Kieler Landesregierung soll die Banken noch umstimmen. Experten erwarten Händlersterben und den Verlust Zehntausender Jobs.

Hamburg. 1250 Beschäftigte in den 30 norddeutschen Autohäusern der Lübecker Kittner-Gruppe müssen um ihre Jobs bangen. Aber noch gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass die drohende Insolvenz abgewendet werden kann: Die Geschäftsführung will die Landesregierung in Kiel um Hilfe bitten. Dabei gehe es nicht um Staatsgeld, wie ein Firmensprecher dem Abendblatt sagte. Vielmehr sollen die Politiker ihren Einfluss auf die insgesamt zwölf Gläubigerbanken, zu deren Eignern schließlich auch die Öffentliche Hand zähle, geltend machen. Einen Bericht der "Lübecker Nachrichten", wonach die Einigung auf ein Sanierungskonzept an der HSH Nordbank gescheitert sei, wollte der Sprecher nicht kommentieren.

Mit einem Absatz von 23 160 Neu- und Gebrauchtwagen im Jahr 2008 ist Kittner neuntgrößtes Autohaus Deutschlands. In Norddeutschland liegt die Gruppe nur knapp hinter dem Hamburger Opel-Händler Dello.

Sollten die Bemühungen in Kiel keinen Erfolg haben, müsste die Autohandelsgruppe, die auf eine im Jahr 1923 von Edgar Kittner in Namslau (Schlesien) gegründete Firma zurückgeht, morgen Insolvenz anmelden. Das hat Wolfgang Mehte, der erst seit August als Geschäftsführer die Gruppe leitet und von der Hamburger Unternehmensberatung K & H Business Partner kam, den Beschäftigten mitgeteilt.

Nach seiner Darstellung hat sich das frühere Management mit dem rasanten Wachstum verhoben. So habe man den Zukauf der Hansa-Autohäuser im Jahr 2004 von der Possehl-Gruppe nie wirklich verdaut. Drei Jahre später folgte das nächste ehrgeizige Projekt: In die "Autoarcaden Lübeck", den größten Autohauskomplex Norddeutschlands, investierte Kittner mehr als zwölf Millionen Euro. Im vergangenen Jahr wurde das Zentrum eröffnet.

"Das war aus heutiger Sicht ein ungünstiger Zeitpunkt", sagte Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft in Nürtingen, dem Abendblatt. "Um sich ein solches Investment leisten zu können, muss man ordentlich verdienen." Ein Unternehmenssprecher räumte ein, man habe das Großprojekt "zu teuer und falsch finanziert." Hinzu kommt, dass Kittner auch im baltischen Raum tätig ist - und die dortigen Automärkte sind drastisch eingebrochen, sagte Diez.

Das Kerngeschäft allerdings ist nach Darstellung von Kittner profitabel und überlebensfähig. "Dafür liegt ein Sanierungskonzept vor", so der Firmensprecher. Sieben Autohäuser wurden bereits aufgegeben. Außerdem haben die Mitarbeiter schon Zugeständnisse gemacht: "Seit 2008 gibt es kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld und keine Lohnerhöhungen", heißt es von der IG Metall. "Der Sanierungsbeitrag der Beschäftigten summiert sich auf drei bis vier Millionen Euro", sagte Gewerkschaftssprecher Heiko Messerschmidt dem Abendblatt.

Probleme gebe es aber auch wegen der insgesamt schwierigen Situation der Kfz-Branche - und diese Schwierigkeiten bestehen längst nicht allein darin, dass nach dem Vorzieheffekt der Abwrackprämie nun die Autokäufer ausbleiben. So liegen wegen der Wirtschaftskrise die Restwerte von Leasing-Wagen, die nun zurückgegeben werden, weit unter den ursprünglichen Schätzungen, auf denen die Kalkulation einmal aufbaute. Unter diesem Wertverlust litten die Autohäuser schon jetzt enorm, erklärte Diez - immerhin ist rund jedes dritte neu zugelassene Auto in Deutschland ein Leasing-Fahrzeug.

Angesichts solcher Perspektiven erwartet Diez, dass die Zahl der Autohändler-Gruppen - viele haben mehr als ein Autohaus - von derzeit 8600 Firmen bis 2015 auf 6200 schrumpft. Andere Experten befürchten, dass dabei Zehntausende von Arbeitsplätzen wegfallen.