Post-Manager Jürgen Gerdes redet über Filialschließungen, Portoerhöhungen und Zustellung an nur noch fünf Tagen in der Woche.

Abendblatt: Schreiben Sie persönlich noch Briefe?

Jürgen Gerdes: Leider viel zu selten, fast nur noch zu Geburtstagen und Weihnachten. Geschäftlich schreibe ich fast nur noch Mails und SMS.

Abendblatt: W ie lange wird es noch Briefe auf Papier geben?

Gerdes: Ich glaube, sehr lange. Briefe sind immer noch der persönlichere Weg, Menschen zu erreichen. Allerdings wird die Menge der Standardbriefe deutlich zurückgehen. Die Deutsche Post verliert bereits pro Jahr zwei Prozent an Briefaufkommen - wir haben schon 330 Millionen Sendungen durch elektronische Substitution verloren.

Abendblatt: Mit welchen Ideen wollen Sie gegensteuern?

Gerdes: Wir verbessern das bestehende Geschäft kontinuierlich. Zudem setzen wir auf neue Online-Angebote. Wir testen derzeit einen elektronischen Brief, der die gleichen Eigenschaften erfüllt wie der klassische Brief, aber übers Internet verschickt wird. Ich gehe davon aus, dass der "Brief im Internet" Mitte 2010 auf den Markt kommt.

Abendblatt: Glauben Sie, dass Kunden für solche "sicheren" Mails Geld bezahlen werden?

Gerdes:Unsere Kunden wünschen sich nach Umfragen einen solchen Service und sind auch bereit, dafür zu bezahlen. Der Preis steht noch nicht fest.

Abendblatt: Im Sommer hat die Deutsche Post viele Bürger verärgert, weil sie montags weniger Post erhielten.

Gerdes: Wir haben die Sommermaßnahmen ausprobiert, weil wir montags weniger Sendungen haben und in der Sommerferienzeit noch deutlich weniger. 85 Prozent unserer Kunden sind Geschäftsleute, die in der Regel nur bis freitags arbeiten. Ihre Post ist also schon sonnabends beim Empfänger, da rund 95 Prozent unserer Briefe einen Tag nach Einwurf ankommen.

Abendblatt: Werden Sie diese Aktion wiederholen?

Gerdes: Wir werten die Ergebnisse gerade aus. Vieles hat geklappt. Ich weiß aber auch, dass es von einigen Geschäftskunden Beschwerden gab. Das tut mir leid. Was gut war, könnten wir wiederholen, was schlecht war, sicher nicht. Denn wir machen keine Abstriche bei der Qualität.

Abendblatt: Streben Sie eine Fünf-Tage-Zustellung an?

Gerdes: In Deutschland besteht für uns die Pflicht der Sechs-Tage-Zustellung, während es in anderen europäischen Ländern die Fünf-Tage-Zustellung gibt. Wenn die Sendungsmenge weiter sinkt, muss man prüfen, welchen Bedarf der Kunde künftig noch hat.

Abendblatt: Wie sieht es mit einer Portoerhöhung aus?

Gerdes: Unsere Preise sind seit 1997 stabil. Sicherlich können sie nicht weitere zwölf Jahre auf dem Niveau bleiben. Kurzfristig ist eine Preiserhöhung kein Thema, aber mittelfristig müssten wir über die zukünftige Preisstruktur nachdenken.

Abendblatt: Für Verstimmung sorgt auch Ihr Plan, alle eigenbetriebenen Postfilialen zu schließen. Warum verlagern Sie den Verkauf in den Handel?

Gerdes: Ob Sie es glauben oder nicht: Der Service in unseren eigenbetriebenen Filialen ist gut, aber unsere Kunden bewerten den Service in Partnerfilialen sogar noch besser. Dies zeigt auch der aktuelle und unabhängige Kundenmonitor 2009. Der Service dort wird besser bewertet als der in unseren eigenen Filialen.

Abendblatt: Einspruch. In Hamburg gab es sogar Unterschriftenaktionen gegen die Schließung von Postämtern.

Gerdes: Ich verstehe, dass es gelegentlich Aufregung vor Ort gibt, aber das sind Einzelfälle. Die Mitarbeiter in den Partnerfilialen machen einen tollen Job. Hinzu kommt der Vorteil, dass sie meistens längere Öffnungszeiten haben. Außerdem müssen Sie wissen, dass 95 Prozent der privaten Postkunden nur sehr wenige Leistungen abfragen - die meisten kaufen nur Briefmarken.

