Der Kampf um Karstadt bleibt spannend. Bis Freitagnachmittag können Interessenten Angebote einreichen. Drei Szenarien, wie es weitergehen könnte.

Düsseldorf. Überall in Deutschland haben die Karstadt-Mitarbeiter seit der 2004 dauernden Krise gehofft - darauf, dass irgendwie alles gut werden würde. Man muss halt dran glauben. Immerhin gibt es ihre Kette noch, auch wenn Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg 13 Häuser geschlossen und 1000 Mitarbeiter entlassen hat. Die Schwestermarke Quelle dagegen fand keinen Käufer, sie wurde im vergangenen Herbst abgewickelt. Auch Hertie, die Kette aus 75 früheren Karstadt-Häusern, gibt es nicht mehr. Mit den beiden Marken verschwanden Tausende Einzelhandelsjobs.

Am Freitag nun könnte sich das Schicksal von Karstadt entscheiden. Bis 17 Uhr sollen die Interessenten ihre Angebote für die Traditionskette einreichen. Es gibt drei Szenarien, wie es mit der Kette weitergehen kann:

Die Görg-Lösung

Seit November 2009 bereitet Görg den Komplettverkauf von Karstadt mit seinen 120 Filialen vor, in denen 25.000 Menschen arbeiten. Auf seinen Vorschlag hin hatte ihm die erste Gläubigerversammlung diesen Auftrag erteilt. Es seien "erhebliche Zerschlagungsverluste" für den Fall zu befürchten, "dass das Unternehmen im Rahmen dieses Insolvenzverfahrens zerschlagen werden muss", begründete Görg. Er will verhindern, dass sich Investoren die Rosinen herauspicken und schwache Filialen auf der Strecke bleiben. Doch diese Ganz-oder-gar-nicht-Forderung schreckt offenbar Investoren ab. Zumal es auch noch die Verpflichtung gibt, alle Häuser mindestens bis Herbst 2011 zu betreiben. Wegen dieser Garantie verzichten die Mitarbeiter in den nächsten Jahren auf 150 Millionen Euro Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Zumindest finanziell hat Görg potenziellen Käufern den roten Teppich ausgerollt: Die Gläubiger schreiben bis zu 97 Prozent ihrer Forderungen ab. Der Vermieter - der Fonds Highstreet der US-Bank Goldman Sachs - verzichtet auf rund 150 Millionen Euro Mietansprüche. Und die Städte mit Karstadt-Filialen sollen der Kette einmalig rund 100 Millionen Euro Gewerbesteuern erlassen. 50 der 90 (zumeist hoch verschuldeten) Städte haben zähneknirschend zugestimmt. Die Bürgermeister wollen Karstadt als Innenstadtmagnet behalten.

Für die Kaufinteressenten öffnete Görg Mitte März den sogenannten "Datenraum", in dem die Investoren in die Karstadt-Bücher schauen dürfen. Zu spät, meinen Skeptiker. Der Insolvenzverwalter habe Zeit verschenkt, das Verkaufsverfahren könnte schon viel weiter sein. Sechs Interessenten sollen gelegentlich im Datenraum auftauchen, angeblich nur Finanzinvestoren: Blackstone, Permira, Texas Pacific, Pamplona, Apollo und Triton. Konkurrent Metro war nicht da.

Es gebe "keine Sicherheit", dass er ein Angebot bekomme, sagt Görg. Aber er habe berechtigte Hoffnung. Sollte der Komplettverkauf dennoch misslingen, droht Karstadt die Zerschlagung - auch wenn Görg notfalls ein paar Monate in Eigenregie weitermachen könnte.

Der Goldman-Plan

Doch vor der Zerschlagung könnte überraschend noch ein Retter auftauchen: die US-Bank Goldman Sachs. Sie könnte Karstadt selbst kaufen und betreiben, wenn sich niemand anderes findet. "Wir schauen uns das sehr ernsthaft an. Aber es gibt noch keine Entscheidungen", sagte ein Bank-Manager der "Welt". Ein früherer Vorstand des Handelskonzerns sagt: "Goldman Sachs ist eigentlich der natürliche Kaufkandidat für Karstadt."

Denn der Immobilienfonds Highstreet der Bank hatte 2006 - noch in der Ära Middelhoff - für 3,7 Milliarden Euro den Großteil der Karstadt-Immobilien übernommen und ist seit der Insolvenz einer der größten Gläubiger. Die Miete soll über Marktniveau gelegen haben. Goldmann hatte die Highstreet-Anteile nach dem Kauf schnell an zahlreiche institutionelle Anleger in aller Welt weitergegeben. Bei denen kam es nicht gut an, dass sie seit der Insolvenz von Karstadt auf viele Miet-Millionen verzichten müssen - zumal Goldman am Weiterverkauf gut verdient haben soll.

