Einmaliger Vorgang in der Bundesrepublik. Tumulte bei Hauptversammlung. Kleinaktionäre kündigen Klagen an.

München/Hamburg. Pfeifkonzerte und Buhrufe, aber auch Tränen - so emotional aufgeladen wie die außerordentliche Hauptversammlung der Münchner Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) sind Aktionärstreffen nur selten. Doch am Ende stand fest: Als erste Bank in der Bundesrepublik ist die HRE vollständig verstaatlicht worden. Auf der zeitweise tumultartigen Versammlung stimmten 94,73 Prozent des anwesenden Kapitals am späten Montagabend für ein Squeeze Out (siehe Info-Kasten), mit dessen Hilfe die verbliebenen nicht staatlichen Aktionäre aus der Bank gedrängt wurden. Diese Anleger werden nun in den kommenden Tagen mit 1,30 Euro je Aktie abgefunden, die HRE verschwindet von der Börse.

Für die deutliche Mehrheit sorgte der staatliche Bankenrettungsfonds SoFFin, der zuletzt gut 90 Prozent der HRE-Aktien hielt. Zuvor hatten sich etliche Kleinaktionäre in der dreizehnstündigen Hauptversammlung vehement gegen den in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Vorgang gewehrt.

Die HRE stand im vergangenen Jahr nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers selbst vor dem Zusammenbruch. In einer von der Bundesregierung organisierten dramatischen Rettungsaktion konnte dieser nur mit Milliardenhilfen vermieden werden. Über den SoFFin wurden der HRE zeitweise mehr als 100 Milliarden Euro als Liquiditätshilfe zur Verfügung gestellt. Vorstandschef Axel Wieandt sagte, die Bank brauche in den nächsten zwei Jahren weitere sieben Milliarden Euro zum Überleben. Mit einer vollständigen Rückzahlung der Finanzhilfen sei nicht zu rechnen. Mit gellenden Pfeifkonzerten machten rund 1300 Kleinaktionäre ihrer Wut immer wieder Luft.

Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) warf dem Staat eine völlig unnötige "kalte Enteignung" vor. Der Bund könne die HRE auch mit einer 90-Prozent-Mehrheit retten, er betrüge die Aktionäre mit der Zahlung von 1,30 Euro je Anteil um eine faire Abfindung, und er verweigere ihnen ein Vorkaufsrecht bei einer späteren Privatisierung der HRE, sagte die Aktionärsschützerin und kündigte Klagen an. "Wir wollen keine Almosen, wir wollen fair behandelt werden", forderte Bergdolt. Ein Kleinaktionär sagte unter Tränen: "Heute verliere ich meine Altersversorgung."

Besonders der scheidende Finanzminister Peer Steinbrück und die Bankenaufsicht wurden zur Zielscheibe von Kritik. Aktionäre warfen ihm "Brandstiftung" und "Bankraub ohne Pistole" vor.

Die meisten HRE-Aktionäre nahmen im Frühjahr das freiwillige Übernahmeangebot des SoFFin an und erhielten 1,39 Euro je Aktie. Zu den verbliebenen Aktionären gehört der US-Investor Christopher Flowers. Er hatte 2008 für eine Milliarde Euro ein Viertel der HRE-Anteile gekauft. Nun bekommt er noch knapp 40 Millionen.