Hamburger Firma Dermalog will mit biometrischer Erkennung neuen Markt erobern. Datenschützer kritisieren Speicherung.

Hamburg/Köln. Peinliche Panne an der Supermarktkasse: Die Kundin hat ihr Geld vergessen, die EC-Karte auch. Sie diskutiert mit hochrotem Kopf mit der Kassiererin, die Leute in der Warteschlange gucken genervt. Hätte sie im Rewe-Märkt in Köln-Hürth eingekauft, hätte sie ganz einfach mit ihrem Zeigefinger bezahlen können.

Möglich macht das der Hamburger Biometrie-Spezialist Dermalog: Dessen "Finger-Payment"-Modell wird derzeit von der Supermarktkette Rewe im bundesweit ersten Pilotprojekt für das filialübergreifende biometrische Bezahlverfahren getestet. Dabei müssen sich die Kunden einmalig an einem Terminal im Laden registrieren, bevor sie einen Zeigefinger auf einen Scanner an der Kasse legen. Dieser erkennt den Abdruck, ein Server ordnet ihn der jeweiligen Kundennummer zu und sendet die Informationen an eine Drittfirma, die die Kaufsumme per Lastschrift vom Kundenkonto einzieht.

Schon 300 Tester haben laut Rewe das Verfahren in den vergangenen drei Monaten genutzt. "Wir wollen die Alltagstauglichkeit der neuen Technik und die Akzeptanz der Kunden testen", erklärte Rewe-Sprecher Andreas Krämer. Um die Sicherheit der Daten macht er sich keine Sorgen: Da nur einige der charakteristischen Merkmale eines Fingers gescannt und in einen anonymisierten Zahlencode umgewandelt werden, könne der ganze Fingerabdruck auf keinen Fall rekonstruiert werden.

Das versichert auch Dermalog-Sprecher Oliver Jahnke. "Wir haben uns in Fragen der Datensicherheit bestmöglich informiert", sagte er dem Abendblatt. So sei in Zusammenarbeit mit dem Institut für Rechtsmedizin im UKE eine Software entwickelt worden, die die Blutzirkulation im Finger testet. Diese Lebenderkennung soll verhindern, dass Attrappen, Abdrücke oder sogar abgeschnittene Finger vom Scanner akzeptiert werden. Momentan wird die neue Technologie zwar nur in dem Kölner Rewe-Markt getestet, könnte bei Erfolg aber auf ganz Deutschland ausgeweitet werden. Details will man bei Dermalog allerdings noch nicht verraten, es werde sich aber "zeitnah" einiges bewegen - auch in Hamburger Märkten. "Wir sind da sehr fleißig", sagte Jahnke.

Die Befürworter des Bezahlens per Fingerabdruck loben vor allem die Zeitersparnis an der Kasse. "Im Schnitt dauert das Zahlen per Finger nur sieben Sekunden, per Pin 12 Sekunden und mit Bargeld 20", sagte Krämer. Auch Ulrich Binnebößel vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels hält die Technik für zukunftsträchtig. "Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie", sagte er. "Aber der Fingerabdruck ist genauso sicher wie das Bezahlen mit EC-Karte und Pin-Nummer."

Das Team des Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar betrachtet das Pilotprojekt hingegen skeptisch. "Wir finden diese Form der Datenspeicherung problematisch", sagte ein Sprecher dem Abendblatt. "Das Bezahlverfahren setzt schließlich voraus, dass man die biometrischen Daten an einer zentralen Stelle speichert." Das biete sowohl ein Missbrauchsrisiko als auch eine Angriffsplattform für Hacker. Allerdings: Solange das Bezahlen mit dem eigenen Fingerabdruck auf freiwilliger Basis geschieht, die Nutzer aufgeklärt und die Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden, ist das Verfahren laut den Datenschutzbeauftragten rechtlich zulässig. Eine ähnliche massenhafte Datenspeicherung war vor einigen Jahren verhindert worden, als der biometrische Reisepass eingeführt wurde. Seit dem Herbst 2007 ist der Chip mit dem elektronischen Fingerabdruck im Pass zwar Pflicht, die Daten werden aber nicht in einer zentralen Datei gesammelt.

Auch die Meinungen der Verbraucher im Kölner Rewe-Markt sind geteilt: "Schnell und bequem" sagen die einen, "viel zu riskant" die anderen. Für Kassiererin Helga Gerth liegt der Vorteil allerdings buchstäblich auf der Hand: "Das Geld kann man zu Hause vergessen, die Karte verlieren - den Finger nicht."