Firmen wie Hatlapa sind der Motor des deutschen Exporterfolgs. Von der deutschen Werftindustrie hat sich die Firma längst abgekoppelt.

Uetersen. Es gibt sie noch, die gute alte Arbeitswelt. Gegen Mittag blickt man in den Werkhallen bei Hatlapa in Uetersen in fröhliche Gesichter. Das Wochenende steht bevor. Am Freitag um 12.15 Uhr ist offiziell Feierabend. Die 35-Stunden-Woche ist in der westdeutschen Metallindustrie Standard. Aber um an dieser Errungenschaft festhalten zu können, muss ein Unternehmen am Markt auch bestehen.

Firmenchef und Mitinhaber Alexander Nürnberg, 51, und sein technischer Direktor Kay Nolte, 49, gehen durch die Hallen. Sie kennen jeden ihrer Mitarbeiter, grüßen, stehen hier und da zu einem kurzen Gespräch. 1919 gründete der Ingenieur Max Hatlapa die Uetersener Maschinenfabrik. Bis heute wird in der Ur-Halle gedreht und gefräst. Das Firmengelände ist längst um ein Mehrfaches gewachsen. Obendrein hat Hatlapa heutzutage Niederlassungen und Tochterunternehmen in Asien und in Skandinavien. Doch Mittelpunkt des Unternehmens mit seinen insgesamt 400 Mitarbeitern und 40 Auszubildenden ist noch immer Uetersen vor den Toren Hamburgs. "Wir wollen die Kontrolle über unsere Bauteile haben und sie möglichst lange behalten", sagt Nürnberg. "Das ist ein Grund dafür, dass wir noch immer so viel in Uetersen fertigen."

Den Rekordwert von einer Billion Euro exportierten deutsche Unternehmen im Jahr 2011. Vor allem Autos und Maschinen made in Germany gelten als Verkaufsschlager. Ein Selbstläufer ist der Erfolg der deutschen Industrie allerdings nicht, er ist hart erarbeitet. Noch zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts galt die deutsche Wirtschaft mit ihrem hohen Industrieanteil vielen Pessimisten als wenig zukunftsweisend. Vor allem mittelständische Unternehmen wie Hatlapa haben bewiesen, dass diese Einschätzung falsch war.

Bemerkenswert ist der Erfolg des Uetersener Unternehmens auch, weil die deutsche Schiffbauindustrie in den vergangenen Jahrzehnten stärker unter den Folgen der internationalen Konkurrenz gelitten hat als viele andere Wirtschaftszweige hierzulande. Etliche Werften mussten aufgeben oder sich mit ihrem Geschäft in Marktnischen zurückziehen, weil sie gegen Schiffbauunternehmen vor allem in Südkorea, China und Japan nicht mehr ankamen. Zulieferunternehmen wie Hatlapa hingegen nutzten die Globalisierung als Chance. "Wir mussten uns im Lauf der Jahre zwangsläufig von der deutschen Werftindustrie abkoppeln", sagt Nürnberg. "Im vergangenen Jahr haben die deutschen Werften zusammengenommen etwa 20 Seeschiffe abgeliefert. Das ist weit weniger, als eine einzelne Werft in Südkorea oder in China im Jahr baut." Allein auf chinesischen Werften habe sein Unternehmen im vergangenen Jahr 220 neue Schiffe mit Winden für Anker und Trossen ausgestattet.

Hatlapa setzt auf gut ausgebildete Mitarbeiter, modernste Fertigungsanlagen und darauf, die Gestalt und den Aktionsradius des Unternehmens immer wieder zu verändern. Die Fabrik mit ihren jahrzehntealten Gebäuden steht in ihrer heimatlichen Umgebung fest verwurzelt. An manchen Stellen wirken die Hallen veraltet. Doch darin stehen neueste Werkzeugmaschinen von Herstellern wie Gildemeister oder Mori Seiki aus Japan. Viele der Hatlapa-Auszubildenden zählen zu den Besten ihres Jahrgangs in Schleswig-Holstein. "Fräsen und Drehen in ein- und derselben Maschine ist die wichtigste Innovation, die der Werkzeugbau in jüngerer Zeit hervorgebracht hat", sagt Nolte vor einer Maschine mit Wechselwerkzeugen, die gerade ein Metallteil für einen Kompressor bearbeitet. "Die Kunst ist es, solche Maschinen richtig einzusetzen." Ein Facharbeiter überprüft am Computer zwischendurch die Daten für den Automatikbetrieb. Ihre Werkzeuge wechselt die Maschine selbsttätig.