Mit der Übernahme von Karstadt könnten die Bank wieder für sichere Mieten sorgen. Deshalb war es wohl kein Zufall, dass ausgerechnet ein Vertreter von Highstreet bei der Gläubigerversammlung vergangene Woche eine Aufweichung der strikten Angebotsfristen erreicht hat. Nur wegen dieser Änderung könnte Goldman/Highstreet nun auch nach Freitag noch ein Angebot abgeben. Die Übernahme und Fortführung durch einen anderen Investor wäre den Goldmännern zwar lieber. Doch bevor es zur Zerschlagung und zur Einzelverwertung der Immobilien kommt, will die Bank wohl lieber selbst ins Risiko gehen.

Dann könnte der Konzern zunächst als Ganzes erhalten werden. Dafür sollen die Mitarbeiter - wie im Görg-Plan - auf rund 150 Millionen Euro verzichten. Erst nach und nach, so die Idee, würden dann die nicht rentablen Häuser geschlossen. Die Pläne lassen kein Detail aus: Für alle Karstadt-Immobilien, die 2006 an Highstreet gegangen sind, soll es Nutzungskonzepte für den Fall geben, dass dort kein Warenhaus mehr betrieben wird. Das würde den Käufern der Highstreet-Anteile eine Mieteinnahme auch ohne Karstadt sichern. Allerdings zu einem hohen Preis: Die Mitarbeiter in diesen Häusern würden wohl ihre Jobs verlieren. "Highstreet und Goldman haben am meisten zu verlieren, nämlich die Mieteinnahmen", sagt ein Beobachter. Zudem hat die Investmentbank bereits 2005 Erfahrung mit solchen Konstruktionen bei "Ihr Platz" gemacht. Goldman hatte die marode Drogeriemarktkette übernommen, durch die Insolvenz gebracht, externe Sanierer engagiert und das Unternehmen einige Monate später an Marktführer Schlecker verkauft.

Möglicherweise könnte es im zweiten Schritt auch zu einem Zusammenschluss mit dem Konkurrenten Kaufhof kommen, der bei seiner Konzernmutter Metro auf der Verkaufsliste steht. Diese Warenhausgesellschaft könnte dann verkauft oder an die Börse gebracht werden, wenn sich die Finanzmärkte erholt haben.

Was zur dritten Variante führt:

Die Metro-Variante

Metro-Chef Eckard Cordes will seinen Kaufhof mit den besten 30 bis 50 Häusern von Karstadt zu einer Deutschen Warenhaus AG verschmelzen und diese Gesellschaft später verkaufen oder an die Börse bringen. Im Unterschied zum Goldman-Plan würden bei der Metro-Variante jedoch nur die besten Karstadt-Häuser übernommen. Was mit den anderen Filialen und der Zentrale in Essen geschehen soll, ist nicht geklärt. Die Gewerkschaft Ver.di befürchtet Schließungen und Massenentlassungen. Der Metro-Chef hatte sich zuletzt schon unbeliebt bei den Beschäftigten gemacht, als er die Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 42 Stunden erhöhen, dafür aber eine Jobgarantie geben wollte.

Cordes möchte die Gelegenheit jetzt nutzen. Denn bisher drängelten sich die Interessenten nicht gerade für seinen zum Verkauf stehenden Kaufhof. Immerhin müssten sie zwei bis drei Milliarden Euro bezahlen und hätten weiterhin mit dem Konkurrenten Karstadt zu tun. Wenn Cordes jetzt allerdings die beiden K-Ketten zusammenschließen würde, könnte er praktisch den gesamten deutschen Warenhausmarkt als Monopolpaket anbieten. Das erhöht die Verkaufschancen.

Metro soll inzwischen Mietverträge und Grundstücksverhältnisse seiner Warenhauskette auf mögliche Komplikationen geprüft, Rechtsfragen geklärt und die Bank JP Morgan eingeschaltet haben. Mit Finanzinvestoren wie Blackstone, Permira, Apollo und Texas Pacific habe es "Vorgespräche" gegeben, heißt es beschwichtigend bei Metro.

Metro und einer der Finanzinvestoren könnten eine Gesellschaft gründen, die die ins Konzept passenden Karstadt-Filialen übernimmt. Hinzu kommt der Kaufhof, der ganz oder anteilig in den Besitz des Finanzinvestors übergeht. Das brächte Metro bereits einen Verkaufserlös für Kaufhof. Als dritter Partner und Vertreter der Vermieter könnte Goldman Sachs dazustoßen.

Falls der Verkauf im Paket platzt, gibt es einige Interessenten für einzelne Karstadt-Häuser. Die Nürnberger Modehandelskette Wöhrl gehört ebenso dazu wie Sport Scheck, eine Tochter der Hamburger Otto-Gruppe. Allerdings könne er sich "kaum vorstellen, dass die Otto Group alle Karstadt Sportshäuser erwirbt", sagte Hans-Otto Schrader, Vorstandschef der Otto Group dem Wirtschaftsmagazin "Capital". Schließlich hätten nur wenige dieser Häuser eine hohe Rentabilität. Und in den anderen Handelskonzernen gibt es Listen über Karstadt-Häuser, die das eigene Filialsystem sinnvoll ergänzen könnten. Teuer wird es, wenn sich mehrere Interessenten für dieselben Häuser interessieren. Und das ist durchaus wahrscheinlich. Der Kampf um Karstadt bleibt spannend.