Durch Zufall landete der Fall “Piloten-Streik“ bei der 44-jährigen Juristin. “Für Aufregung blieb mir keine Zeit“, sagte sie dem Abendblatt.

Hamburg/Frankfurt. Montag, Arbeitsgericht Frankfurt am Main: Ein Tag wie jeder andere, an dem turnusgemäß die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Frankfurt für die eingehenden einstweiligen Verfügungen zuständig ist. Gegen zehn Uhr geht ein Schreiben von der Lufthansa und zwei Stunden später ein identisches von der Frachttochter Cargo ein. Die Fluggesellschaft will mit einer Eilentscheidung den gerade angelaufenen Pilotenstreik für rechtswidrig erklären lassen. Das ist der Moment, an dem Richterin Silke Kohlschitter ins Spiel kommt, die Vorsitzende der Kammer. Sie lenkt die Kontrahenten in eine andere Richtung. Der Streik wird noch in derselben Nacht ausgesetzt und Deutschland atmet auf.

Obwohl die große Aufgabe eher zufällig bei der Juristin und promovierten Philologin landet, steht offensichtlich die richtige Frau am richtigen Platz. "Silke ist durchsetzungsfähig, rhetorisch beschlagen und hat einen gesunden Menschenverstand", sagt ein guter Bekannter aus dem SPD-Ortsverein in ihrem Heimatort Brechen, 65 Kilometer südöstlich von Frankfurt, über die Genossin. "Die Charakterisierung passt", bestätigt ihr Chef, Gerichtspräsident Frank Woitaschek, mit dem Kohlschitter seit 2004 zusammenarbeitet. Schnell macht die 44-Jährige der Lufthansa und der Vereinigung Cockpit (VC) klar, dass eine Eilentscheidung wenig bringt. "Sie müssen wieder an den Verhandlungstisch", ist die klare Ansage.

Für solche Ansagen ist Kohlschitter auch als SPD-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat ihrer 6500 Einwohner zählenden Wohnortes bekannt. Von dort pendelt sie täglich mit der Bahn zur Arbeit nach Frankfurt. "Silke kommt schnell zum Punkt", sagt der politische Freund. "Und ihre Meinung wird gehört."

"Ich bin offen in die Verhandlung gegangen, weil man weniger erfolgreich ist, wenn man sich vorher festlegt", sagte Kohlschitter gestern dem Abendblatt. Natürlich hatte sie noch am Nachmittag die vier umfangreichen, von der Lufthansa eingereichten Akten gelesen. Die Zeit bis zum Verhandlungsbeginn um 17.30 Uhr ist knapp, zumal auch noch der Sitzungssaal organisiert und die längere Arbeitszeit mit den Mitarbeitern der Geschäftsstelle abgesprochen werden müssen. "Ich hatte gar keine Gelegenheit mehr, aufgeregt zu sein", sagt Kohlschitter.

Dann sitzt sie vor den Vertretern von Lufthansa und Cockpit. Ihnen macht Kohlschitter klar, dass die Pilotengewerkschaft nicht ihre Tarifverträge auf die Beschäftigen im Ausland übertragen kann. Zum anderen könne aber auch nicht aufgrund von Formfehlern gleich das Streikrecht gekippt werden.

"Ich habe ein offenes Verhandlungsklima geschaffen", sagt Kohlschitter über die Diskussion im vollen Gerichtssaal. "Aber letztlich bin ich nur die Hebamme." Die Lösung müssten die Kontrahenten allein gebären.

In nicht einmal zwei Stunden und nachdem sie die Sitzung mehrmals unterbrochen hat, gelingt das. Der Streik ist bis zum 8. März vom Tisch. Dabei habe sie die Lufthansa und die VC immer wieder darauf hingewiesen, den Beginn der Tageschau um 20 Uhr im Auge zu behalten, sagt Kohlschitter. Danach kann auch der private Wachdienst im Gericht nach Hause gehen. Gestern verhandelte die Richterin wieder Kündigungsschutzklagen. Über deren Inhalt nur so viel: "Ich hatte ein buntes Programm."