Kritsanarat Khunkham reiste von Berlin nach New York, um eines der ersten iPads zu ergattern. Hier sein umfassender Testbericht.

New York. Ich zog aus Berlin nach New York, um mich von der Strahlkraft der jüngsten Frucht aus dem Hause mit dem Apfelsymbol zu überzeugen. Und kaum hielt ich das frisch gekaufte iPad am berühmten Times Square in den Händen, wurde eine Gruppe junger Damen von ihrer Anführerin gestoppt. "Mädels, o mein Gott", rief sie: "Er hat das iPad. Ist das das iPad?" So kamen wir ins Gespräch, was das Gerät jetzt kann, ob sie mal anfassen dürfen. Sie verabschiedeten sich dann mit einem beneidenden Blick, als hätte ich tatsächlich den Heiligen Gral in der Hand.

Die Erfolgsmasche des Steve Jobs

Wie die Bundeslade und der Goldene Kelch war das iPad zuvor von den Verkäufern präsentiert worden. Doch wie ist das kleine Gerät nun? Mit einem Gewicht von 730 Gramm liegt das iPad in der Hand. Mit 13 Millimetern ist es dünner als alles, was sich jemals Computer nannte, und ist mit einer Bildschirmgröße von 9,7 Zoll etwas größer als ein DIN-A5-Blatt. Das iPad fühlt sich sehr edel an. Die fast völlig aus Glas bestehende Front und die gebürstete Aluminium-Rückseite vermitteln haptisch den Eindruck, dass es niemals aus der Hand rutschen wird. Zudem ist es angenehm kühl. Der Touchscreen sollte, laut Ankündigung, fingerabdruckabsorbierend sein - das kann ich leider nicht bestätigen. Aber Freude bereitet er trotz Fettflecken durch seine Schärfe in der Abbildung. Was die Benutzerführung angeht: Wer jemals ein iPhone in der Hand hatte, kann auch das iPad sofort bedienen. Die Bedienung ist intuitiv, es läuft flüssig, schnell und nachvollziehbar. Ich tippe mit dem Finger auf den Bildschirm direkt auf ein Symbol, und wie auf Knopfdruck öffnet sich das Programm. Ich halte die Kuppe auf ein Foto und ziehe es nach rechts, und das Bild bewegt sich mit.

Durch den großen Bildschirm haben die Softwareentwickler genug Platz, um ihre Anwendungen schön aufzubereiten - raus aus der Enge des kleinen Handy-Bildschirms, auf dem man nur etwas erkennen kann, wenn man das Gerät fünf Zentimeter nah ans Auge heranführt. So sieht man beispielsweise im mitgelieferten Programm "Karten" mehr als nur einen Zipfel des Berliner Tiergartens und zwei, drei anliegende Straßen. Auf den Bildschirm passt nun das ganze Regierungsviertel, dabei sehe ich jeden Straßennamen und Informationen zu den wichtigen Gebäuden. In manchen Straßen ist es sogar möglich, dass ich auf dem iPad mit einem Klick eine fotografische Rundumsicht bekomme. "Google Street View" macht es möglich. Und das weltweit. Dabei ist erfreulich, dass der Bildschirm des iPads auch draußen tauglich ist: Er ist hell und kontrastreich genug, dass man alles auch bei direkter Sonneneinstrahlung gut erkennen kann - und das obwohl die Glasscheibe stark spiegelt.