+++ Uetersener Maschinenfabrik Hatlapa kauft Firma in Norwegen +++

Hatlapa fertigt Bauteile, ohne die kein Schiff auskommt: Ruderanlagen, Winden und Kompressoren. Kreuzfahrtschiffe, Containerfrachter, Tanker und Massengutfrachter fahren mit Anlagen aus Uetersen, aber auch viele Spezialschiffe. In der Reparaturhalle wird eine Kabelwinde des deutschen Forschungsschiffs "Meteor" überholt. Auf dem Hof steht zur Abholung eine Winde für einen Saugbagger bereit, den die Hamburger Werft Sietas gerade für ein regionales Unternehmen baut.

Der Wettbewerb ist hart. Bei den Rudermaschinen etwa konkurriert Hatlapa mit dem Großunternehmen Rolls Royce Marine. Geschwindigkeit, Qualität und Ingenieurleistung entscheiden darüber, wer im Geschäft bleibt. "Wir sind weltweit der einzige Hersteller, der eine derart breite Modellpalette von Rudermaschinen baut, vom Einsatz im Hafenschlepper bis zum Großcontainerschiff oder Supertanker", sagt Nürnberg vor einer fast fertigen, tonnenschweren Anlage in einer der Hallen. Sie soll auf einer chinesischen Werft in ein kleineres Containerschiff eingebaut werden.

Die deutschen Reeder, einst wichtigste Auftraggeber der deutschen Werften, orderten ihre Handelsschiffe seit den 1980er-Jahren mehr und mehr in Asien. Die dortigen Werften bauten bei gleicher oder höherer Qualität billiger. Und sie waren in der Lage, immer größere Containerschiffe oder Massengutfrachter schnell in großen Serien zu bauen, anders als die deutschen Werften. Die Aufträge wanderten ab, und Hatlapa ging mit. Das Unternehmen produziert längst auch in Südkorea und in China als Zulieferer für die dortigen Werften. Nur so konnte die Geschäftsführung die Fertigung in Uetersen sichern. "Wir wollen unser Wissen möglichst hier halten", sagt Nolte, "aber wir können in China nichts verkaufen, wenn wir nicht auch vor Ort produzieren. Dabei findet natürlich immer auch ein Austausch von Fachwissen statt."

Unter dem Verdrängungswettbewerb durch Plagiate, Raubkopien und den Aufholprozess in Schwellenländern leidet auch Hatlapa. Das Management versucht, das Geschäft immer wieder neu zu justieren und höherwertige Produkte zu entwickeln, die am Markt bestehen können. Die frühere Produktion von Schiffskränen habe man schon in den 1980er-Jahren an die Neuenfelder Maschinenfabrik der Sietas-Gruppe abgegeben, sagt Nürnberg vor einem alten Hatlapa-Kran, der im Hof steht. Die Mehrheit am erfolgreichen Hamburger Schiffsruderhersteller Becker Marine Systems habe Hatlapa vor einiger Zeit an das Management des Unternehmens verkauft: "Das Geschäft bei Becker war sehr schnell gewachsen und für uns zu speziell, um es in dieser Größenordnung zu betreiben", sagt Nürnberg. Mit Sietas wie auch mit Becker arbeite man aber weiterhin eng zusammen.

Im vergangenen Jahr kaufte Hatlapa die Mehrheit der Anteile am norwegischen Unternehmen Triplex, einem Ausrüster von Offshore-Versorgerschiffen. Der Markt für Spezialschiffe, die vor allem Öl- und Gasförderanlagen auf See bewegen und versorgen, wächst stark. Obendrein können diese Schiffe zum Teil auch beim Aufbau von Offshore-Windparks auf dem Meer genutzt werden. Sie brauchen an Deck Winden und komplizierte Führungstechnologie für teils kilometerlange Stahltrossen. Die werden im Offshore-Geschäft zum Schleppen, Sichern und Setzen von Plattformen und Ankern eingesetzt. "Gestärkt um die Kompetenz von Triplex, wollen wir im Offshore-Markt ein ganzes Paket von Komponenten anbieten", sagt Nürnberg. "Wir investieren gezielt in die Hochtechnologie für den Offshore-Einsatz."

Im Jahr 1992 kam Nürnberg, studierter Schiffbauingenieur, zu Hatlapa. 1996 stieg er in die Geschäftsführung auf, 1998 übernahm er ein Viertel der Anteile am Unternehmen. Weitere zehn Prozent liegen beim Kogeschäftsführer Jörg Tollmien. 65 Prozent hält Hubertus Hatlapa, der Enkel des Gründers, der sich aus der Geschäftsführung mittlerweile zurückgezogen hat. Seit er das Unternehmen mit führt, hat Nürnberg dessen Gestalt immer wieder verändert. In seinem Büro zieht er eine kleine Zwischenbilanz. 120 Millionen Euro Umsatz machte Hatlapa 2011, in diesem Jahr sollen es rund 115 Millionen Euro werden. Viel wichtiger aber ist für Nürnberg: "Wir sind seit 1995 durchgehend profitabel." Das können nicht viele Unternehmen von sich behaupten. Auch nicht in der deutschen Erfolgsbranche Maschinenbau.