Zigarettenkonzern will gegen rigide Werbeauflagen der EU klagen, sagt der neue Reemtsma-Chef Marcus T. R. Schmidt im Abendblatt-Gespräch.

Hamburg. Seit August ist Marcus T. R. Schmidt Deutschland-Chef beim Zigarettenhersteller Reemtsma. Sein erstes Interview gab der 44-Jährige dem Abendblatt über die Tabaksteuer, die geplante Reglementierung der Branche durch die Europäische Union und die neuen E-Zigaretten.

Hamburger Abendblatt: Herr Schmidt, wie viel kostet eine Schachtel Ihrer JPS?

Marcus T. R. Schmidt: Nach der Tabaksteuererhöhung zu Jahresanfang hat sich der Preis von JPS um zehn Cent auf 4,60 Euro erhöht.

Haben Sie keine Bedenken, dass Ihre Kunden wegen der Preiserhöhungen die Lust am Rauchen verlieren oder auf Schmuggelzigaretten ausweichen?

Schmidt: Steuererhöhungen stellen immer ein Risiko dar. Aber die jetzige Anhebung halte ich für moderat. Auch die kommenden drei Erhöhungen um je zehn Prozent bis zum Jahr 2015 werden für die Konsumenten verkraftbar sein. Die Bundesregierung hat sich für eine Steuererhöhung in kleinen, moderaten Schritten entschieden, um einen weiteren Anstieg der geschmuggelten Ware in Deutschland zu vermeiden.

Ihre Branche gehört zu den gewinnträchtigsten in Deutschland. Allein Reemtsma hat bei gut einer Milliarde Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 532 Millionen Euro erwirtschaftet. Warum verzichten Sie vor diesem Hintergrund nicht darauf, die staatlich verordneten Mehrkosten an die Kunden weiterzugeben?

Schmidt: Wir haben schon mehrmals zwischen 2005 und 2010 massive Anhebungen nicht weitergereicht. Die jetzigen Erhöhungen von zehn Cent pro Packung sind aus unserer Sicht zumutbar und decken unsere gestiegenen Kosten.

Haben Sie schon einmal eine E-Zigarette geraucht, bei der zwar Qualm entsteht, aber kein Tabak verbrannt wird?

Schmidt: Ja, die kenne ich bereits aus meiner Zeit in Russland und der Ukraine. Dort waren sie schon vor vier bis fünf Jahren auf dem Markt. Aber E-Zigaretten sind nichts für mich. Ich will, dass es beim Rauchen richtig qualmt. Zudem will ich nicht das Gefühl haben, dass ich auf einem Kugelschreiber herumkaue.

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E-Zigaretten sollen aber die Gesundheit weniger belasten als das Rauchen. Schließlich wird nichts verbrannt.

Schmidt: Die kleinen Plastikzigaretten sind ja nicht echt. Sie bestehen aus einer Hülse, in der eine nikotin- oder aromenhaltige Flüssigkeit mittels einer elektrischen Heizspirale bei rund 65 Grad verdampft wird. Ob dies tatsächlich gesünder ist, wird derzeit offenbar noch fleißig diskutiert. Wir produzieren keine E-Zigaretten und können deswegen wenig über das Produkt sagen.

Klar, dass Sie dies als Manager eines Tabakkonzerns sagen müssen. Schließlich stellt die E-Zigarette eine Bedrohung für Ihre Branche dar.

Schmidt: Nein, so sehe ich das nicht. Dem Thema wird heute eine größere Bedeutung zugerechnet, als es hat. Dabei gibt es bisher noch nicht einmal Langzeituntersuchungen, die erforschen, welche chemischen Prozesse sich abspielen, wenn die Flüssigkeit in Kontakt mit der Heizspirale gerät und verdampft. Zudem ist bislang nicht klar, ob die E-Zigarette als Arznei- oder Genussmittel zu bewerten ist.

Könnten Sie sich vorstellen, dass Ihre Branche in das neue Geschäftsfeld der künstlichen Zigaretten einsteigt?

Schmidt: Nichts ist unmöglich. Aber wie gesagt, es gibt zu viele Unklarheiten. Bevor die Tabakindustrie sich mit dem Thema befasst, müssen die offenen Fragen noch beantwortet werden. Ich persönlich glaube, dass die Konsumenten auch langfristig eher zum Tabakprodukt greifen werden.

Die EU möchte im ersten Halbjahr eine neue Tabakrichtlinie verabschieden, die unter anderem Schockbilder kranker Lungen auf den Zigarettenpackungen vorschreiben könnte. Wie wird Reemtsma darauf reagieren?

