcherding.

Er sieht jedoch eine Reihe von Handlungsmöglichkeiten, mit denen die Hansestadt ihre Aussichten deutlich verbessern könnte: "Gelingt es, die Attraktivität der Metropolregion Hamburg für hoch qualifizierte Arbeitskräfte weiter zu erhöhen, kann der Zuwachs an Arbeitsplätzen in der Region um bis zu 28 Prozent auf rund 55 200 Personen gesteigert werden", sagt der PwC-Manager. "Hamburg würde dann den Anschluss an die rasante Entwicklung in den Metropolen München, Stuttgart, Rhein-Ruhr und Rhein-Main nicht verlieren." Erste Schritte in die richtige Richtung seien getan, zum Beispiel eine "intelligente Clusterpolitik" für die Sektoren Lifescience (Gesundheit, Biotechnologie), IT und Medien sowie neue Energien.

Doch es bleibt eine Reihe von Defiziten - etwa in der Bildung. "Zu viele junge Menschen verlassen die Schulen ohne einen Abschluss", sagt Borcherding. Dieser Anteil liegt in der Hansestadt und der umliegenden Region bei sieben Prozent. Zum Vergleich: In Stuttgart sind es lediglich gut fünf Prozent. Man dürfe die Lehrer nicht mit immer neuen Reformen überfordern, heißt es dazu.

Ein schlechtes Zeugnis stellen die Autoren der Studie ebenso den Hamburger Hochschulen aus. Dies sei allerdings auch eine Frage des Geldes: Auf einen Lehrenden kämen zu viele Studenten, zudem gebe es erheblich zu wenige Professuren für Ingenieurwissenschaften und zu wenige Lehrstühle mit anerkannter Exzellenz. "Nötig wäre für jede Cluster-Branche ein Hochschullehrstuhl von internationalem Rang", fordert Borcherding. Diese müssten ihr Wissen auf Englisch vermitteln, um auch für hochkarätige Spezialisten aus dem Ausland attraktiv zu sein.

Darüber hinaus sollten Wissenschaft und Praxis besser miteinander verzahnt werden. "Wir brauchen Technologieparks im Umfeld der Hochschulen und Forschungsinstitute, denn diese räumliche Nähe ist wichtig", sagt Stiller. Die Planung eines derartigen Zentrums für "Grüne Technologien" in Harburg sei daher sehr zu begrüßen.

Eine weitere Voraussetzung für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Hamburgs liegt nach Auffassung von Borcherding darin, die Zuwanderung besser zu steuern, um den Fachkräftebedarf angesichts des demografischen Wandels in den nächsten Jahren decken zu können. "In Süddeutschland gelingt es besser, Zuwanderer mit hohem Bildungsniveau anzuziehen", hat auch die HWWI-Forscherin Stiller festgestellt. So sei die "Willkommenskultur" in Stuttgart und München ausgeprägter als in Hamburg. Große Unterschiede gebe es beim Ausländeranteil an den Beschäftigten: Er liegt in der Metropolregion Hamburg nur bei knapp vier Prozent, in den Ballungsräumen Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Stuttgart und München dagegen sind es zwischen neun und elf Prozent. Ein Hemmnis für hoch qualifizierte Zuwanderer bestehe in der schleppenden Anerkennung ihrer Qualifikationen, sagt Stiller: "Die Bearbeiter in den Behörden haben beim Tempo durchaus Spielraum."

Zu den Faktoren, die den Ausschlag geben können, ob sich eine Fachkraft für einen Arbeitsplatz in Hamburg entscheidet oder nicht, gehört auch das Angebot für die Kinderbetreuung. "Sie wird zum Beispiel vom Nürnberger Job Center gleich mit vermittelt", so Borcherding. Allerdings sollten sich auch die Unternehmen selbst auf diesem Feld stärker engagieren, ergänzt Stiller.

Somit böten sich Hamburg zahlreiche Chancen, die genutzt werden müssten, sagt Borcherding. Sofern es der Stadt gelinge, gezielt in die Aus- und Weiterbildung zu investieren und gleichzeitig die Attraktivität als lebenswerte Metropole weiter zu steigern, gehe sie "goldenen Zeiten entgegen".