Trotz Krise wollen viele Branchen ihre Mitarbeiter halten. Jobabbau in Metall- und Chemiefirmen ist dennoch wohl unvermeidbar.

Hamburg. Hamburg bildet eine überraschende Ausnahme. Während die Zahl der Arbeitslosen im Dezember bundesweit weiter um 60 000 auf 3,276 Millionen Menschen anstieg, sank die Zahl der Erwerbslosen in der Hansestadt leicht um 0,2 Prozent - also um 145 auf 77 154. Ob sich die Elbmetropole auch dieses Jahr gegen den republikweit befürchteten Jobabbau stemmen kann, ist ungewiss. Die Situation ist je nach Branche sehr unterschiedlich. Das Abendblatt hat Arbeitgeber und Gewerkschaften nach ihren Prognosen für Norddeutschland befragt:

Einzelhandel

Der Hamburger Einzelhandel blickt gedämpft optimistisch in dieses Jahr. "Die Beschäftigung wird stabil bleiben. Ich erwarte 2010 keinen Stellenabbau", sagte der Geschäftsführer des Hamburger Einzelhandelsverbands, Ulf Kalkmann. Bereits im Vorjahr habe es in Hamburg einen kleinen Jobzuwachs auf 59 000 sozial- versicherungspflichtige Stellen gegeben. Während bundesweit der Handelsumsatz 2009 um fünf Prozent sank, "machte Hamburg ein leichtes Plus", so Kalkmann. 2010 werde wie im Vorjahr ein Umsatz von 10,6 Milliarden Euro erwartet.

Metall- und Elektroindustrie

"Die Unternehmen haben ein schwieriges Jahr vor sich. Selbst wenn sich die Auftragslage etwas verbessern sollte, sind die meisten Firmen noch lange nicht auf einem akzeptablen Niveau", sagt der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Nordmetall, Thomas Klischan. In der Branche fielen 2009 rund fünf Prozent der Jobs weg, die meisten wurden durch Kurzarbeit erhalten.

Der Verband erwartet für 2010 einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen, kann diesen aber nicht genau beziffern. Die Entwicklung hänge davon ab, inwieweit Kurzarbeit weiter genutzt und von den Arbeitgebern mitfinanziert werden kann. Für die im April beginnenden Tarifverhandlungen steht für Klischan fest: "Die Sicherung der Arbeitsplätze muss Vorrang haben." In Hamburg arbeiten rund 42 000 Mitarbeiter in der Branche.

Chemie

"Eine große Entlassungswelle sehe ich für 2010 nicht", sagt der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Chemie Nord, Peter Helbron. Bisher konnte die Branche fast alle rund 70 000 Jobs im Norden - davon 20 000 Jobs in Hamburg - sichern. Viele Firmen nutzten die Kurzarbeit, um die für sie wichtigen Fachkräfte zu halten. Allerdings gebe es in den Betrieben keine Leiharbeiter mehr.

Groß- und Außenhandel

Die Unternehmen sind von der Krise unterschiedlich stark betroffen, sagt der Präsident des AGA-Unternehmensverbands Hans Fabian Kruse. Spürbare Umsatzrückgänge verzeichneten die Industriezulieferer. Der Handel mit Konsumartikeln sowie mit Nahrungs- und Genussmitteln konnte sich dagegen gut behaupten. Dem Exporthandel fehle derzeit noch der Schwung. "Bei der Beschäftigungsentwicklung erwarten wir für 2010 nur ein kleines Minus", so Kruse. In Hamburg wurden 2009 rund 700 Stellen auf jetzt 53 500 Arbeitsplätze abgebaut. Unternehmensnahe Dienstleister - wie Rechenzentren, Gebäudereiniger oder Callcenter - wollen in Hamburg sogar 4000 neue Arbeitsplätze schaffen. Jetzt arbeiten in dem Sektor 275 000 Mitarbeiter.

Logistik

Die Logistikbranche ist nach dem starken Einbruch im Vorjahr für 2010 optimistisch. "Wir erwarten keinen starken Stellenabbau", sagt der Geschäftsführer der Logistikinitiative Hamburg, Gernot Lobenberg. Wenn die Weltwirtschaft anspringe, werden die Logistiker als erste profitieren. Die Branche werde künftig nur noch um ein bis drei Prozent pro Jahr wachsen, statt um zehn Prozent wie früher.

Gewerkschaften

"Die Krise ist noch längst nicht vorbei", sagt Jutta Blankau, Bezirksleiterin der IG Metall Küste. Die Werften würden dringend neue Aufträge brauchen. Auch die Automobilindustrie und der Maschinenbau seien weiterhin in einer schwierigen Situation. Ziel sei es, Entlassungen zu verhindern und Kurzarbeit weiter zu nutzen, so Blankau. Der Hamburger Ver.di-Chef Wolfgang Rose fürchtet, dass die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg auf 90 000 steigen könnte. Umso mehr müssten Arbeitslose qualifiziert werden und Kurzarbeit solange verlängert werden, wie es der Arbeitsmarkt erfordert.