Schmidt: Wenn diese Richtlinie so wie jetzt geplant kommt, werden wird dagegen klagen.

Warum? Es stimmt ja, dass man vom Rauchen Lungenkrebs bekommen kann.

Schmidt: Darum geht es nicht. Über die Risiken des Rauchens ist man ausführlich aufgeklärt. Große Warnhinweise weisen jeden Konsumenten auffällig darauf hin. Sollte die EU-Richtlinie Schockbilder, vergrößerte Warnhinweise oder sogar Einheitsverpackungen vorsehen, so bedeutet dies ein massiver Eingriff in unsere Eigentums- und Markenrechte. Die Darstellung unserer Marken und damit die Differenzierung unserer Produkte vom Wettbewerb könnte nicht mehr stattfinden, wenn man den Markenamen nur noch in kleiner Einheitsschrift auf gleich aussehende Packungen drucken dürfte. Die gesamte Industrie lebt von Marken. Reemtsma hat zum Beispiel vor fünf Jahren für rund 520 Millionen Euro die Marke Davidoff übernommen und sie ausgebaut. Das ist unser Geschäft, das die EU jetzt beschneiden will.

Welche Erfolgschancen hätte die Klage?

Schmidt: Das wird kein einfacher Weg, aber wir sind zuversichtlich. In Australien, wo man jüngst die Einführung von Einheitsverpackungen beschlossen hat, haben wir genau wie BAT und Philip Morris auch bereits Klage eingereicht.

Themenwechsel: Fast jede fünfte in Deutschland gerauchte Zigarette ist nicht verzollt. Warum bekämpft Ihre Branche Schmuggel nicht konsequenter?

Schmidt: Wir arbeiten mit der Polizei und dem Zoll eng zusammen, um den Schmuggel einzudämmen. Bei Zigarettenschmuggel handelt es sich aber um organisierte Kriminalität. An die Drahtzieher kommt man oft nur schwer ran.

Und damit geben Sie sich zufrieden?

Schmidt: Nein, wir arbeiten daran, die Vertriebswege in Deutschland auszutrocknen. Im Zigarettenverband diskutieren wir derzeit mit der Politik, dass auch andere Behörden - zum Beispiel Polizei oder Ordnungsämter - eingesetzt werden könnten, um das Problem einzudämmen. Wenn sie Verkäufer entdecken, könnten sie deren Ware beschlagnahmen und ein Ordnungsgeld verhängen. Das würde die kleinen illegalen Händler sehr treffen, weil sie dann vermutlich kein Geld haben, um die nächste Lieferung zu bezahlen.

Im Jahr 2002 ist Reemtsma vom englischen Unternehmen Imperial Tobacco übernommen worden. Wie wichtig ist heute Hamburg für den Gesamtkonzern?

Schmidt: Hamburg ist in vielerlei Hinsicht sehr wichtig für das Unternehmen. Die Stadt ist attraktiv für Mitarbeiter und hat eine gute internationale Flughafenanbindung. Wir sind der zweitgrößte Markt von Imperial Tobacco und tragen 16 Prozent zum Gesamtgewinn bei. Unser Mutterkonzern mit Sitz in Bristol, hat zahlreiche Aktivitäten wie etwa die Steuerung der weltweiten Fabriken des Konzerns, die Bearbeitung des osteuropäischen Marktes oder auch die Supply Chain, die die gesamte Logistik vom Werk bis hin zum Ladenregal regelt, in die Hansestadt verlagert.

In Hamburg beschäftigt Reemtsma rund 930 Mitarbeiter, 80 mehr als vor einem Jahr. Werden Sie auch 2012 in der Hansestadt weiter einstellen?

Schmidt: Das ist gut möglich. Aktuell haben wir über zehn offene Stellen. Insbesondere im Bereich Supply Chain.

Während sich Hamburg über mehr Stellen freuen kann, wird das Berliner Werk noch in diesem Sommer geschlossen werden. Warum?

Schmidt: Nach der Übernahme von Altadis 2008 hatten wir plötzlich 27 Fabriken weltweit mehr. Das hatte zur Folge, dass Produktionskapazitäten gebündelt werden mussten. Bedauerlicherweise bedeutete das die Schließung des Werkes in Berlin und ein Ausbau des Werkes in Langenhagen. Die Mitarbeiter haben wir bereits vor vier Jahren darüber informiert. Zu Mitte des Jahres werden wir unsere Produktion in Berlin einstellen. Die Mehrheit der rund 400 Mitarbeiter in der Hauptstadt kann dann entweder in unser Werk nach Langenhagen wechseln oder in den Vorruhestand gehen.