Die Experten fürchten neuen, großen Einbruch am Finanzmarkt. Die Hiobsbotschaften aus den USA verunsichern die deutschen Anleger.

Hamburg. Große amerikanische Banken haben sich mit Immobilien verhoben und Milliardenverluste eingefahren. Das schreckt auch deutsche Immobilienanleger auf. "Zumindest psychologisch sind das keine guten Nachrichten, weil sie die Flucht aus den offenen Fonds verstärken können", sagt Dieter Thomaschowski, Immobilienexperte des Researchunternehmens IRICIC dem Abendblatt. "Doch die deutschen Produkte sind nicht so risikoreich konstruiert wie die US-Fonds, die jetzt in die Schlagzeilen geraten sind", versucht Thomaschowski verunsicherte Anleger zu beruhigen.

Die hohen Verluste wie etwa die 5,4 Milliarden Dollar beim Fonds von Morgan Stanley resultieren aus drei Gründen: fallende Immobilienwerte, steigende Leerstände und ein viel zu hoher Krediteinsatz bei den Immobilieninvestments. Viele Objekte sind wie in den USA üblich nur kurzfristig finanziert. Läuft der Kredit aus, fällt es schwer eine Anschlussfinanzierung zu finden. Die Banken halten sich mit Krediten zurück. "40 Prozent der Banken in den USA haben eine riskante Konzentration im Bereich der gewerblichen Immobilienfinanzierung", sagt Elizabeth Warren, Professorin an der US-Universität Harvard. Die Befürchtung vieler Experten: Die Krise bei den Gewerbeimmobilien könnte eine neue Finanzkrise auslösen. Betroffen wären auch deutsche Institute wie die Postbank oder Commerzbank. Denn wie bei den Wohnimmobilien wurden die Kredite verbrieft und weiterverkauft.

Die deutschen Immobilienanleger sorgt vor allem, dass die US-Fonds ihre Milliardenverluste nicht nur in den USA eingefahren haben. So verzeichnete ein Fonds von Goldman Sachs einen Verlust von 1,8 Milliarden Dollar und ist nach den USA am stärksten in Deutschland investiert.

Wie stark die Anleger den offenen Immobilienfonds inzwischen misstrauen, zeigt der Handel der Produkte an der Börse. Weil sechs offene Immobilienfonds von den Fondsgesellschaften nicht mehr zurückgenommen werden, bleibt nur der Verkauf über die Hamburger Börse. Doch verkaufswillige Anleger erhalten zum Beispiel beim Fonds Degi Europa 23 Prozent weniger als der offizielle Rücknahmepreis der Fondsgesellschaft Aberdeen Asset Management. Der Abschlag drückt aus, dass die Anleger mit deutlichen Wertkorrekturen rechnen und deshalb nicht den offiziellen Ausgabepreis bezahlen wollen. Auch die offizielle Wertentwicklung weist nach unten. Die durchschnittliche Jahresrendite der offenen Immobilienfonds sank von 4,3 Prozent Anfang 2007 auf 1,7 Prozent. Zwei Fonds weisen sogar Verluste aus. "Offene Immobilienfonds gehören seit Monaten bei uns zu den meistgehandelten Fonds", sagt Kay Homann von der Hamburger Börse. Von den sechs Immobilienfonds, von denen keine Anteile mehr zurückgenommen werden, sind rund eine Millionen Anleger betroffen. Gesperrt sind damit rund zehn Prozent des gesamten Anlagekapitals in offenen Immobilienfonds, das 89 Milliarden Euro ausmacht.

Mangelnde Liquidität ist der Grund für die Schließung der Fonds. Sie finden nur schwer, Käufer für ihre Bürotürme, um wieder die Kasse zu füllen. Mögliche Ursachen sind unterschiedliche Preisvorstellungen oder die potenziellen Käufer erhalten keine Kredite. Manche Fonds sind schon fast zwei Jahre dicht. Spätestens im Oktober 2010 muss der Degi Europa nach zwei Jahren Schließung wieder öffnen. "Wir wählen jetzt die Objekte aus, die verkauft werden können, um Liquidität zu schaffen", sagt Robert W.F. Bauer von der Fondsgesellschaft Aberdeen Asset Management. Bisher konnte in diesem Jahr erst ein Bürohaus in London verkauft werden. "Wenn die Preise stimmen, müssten Verkäufe möglich sein, denn der Transaktionsmarkt hat wieder angezogen", sagt Beatrix Boutonnet vom Branchendienst Fondstelegramm. Im ersten Quartal wurden Immobilien im Gesamtwert von fünf Milliarden Euro verkauft. Gegenüber dem Vorjahresquartal ist das eine Steigerung von 176 Prozent.

Andere Fonds suchen den Ausweg aus der Krise in der Fusion. So will die Commerzbank ihre beiden offenen Immobilienfonds Hausinvest Europa und Hausinvest Global zusammenlegen. Vor allem das globale Produkt leidet unter starken Mittelabflüssen. Ohne Fusion könnte eine weitere Fondsschließung drohen.