Die Wahlvorstände bei Schlecker sind bestimmt. Die Gewerkschaft Ver.di sieht durch XL-Filialen mindestens 3000 Stellen in Gefahr.

Hamburg. Die bundesweite Empörung über die Beschäftigungspraktiken bei Schlecker haben den Mitarbeitern neuen Mut gegeben. In zahlreichen Filialen der Drogeriekette gibt es konkrete Pläne, Betriebsräte zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen zu gründen. "Wir haben heute elf neue Wahlvorstände etabliert, die schon in Kürze Betriebsratswahlen insbesondere in Ostdeutschland vorbereiten und durchführen werden", berichtet Achim Neumann, Schlecker-Unternehmensbetreuer bei der Gewerkschaft Ver.di, von der aktuellen Gesamtbetriebsratssitzung im thüringischen Oberhof.

Bislang hätten die bundesweit rund 33 000 Schlecker-Mitarbeiter der etwa 10 000 Filialen nur 143 Betriebsräte. Rechtlich seien 327 möglich, sagt Neumann: "Nur die Hälfte der Mitarbeiter sind derzeit in der tariflichen Mitbestimmung." Bisher habe der Konzern mehrfach versucht die Bildung von Betriebsräten durch Druck auf die Beschäftigten zu verhindern.

Schlecker hatte im vergangenen Jahr geschätzt rund 4000 Mitarbeiter seiner AS-Märkte dazu bewegt, der Auflösung ihrer alten Tarifverträge zuzustimmen und stattdessen Zeitarbeitsverträge der Zwickauer Firma Meniar zu unterzeichnen. Da die Meniar-Verträge deutlich schlechter honoriert sind, weniger Urlaub und höhere Arbeitszeiten festschreiben, sanken damit die Entgelte vieler Beschäftigte um bis zu 50 Prozent. Ver.di kritisierte diese Praxis als "Lohndumping durch Tarifflucht".

Sowohl der Einzelhandel als auch die Zeitarbeitsbranche distanzierten sich von der Praxis, reguläre Arbeitskräfte durch billige Leiharbeiter zu ersetzen. Nachdem Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angekündigt hatte, die Vorgänge bei Schlecker genauer zu prüfen, zog auch die Drogeriekette ihre Konsequenz. Schlecker kündigte seine Zusammenarbeit mit Meniar auf, wies aber alle Dumpingvorwürfe zurück.

Über seine künftige Personalpolitik schweigt Schlecker. "Weder Mitarbeiter noch Betriebsräte wurden bisher über das weitere Vorgehen informiert", sagte eine Hamburger Betriebsrätin, die namentlich nicht genannt werden will. Schon gar nicht habe es eine Entschuldigung gegeben. "Wir haben das alles aus den Medien erfahren."

Umso überraschter war der Hamburger Betriebsrat, als er noch in dieser Woche einen Vertrag von Meniar zur Einstellung eines neuen Mitarbeiters zur Genehmigung vorgelegt bekam. Trennt sich Schlecker also doch nicht von Meniar? Auf Anfrage des Abendblatts bezeichnete Schlecker gestern diese Verträge als "Nachlauf aus der Zeit vor dem 11. Januar 2010". Seither seien keine neuen Verträge mehr mit Meniar abgeschlossen worden.

Dennoch droht den Beschäftigten ein hartes Jahr um Jobs und neue Verträge. Schlecker will bis Ende 2010 bundesweit rund 1000 große sogenannte XL-Filialen errichten, davon etwa fünf in Hamburg. Im Gegenzug werden dafür in der Regel mehrere kleinere, benachbarte AS-Schlecker-Filialen dicht gemacht. "Dadurch sind in diesem Jahr mindestens 3000 Jobs von Schlecker-Mitarbeitern gefährdet", schätzt der Gewerkschafter Neumann. Einige Mitarbeiter in den kleinen Filialen dürften entlassen werden, anderen würden neue Verträge in den XL-Filialen zu deutlich ungünstigeren Tarifen angeboten, da diese Filialen nicht tarifgebunden seien.

So verdienen selbst Filialleiterinnen in XL-Läden derzeit etwa 300 bis 400 Euro brutto weniger als ihre Kolleginnen mit Flächentarifverträgen, berichtet Neumann. Zudem hätten sie eine 40 Stunde-Woche, bekämen weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld. "Selbst an der Spitze werden Dumpinglöhne gezahlt."

Ver.di befürchtet, dass Schlecker seine künftigen Verträge für die XL-Filialen auf dem niedrigen Niveau und den Konditionen der Zeitarbeitsfirma Meniar fortschreiben wird, anstatt die branchenüblichen Tarife zu bezahlen. Schlecker streitet dies ab.