Da zeigen viele echte Laptops größere Schwächen. Auf diese und vor allem die noch kleineren Netbooks hat es Steve Jobs mit dem iPad abgesehen. "Netbooks sind in keinem Punkt besser", lästerte der Apple-Chef. "Sie sind langsam, haben kleine und schlechte Bildschirme und laufen mit alter PC-Software." Der Clou des iPads ist der Mehrwert durch die vielen Applikationen. Sie machten schon das iPhone zu viel mehr als nur ein Mobiltelefon. Und so wird das iPad auch viel mehr sein als nur ein Unterwegscomputer. Im App-Store gibt es derzeit rund 1000 Programme für das Gerät, einige kostenpflichtig und einige für umsonst. Bereits jetzt verfügbar ist beispielsweise die Applikation der "Welt"-Gruppe, die wie das Abendblatt bei Axel Springer erscheint. Durch die Zwei-Finger-Zoom-Funktion lassen sich auch die kleinen Meldungen am Rand groß auf dem Screen abbilden. Auch das "Wall Street Journal" und die "New York Times" haben rechtzeitig multimediale Anwendungen entwickeln können. Dagegen finde ich es unverständlich, warum es das weltweit größte Soziale Netzwerk Facebook nicht geschafft hat, eine Anwendung zu kreieren. Man muss entweder teure Software von Dritten kaufen oder auf die alte iPhone-App (die meisten von ihnen laufen auch auf dem iPad) zurückgreifen. Doch das sieht ganz grausig aus.

Spaß machen dagegen die vielen Spiele: Mein Favorit ist "RealRacingHD", bei dem ich mithilfe des im iPad integrierten Bewegungssensors das Auto steuere, indem ich das Tablet wie ein Lenkrad vor mich halte und hin- und herdrehe. Und wenn ich abends im Bett einfach nur gucken will, kann ich Videofilme online ausleihen oder kaufen und auf dem Gerät anschauen. Unschön ist leider, dass kein echtes Breitbild möglich ist: Ich habe also oben und unten die schwarzen Balken oder muss damit leben, dass bei Vollbild die Seitenränder abgeschnitten sind. Und ein großes Manko dabei: Ich muss das iPad die ganze Zeit in der Hand halten. Denn sowohl von Bettdecke als auch von den Oberschenkeln rutscht es ständig herab. Einzige Abhilfe ist Apples iPad-Case, das aber auch wieder für einen Batzen Geld dazugekauft werden muss. Eine der wohl wichtigsten Anwendungen für die Konzernstrategie Apples ist iBooks. Hier sehe ich jedoch den großen verfehlten Anspruch des Apple-Neulings: In allen Punkten wird es vom Konkurrenten Kindle, dem eBook-Reader von Amazon, geschlagen. Das ist nämlich mit 290 Gramm federleicht, das iPad wird dagegen schon nach einigen Seiten schwer, wenn man es mit einer Hand halten will. Außerdem kann ich keine Randnotizen schreiben und nichts rauskopieren. Und den bis hierhin gelobten leuchtenden iPad-Screen empfinde ich beim Lesen viel unangenehmer für die Augen als das Grau-in-Grau des Kindles. Da hilft es mir auch nicht, dass die Benutzeroberfläche von iBooks wunderbar verspielt ist. Gekaufte Bücher liegen tatsächlich in einem Regal, und beim Umblättern blättert doch tatsächlich die Seite wie echtes Papier um. Doch ein Buch will ich lesen. Und nicht von 3-D-Effekten abgelenkt werden.

Allerdings kassierten die Apple-Entwickler bereits am Tag nach dem Verkaufsstart eine Pleite. Das iPad ist gehackt worden. Nach solch einem "Jailbreak" ist es möglich, jede beliebige Software auf das Gerät aufzuspielen. Und nicht nur aus dem App-Einkaufsladen von Apple - mit dem der Konzern enorme Einnahmen verbucht. Gerade diese erzwungene Abhängigkeit der Apple-Infrastruktur (Online-Shop, nur hauseigenes Zubehör) wird von Experten kritisiert.

Fazit: Das iPad wird perfekt sein für kleine Medienhäppchen zwischendurch. Schnell die letzten Nachrichten checken, mal eben bei den sozialen Netzwerken vorbeischauen, kurz noch ein Rezept raussuchen. Und das bequem auf der Couch, ohne langes Booten. Neue Technik hat sich nämlich noch nie so analog angefühlt: greifbar, verständlich, nachvollziehbar. Ohne Tastatur und Maus ist die Zeit der Mechanik vorbei.