Täglich wechseln in Hamburg noch 100 Bürger Geld in Euro. Bankerin Adelheid Sailer-Schuster verteidigt Staatshilfen für Geldinstitute.

Hamburg. Die Deutsche Bundesbank steht in den nächsten Jahren vor großen Strukturveränderungen. Filialen werden bundesweit geschlossen, Stellen gekürzt. Als Präsidentin der Hauptverwaltung Hamburg leitet Adelheid Sailer-Schuster (61) seit Mai die Geschicke des Instituts im Norden. Über die Finanzmarktkrise, drohende Kreditausfälle, strengere Aufsichtsregeln für Hedgefonds und den fortdauernden Umtausch von D-Mark in Euro sprach das Abendblatt mit der Juristin, die zuvor die Bankenaufsicht in Berlin leitete, für die Bundesbank unter anderem in Rom tätig sowie Kabinettsmitglied der EU-Kommission in Brüssel war.



Hamburger Abendblatt: Seit einem halben Jahr stehen Sie an der Spitze der Bundesbank in Hamburg. Ihren Job haben Sie mitten in der größten Wirtschaftskrise angetreten. Inwieweit prägt dies Ihren Alltag?

Sailer-Schuster: Nahezu alle Anfragen für Vorträge, Diskussionsbeiträge oder Aufsätze drehen sich um das Thema Finanz- und Wirtschaftskrise. Der Erklärungsbedarf zu Ursachen, Folgen und Bewältigung der Krise ist unverändert hoch und das dürfte bis auf Weiteres so bleiben.

Abendblatt: Haben wir den Höhepunkt der Krise schon hinter uns?

Sailer-Schuster: Realwirtschaftlich sieht es danach aus, als sei der Tiefpunkt durchschritten. Allerdings ist das Ausgangsniveau der jetzigen Wachstumsprognosen deutlich niedriger als vor der Krise. Das relativiert zu großen Optimismus. Bei den Finanzmärkten gibt es durchaus noch Risiken.

Abendblatt: Wo sehen Sie die Risiken konkret?

Sailer-Schuster: Auf die Banken werden in diesem Jahr voraussichtlich erhebliche Wertberichtigungen durch Kreditausfälle zukommen. Die Bundesbank veranschlagt dieses Volumen aus heutiger Sicht auf 50 bis 75 Milliarden Euro. Während die Schwierigkeiten der Banken zunächst vorwiegend aus dem Eigenhandel mit toxischen Papieren resultierten, wird sich die Krise in diesem Jahr auch in einem erhöhten Abschreibungsbedarf auf das Kreditportfolio niederschlagen.

Abendblatt: Trifft dies alle Geldinstitute?

Sailer-Schuster: Es wird sicher auch Institute treffen, die kaum Eigenhandel betrieben haben und bisher noch gut durch die Krise gekommen sind.

Abendblatt: Kommen die Ausfälle wie in den USA vor allem aus Immobilien und dem Konsum?

Sailer-Schuster: Im Gegensatz zu den USA und einigen anderen europäischen Ländern gab es in Deutschland keine Immobilienblase. Kreditausfälle sind daher eher aus möglichen Unternehmensinsolvenzen zu erwarten.

Abendblatt: Der Staat hat mehrere Banken mit milliardenschweren Bürgschaften und Finanzhilfen vor dem Ruin bewahrt. War dieser Eingriff der richtige Schritt?

Sailer-Schuster: Es war in der Krise der einzig richtige Weg. Wir standen am Abgrund, und da mussten außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehörten die expansive Geldpolitik des Euro-Systems, aber auch die Hilfen durch die Bundesregierung. In Norddeutschland erhielt außer der HSH Nordbank kein Institut staatliche Hilfen.

Abendblatt: Sehen Sie eine Möglichkeit, solche schweren Krisen künftig zu verhindern?

Sailer-Schuster: Krisen wird es immer wieder geben. Allerdings gibt es einen breiten internationalen Konsens, dass jetzt die notwendigen regulatorischen und institutionellen Konsequenzen gezogen werden müssen, damit sich Krisen in dieser Form nicht wiederholen.

Abendblatt: Was muss geändert werden?

Sailer-Schuster: Die Regulierungs- und Aufsichtsinstrumente haben mit der Globalisierung der Finanzmärkte nicht Schritt gehalten. Wir brauchen daher vor allem international einheitliche Regeln für die Finanzmärkte. Hierüber wurde auf der Ebene der G20 ein breiter politischer Konsens erzielt, ebenso wie darüber, dass es künftig keine unregulierten Finanzmarktsegmente mehr geben soll. Dies gilt nicht zuletzt zum Beispiel für Hedgefonds und Rating-Agenturen. Verbessert werden muss auch die Zusammenarbeit in der grenzüberschreitenden Aufsicht.

Abendblatt: Wie wichtig ist die geplante Aufstockung des Eigenkapitals bei den Banken?