Abendblatt: Aber auch die Postbank-Angebote werden stark zurückgefahren, die vertrauensvolle Beratung fehlt oft.

Gerdes: Bei vielen unserer Partner können Sie weiterhin Geld einzahlen, abheben und darüber hinaus Überweisungen tätigen. Seien Sie sicher: Wenn wir nicht sicher wären, dass unser Angebot stimmt, würden wir es nicht fortsetzen. Vor Ort zu sein, in der Nähe der Menschen, ist entscheidend. Wir haben mit rund 16 000 Verkaufsstellen ein sehr dichtes Filialnetz, deutlich längere Öffnungszeiten, jede Menge Online-Angebote, 20 000 Zusteller, die als mobiler Service Postdienste an der Haustür verkaufen. Viel mehr geht wirklich nicht. Unser Service war noch nie so gut wie heute.

Abendblatt: Die Gewerkschaft Ver.di hat der Post einen "heißen Herbst" angedroht, um ihre geplanten Sparmaßnahmen zu verhindern. So wollen Sie die Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden erhöhen, die Tariferhöhung aussetzen sowie Teile des Briefbereichs an Fremdfirmen auslagern. Warum fahren Sie diesen rigiden Sparkurs?

Gerdes: Zurzeit machen wir noch Gewinn. Wenn wir aber nicht jetzt mit Maßnahmen gegensteuern, bekommen wir in den nächsten Jahren ein Problem im Briefbereich. 2007 hatten wir ein Ergebnis von mehr als 1,9 Milliarden Euro, 2008 von 1,6 Milliarden und im ersten Halbjahr hatten wir einen Ergebnisrückgang von rund 30 Prozent. Die Maßnahmen sollen für die Mitarbeiter so schonend wie möglich erfolgen. Dafür stehe ich persönlich im Wort. Jeder soll dafür einen Beitrag leisten. Die Aktionäre haben eine geringere Dividende, die Vorstände keinen Bonus und die Führungskräfte keine Gehaltserhöhung erhalten. Da muss es erlaubt sein, die Mitarbeiter zu fragen, ob sie ihre Lohnerhöhung von drei Prozent verschieben, zumal die Inflationsrate bei fast bei null liegt.

Abendblatt: Damit würden Sie ohne Not einen geschlossenen Vertrag brechen.

Gerdes: Dagegen verwehre ich mich aufs Schärfste. Wir haben nie Verträge gebrochen und werden keine Verträge brechen.

Abendblatt: Warum wollen Sie gerade Mitarbeitern mit geringem Gehalt ans Portemonnaie?

Gerdes: Unsere Zusteller bekommen mindestens elf Euro die Stunde, im Schnitt 13 bis 15 Euro, in der Spitze 18 Euro. Es gibt viele Menschen in unserer Branche, die für deutlich weniger arbeiten.

Abendblatt: Was kein Maßstab für Sie sein muss, zumal die Post durch ihr Quasi-Briefmonopol unverändert Millionengewinne einfährt. Stimmt der Vorwurf, dass Sie die Gehälter auf Mindestlohnniveau drücken wollen?

Gerdes: Ein Vorschlag lautet, neue Mitarbeiter zu einem Mindestlohn von 9,80 Euro einzustellen. Das ist kein Dumpinglohn, sondern mit Ver.di vereinbarter Mindestlohn. Unsere Wettbewerber zahlen zum Teil deutlich weniger.

Abendblatt: Angenommen, es kommt zu keiner Einigung mit Ver.di. Was passiert dann?

Gerdes: Wenn wir die Arbeitszeit nicht um täglich 18 Minuten erhöhen und die Tariferhöhung verschieben können, werden wir wohl zu anderen Maßnahmen im Briefbereich greifen müssen. Wir haben bereits im Paketbereich 800 Bezirke bei gleicher Qualität mit großem Erfolg ausgelagert und dennoch die Kosten deutlich gesenkt.

Abendblatt: Ein Konflikt mit der Gewerkschaft ist damit wohl unausweichlich?

Gerdes: Ich hoffe, dass wir uns am Verhandlungstisch vernünftig einigen können. Ich bin da grenzenloser Optimist. Wir stehen nicht für Krawall, sondern für konstruktiven Dialog. Am Ende müssen wir eine vernünftige Lösung erzielen - für die Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter. Die Deutsche Post muss auch in Zukunft profitabel sein. Sonst können wir weder investieren noch Dividenden oder Lohnerhöhungen bezahlen. Das ist hoffentlich gemeinsamer Konsens.