Mit dem Umzug von Tesa ist Hamburgs kleinem Nachbarn ein großer Coup gelungen. Doch was ist das Geheimnis der Schleswig-Holsteiner?

Hamburg/Norderstedt. Grünes Licht gibt es schon lange für Tesa an der Niendorfer Straße in Norderstedt. Eine Ampel ist an der Zufahrt zum Gelände bereits errichtet, für Fußgänger ist sie auf Dauergrün geschaltet. Die ersten Zentimeter der Zufahrtsstraße sind asphaltiert, dann sprießen wilde Pflanzen durch den Schnee. Das Schild einer großen Maklerfirma weist auf Flächen für Lager, Logistik und Industrie hin und verspricht "Wir machen es!"

+++ Tesa klebt nicht an Hamburg +++
+++ Beiersdorf: Konzernumbau hinterlässt tiefe Spuren +++

Den Schritt raus aus Hamburg wagt jetzt die Beiersdorf-Tochter. Bis 2015 wollen die Klebstoffspezialisten ihre Zentrale vom Stadtteil Eimsbüttel nach Schleswig-Holstein verlegen. 800 Mitarbeiter werden in das Gewerbegebiet in der Nähe der Hamburger Stadtgrenze umziehen. Ein Coup für das oft als gesichtslos belächelte Norderstedt, das nicht gerade als Perle des Städtebaus gilt und als einziges historisches Baudenkmal die Justizvollzugsanstalt Glasmoor vorzuweisen hat.

Doch Tesa befindet sich an der Niendorfer Straße in bester Gesellschaft. Wer weiter gen Norden fährt, sieht zuerst die Zentrale der Handelskette Blume 2000. Auf der anderen Straßenseite haben sich das Luftfrachtzentrum World-Cargo-Center, das Logistikzentrum des Modeherstellers Tom Tailor und der Elektronikspezialist Casio mit seiner Europazentrale angesiedelt. Östlich des Straßenzuges gibt es Händler wie Fegro und nördlich der Ohechaussee Autofirmen wie A.T.U und Dello sowie einen Obi-Baumarkt.

Boomtown Norderstedt: Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote ist bemüht, sich die Freude über den jüngsten Erfolg nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Zu groß ist die Sorge des CDU-Politikers, es sich mit dem großen Bruder Hamburg zu verscherzen. "Bei Tesa hatten wir wohl die besseren Argumente auf unserer Seite", sagt Grote diplomatisch. Vor allem die guten Erweiterungsmöglichkeiten auf dem fünf Hektar großen Gelände hätten den Ausschlag gegeben.

Tatsächlich hat Norderstedt im Kampf um Tesa aber alle Register gezogen. Die Verkehrsanbindung über mehrere Buslinien will die Stadt verbessern, der Bau einer Kindertagesstätte soll forciert werden und auch der Bau von zusätzlichen Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe des neuen Tesa-Standorts ist laut Grote schon genehmigt. "Vergünstigungen beim Grundstück haben wir aber nicht gewährt", betont er.

Über Interessenten für die noch verbliebenen 20 Hektar an Gewerbeflächen in Norderstedt kann sich der Bürgermeister nicht beklagen. "Die Nachfrage ist so groß, dass wir teilweise schon Bewerber ablehnen mussten", sagt Grote. Derzeit befinde man sich in Gesprächen mit zwei Firmen aus der Logistikbranche, die noch einmal für 500 zusätzliche Arbeitsplätze in der Stadt sorgen wollen.

Die neue Tesa-Zentrale grenzt direkt an das Gewerbegebiet Nordport, in dem in den vergangenen sechs Jahren schon 1500 neue Jobs entstanden sind. Die Pendlerbilanz zwischen Hamburg und Norderstedt fällt mittlerweile zugunsten des kleinen Nachbarn aus. 22 000 Menschen fahren jeden Tag aus der Hansestadt in die fünfgrößte Stadt Schleswig-Holsteins, um dort zur Arbeit zu gehen. Lediglich 18 000 bewegen sich in die andere Richtung.

Aus Sicht des Bürgermeisters profitiert Norderstedt bei Standortentscheidungen dennoch stark von der Nähe zu Hamburg und zum Flughafen Fuhlsbüttel. Darüber hinaus habe die Stadt aber auch einige richtige, strategische Entscheidungen getroffen. "Zum einen haben wir mit zwei zusätzlichen Gewerbegebieten attraktive Flächen zur Verfügung gestellt", sagt er. Zum anderen habe man schon vor elf Jahren ein Glasfasernetz für schnelle Internetverbindungen aufgebaut. "Damals wurden wir dafür belächelt, doch heute stellt diese Datenautobahn einen wichtigen Standortfaktor da."

"Investoren schätzen zudem die kurzen Entscheidungswege in der Stadt", ergänzt der Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Norderstedt, Marc-Mario Bertermann. Wer eine Baugenehmigung für eine neue Firmenzentrale oder ein zusätzliches Lager brauche, könne darüber direkt mit dem Bürgermeister oder dem zuständigen Baudezernenten verhandeln.

Genau hier liegt nach Meinung der Hamburger Opposition eine Schwachstelle in der Hansestadt. "Das Flächenmanagement in Hamburg ist stark verbesserungsfähig", sagt die Wirtschaftsexpertin der CDU, Karin Prien. "Investoren müssen sich mit zahlreichen Ansprechpartnern in den Bezirksämtern und Behörden auseinandersetzen." Zudem forciere der Senat den Wohnungsbau in der Stadt und vernachlässige die Ausweisung von Gewerbeflächen.

Eine Kritik, die man in der Wirtschaftsbehörde nicht auf sich sitzen lassen möchte. "Das Portfolio an Gewerbeflächen ist in einem Stadtstaat wie Hamburg natürlich begrenzt", sagt Behördensprecherin Susanne Meinecke. Im Fall Tesa habe die Behörde aber alles unternommen, um dem Unternehmen alternative Standorte anzubieten.

Ohnehin vermuten die Hamburger noch einen ganz anderen Grund für den Umzug von Tesa. So dürfte es kein Zufall sein, dass die neue Firmenzentrale nur einen Steinwurf entfernt von der Zentrale der Handelskette Blume 2000 liegen wird. Beide Firmen befinden sich direkt und indirekt in der Hand der Hamburger Familie Herz, der auch der Kaffeeröster Tchibo gehört. Sie soll dafür gesorgt haben, dass die Unternehmen enger zusammenrücken.

Nicht immer geht das Tauziehen zwischen Hamburg und Norderstedt zudem zugunsten des kleinen Nachbarn aus. Vor ein paar Jahren verlagerte der Windanlagenbauer Nordex seine Zentrale in die Hansestadt - allen Bemühungen der Norderstedter zum Trotz. Bürgermeister Grote nimmt diese Niederlage sportlich: "Mal gewinnt man, mal verliert man", sagt er.