Sailer-Schuster: Ein höherer Haftungsbeitrag der Eigentümer stärkt letztlich die Stabilität des Finanzsystems. Der Baseler Ausschuss hat schon im Jahr 2008 neue Regeln für die Eigenkapitalunterlegung von Verbriefungen und Handelsbuchpositionen ausgearbeitet; auf EU-Ebene wurden diesbezüglich bereits Reformen beschlossen. Die Umsetzung in deutsches Recht ist derzeit in Vorbereitung. Um eine übermäßige Beschränkung der Kreditvergabe zu vermeiden, soll vor Inkrafttreten zunächst in diesem Jahr eine Auswirkungsstudie bei den Banken durchgeführt werden.

Abendblatt: Gab es in Norddeutschland einschneidende Veränderungen in der Bankenlandschaft?

Sailer-Schuster: Die Zahl der Filialen geht seit Jahren tendenziell zurück. Bei den Volksbanken gab es mehrere Zusammenschlüsse. Aber es verschwand kein regionales Institut vom Markt. Auch kleine Institute haben gute Chancen, erfolgreich zu wirtschaften. "Big" ist - wie wir in der Krise sehen - nicht immer beautiful.

Abendblatt: Fast alle Euro-Länder verstoßen gegen die Maastricht-Kriterien. Griechenland droht sogar der Staatsbankrott. Wie kann sich dies auf die Stabilität des Euro auswirken?

Sailer-Schuster: Es ist wichtig, dass alle Länder schnellstmöglich zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien zurückkehren und den Märkten die Entschlossenheit dazu glaubwürdig vermitteln. Der Stabilitätspakt ist ein zentrales Element des Euro-Systems. Von daher muss die Konsolidierung der Haushalte höchste Priorität haben.

Abendblatt: Die Bundesbank befindet sich bundesweit auf Sparkurs. Zwölf von 47 Filialen sollen geschlossen werden. Inwieweit ist der Norden betroffen?

Sailer-Schuster: Wir werden bis 2015 drei Filialen schließen. Flensburg im Jahr 2012, Kiel und Lübeck drei Jahre später. Betroffen sind insgesamt 180 Mitarbeiter. Einige werden bis dahin altersbedingt ausscheiden. Übrig bleiben die Filialen in Hamburg, Neubrandenburg und Rostock.

Abendblatt: Müssen Mitarbeiter entlassen werden?

Sailer-Schuster: Nein. Die Bundesbank hat seit 2002 insgesamt rund 5000 Stellen abgebaut. Heute arbeiten bei uns noch etwa 10 600 Personen, davon etwas mehr als 800 bei der Hauptverwaltung Hamburg, einschließlich der dazugehörenden Filialen. Der Abbau von Personal erfolgte vor allem durch vorzeitiges Ausscheiden. Zudem konnten Mitarbeiter bei anderen, überwiegend öffentlichen Arbeitgebern untergebracht werden.

Abendblatt: Ist in Hamburg ein Stellenabbau geplant?

Sailer-Schuster: Hierzu gibt es keine entsprechenden Pläne. Natürlich werden durch den Wegfall beziehungsweise die Zentralisierung von Funktionen immer wieder Stellen eingespart.

Abendblatt: Obwohl der Euro bereits seit acht Jahren die D-Mark abgelöst hat, horten immer noch Bürger Mark und Pfennig. Wie viel D-Mark wurden bundesweit im Vorjahr umgetauscht?

Sailer-Schuster: In Hamburg kommen täglich noch rund 100 Personen zum Umtausch. 2009 waren dies also ungefähr 22 000 Bürger, die insgesamt 9,4 Millionen D-Mark in Euro umgetauscht haben. Bundesweit wurden im Vorjahr insgesamt 158,5 Millionen D-Mark eingetauscht. Dennoch sind immer noch rund 13,6 Milliarden D-Mark in Umlauf, davon entfällt jeweils die Hälfte auf Banknoten und Münzen.

Abendblatt: Und was passiert mit dem Altgeld?

Sailer-Schuster: Die Banknoten werden geschreddert und kommen auf den Müll. Die Münzen werden verformt, eingeschmolzen und zu neuen Metallen verarbeitet.

Abendblatt: Wie lange kann man seine D-Mark noch bei der Bundesbank umtauschen?

Sailer-Schuster: Im Gegensatz zu den meisten anderen Notenbanken im Euro-Raum gibt es in Deutschland keine zeitliche Begrenzung für den Umtausch von D-Mark in Euro - und dies kostenlos. Das gilt auch noch in 50 oder 100 Jahren. Es muss also keine Hektik aufkommen.

Die Juristin Adelheid Sailer-Schuster (61) leitet als Präsidentin seit Mai 2009 die Hauptverwaltung Hamburg der Deutschen Bundesbank. Am Hamburger Standort an der Willy-Brandt-Straße 73 können montags bis freitags von 8.30 bis 14.30 Uhr kostenlos D-Mark in Euro getauscht werden.