Schlecker, Aldi, Lidl: Mit Aggressivität und Verschwiegenheit haben diese Gründer ihre Ketten aufgebaut. Doch ihre Art der Führung stößt an Grenzen.

Hamburg. Anton Schlecker hat eine Schwäche für Machiavelli. Geschäftspartnern, die zum Patriarchen des schwäbischen Drogerieimperiums vorgelassen wurden, schenkte der gelernte Metzger gern eine Ausgabe von "Der Fürst". Als solch ein absoluter Herrscher mag sich der heute 67-Jährige über Jahrzehnte hinweg vorgekommen sein. Herr über einst 10 000 Filialen. Eher gefürchtet als geliebt von seinen rund 30 000 Mitarbeitern.

Der Konkurrenz wähnte sich Schlecker meilenweit voraus. Im holzgetäfelten Besprechungsraum der Unternehmenszentrale hing jahrelang eine Karikatur, die den Chef als strahlenden Gondoliere zeigt und seine Frau als Galionsfigur am Bug. Dahinter paddelten Schleckers Rivalen, der dm-Gründer Götz Werner und Dirk Roßmann.

Von diesem Hochmut ist nichts mehr übrig geblieben. Der einst größten deutschen Drogeriekette, die zuletzt noch mit dem denglischen Werbespruch "For you. Vor Ort" zu punkten versuchte, ist das Geld ausgegangen. Die Macht im schwäbischen Ehingen hat der Insolvenzverwalter übernommen. Zur ersten Pressekonferenz seit 20 Jahren schickte Anton Schlecker seine Tochter, die mit blassem Gesicht verkündete, nicht nur das Unternehmen sei ruiniert, sondern auch die Familie. For you. Vorbei.

Wenn Anton Schlecker nun - wie diese Woche angekündigt - abtritt, dann zieht sich auch einer der letzten Patriarchen im deutschen Einzelhandel zurück. Der verstorbene Gründer von Aldi Nord, Theo Albrecht, gehörte in diese Kategorie, ebenso wie sein Bruder Karl, der noch heute über Aldi Süd gebietet. Und auch Dieter Schwarz, der Herr über Lidl und Kaufland, zählt dazu, ebenso Schwabe wie Anton Schlecker und angeblich gut befreundet mit dem einstigen Drogeriefürsten.

Was die Männer eint, ist die Tatsache, dass sie alle aus dem Nichts große Handelsketten schufen, die mit schnellem Wachstum und einem Billigimage die deutsche Wirtschaft der Nachkriegszeit prägten. Eine gewisse Härte gegenüber Lieferanten und Mitarbeitern ist ihnen gemein und sie sind sich ähnlich in der Scheu gegenüber der Öffentlichkeit. Kaum einer hat Interviews gegeben, die wenigen Fotos, die kursieren, sind alt und verschwommen. Noch heute gleichen die Unternehmenszentralen Trutzburgen, aus denen wenige Informationen nach außen dringen.

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Bei Anton Schlecker waren es diese Abschottung und seine Beratungsresistenz, die mit zur Krise der Drogeriekette beitrugen. "Schlecker hat viel zu lange am veralteten Konzept seiner Filialen festgehalten", sagt der Handelsexperte Matthias Queck von der Marktforschungsgesellschaft Planet Retail. "Anfangs erlaubten ihm die vielen, kleinen Läden in Nebenstraßen und Kleinstädten ein rasantes Wachstum." Doch Schlecker habe es versäumt, sein Ladennetz zu modernisieren. "Während die Konkurrenten heute über große, übersichtliche Geschäfte verfügen, hat sich bei Schlecker über Jahrzehnte nichts verändert."

Seinen Wunsch, alle Fäden im Unternehmen in der Hand zu halten, trieb der Patriarch so weit, dass er selbst Banken oder anderen Geldgebern den Einblick in sein Imperium verwehrte. Stattdessen versuchte Schlecker, die extreme Ausbreitung der Kette mithilfe von Lieferantenkrediten zu verwirklichen. Als seine Kinder Lars und Meike Schlecker dann das marode Filialnetz wieder auf Vordermann bringen wollten, fehlte das Geld für den großangelegten Umbau.

Was die Trutzburg-Mentalität angeht, so steht der Discounter Aldi dem Schlecker-Imperium in nichts nach. Verschlossen waren die beiden Gründer Theo und Karl Albrecht schon Anfang der 60er-Jahre, als sie in Dortmund den ersten Albrecht-Discount (AlDi) aufmachten und damit den Grundstein für ihr Billigimperium legten. Eigenmarken mit guter Qualität, niedrige Preise und die Beschränkung des Sortiments auf einige Hundert Artikel. Mit diesem damals revolutionären Konzept rollten die Brüder den Markt auf.

Offizielle Geschäftszahlen gab es nie, eine Öffentlichkeitsarbeit auch nicht. Bei Theo Albrecht dürfte es seine Entführung im Jahr 1971 gewesen sein, die den ohnehin scheuen Konzernchef dazu brachte, noch misstrauischer und vorsichtiger zu werden. So unbekannt war er damals, dass sich selbst die Entführer erst mal seinen Pass zeigen ließen, um sicherzugehen, das richtige Opfer erwischt zu haben.

Anders als bei Schlecker haben die Verschwiegenheit und die Alleinherrschaft der Gründer das Aldi-Imperium allerdings nie in Gefahr bringen können. Mit einem geschätzten Gesamtumsatz von 57 Milliarden Euro steht der Discounter solide da, noch immer sind Aldi Süd und Aldi Nord zusammengenommen die größte Billigkette Deutschlands.

Allerdings machen Handelsforscher auch bei Aldi Nord Tendenzen aus, die in die Richtung der angeschlagenen Drogeriekette weisen. Als Theo Albrecht 2010 starb, hinterließ er ein weitgehend erstarrtes Imperium, dessen Umsatz sich in Deutschland seit zehn Jahren kaum bewegt hat. "Aldi Nord droht zu verschleckern", sagt Professor Thomas Roeb, der an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Handelsbetriebslehre unterrichtet. "Auch hier gibt es ein überaltertes Filialnetz, das dringend modernisiert werden muss."

Seit Ende vergangenen Jahres bemüht sich das aktuelle Aldi-Management, vorsichtige Reformen einzuleiten. Beleuchtete Regale, Motivbilder für einzelne Warengruppen oder Backautomaten soll es geben. Revolutionär für Aldi Nord, bei anderen Handelsketten schon seit Jahren Standard.

Zum Wandel getrieben wurde auch Dieter Schwarz, zu dessen Unternehmensgruppe der Aldi-Konkurrent Lidl und die Kette Kaufland gehören. Der 72-Jährige ist vielleicht das größte Enigma unter den Handelsfürsten. Sein Vater Josef war schon 1930 in die Südfrüchtegroßhandlung Lidl & Co. eingestiegen, sein Sohn eröffnet 1973 den ersten Discountermarkt. Weinfeste und der örtliche Fußballklub in Neckarsulm sollen die Leidenschaft des Schwaben sein, er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Viel mehr ist über sein Privatleben nicht bekannt.

Auch Schwarz glaubte lange Zeit, ohne jede Form der Öffentlichkeitsarbeit auskommen zu können, doch dann begann die Gewerkschaft Ver.di im Jahr 2004 über die Gängelung von Mitarbeitern, Mobbing-Methoden und die Ausbeutung der Angestellten in Deutschland zu berichten. Es folgten Berichte über die Bespitzelung von Beschäftigten. Die Beliebtheitswerte von Lidl sanken in den Keller. Die Firma zog die Notbremse, erhöhte die Löhne, durchleuchtete die Führungsstruktur und informierte die Öffentlichkeit stärker. Heute steht Lidl deutlich besser da.

"Heute ist das Image eines Unternehmens entscheidend für den Erfolg", sagt Handelsexperte Queck. "Die Verbraucher erwarten einfach, dass soziale Mindeststandards eingehalten und sie angemessen informiert werden." Andere Handelsunternehmen wie der Hamburger Otto-Konzern haben dies längst erkannt. Auch der weltgrößte Versandhändler befindet sich nach wie vor in Familienbesitz, doch anders als die verschwiegenen Patriarchen entschieden sich die Ottos dafür, Umsatz- und Ergebniszahlen zu publizieren und auch öffentlich aufzutreten. "Nur mit einem guten Image können wir hoch qualifizierte Mitarbeiter an uns binden", sagt Konzernsprecher Thomas Voigt. "Außerdem ist es eine Hybris zu glauben, ein Unternehmen heute noch komplett abschotten zu können."