Mehr als 700 junge Leute studieren Modedesign in Hamburg. Nur wenigen von ihnen gelingt damit der Sprung in die Selbstständigkeit.

Hamburg. Wenn es dem Modestandort Hamburg an einem nicht mangelt, dann ist es der Designernachwuchs. Mehr als 1000 Designerinnen und Designer leben bereits in der Hansestadt, dazu kommen in diesem Jahr 80 Absolventen von den drei Hamburger Modeschulen. An der staatlichen Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), der privaten Akademie JAK und der Akademie für Mode und Design (AMD) sind in Modedesign und verwandten Fächern 725 Studentinnen und Studenten eingeschrieben.

In einer Branche die auf Exklusivität setzt, ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt deshalb naturgemäß angespannt. Wer sich mit einer eigenen Geschäftsidee durchsetzen will, braucht Leidenschaft, gepaart mit einem Händchen für betriebswirtschaftliche Abläufe. Dazu gehört es auch, eine wettbewerbsfähige Idee zu entwickeln, die abseits der von großen Modekonzernen dominierten Märkten liegt.

Sarah Laube kam eine solche Idee nach einer "Sinnkrise am elterlichen Küchentisch", wie sie sagt. Bereits 2006, zwei Jahre vor ihrem Diplom, begann die HAW-Absolventin Mode zu machen, doch fehlte ihr das Konzept, um ihre Kollektion am Markt zu platzieren. Schließlich stieß sie ihre Mutter, die als Kosmetikerin und Therapeutin arbeitet, auf einen zuvor kaum vorhandenen Nischenmarkt: Arbeitskleidung für den Wellnessbereich. "Seitdem designe ich Kittel", sagt Sarah Laube absichtlich flapsig über ihre modernen Entwürfe mit den asiatisch anmutenden Schnitten.

+++ Kittel-Couture +++

Sie weiß, dass die Arbeit, die sie für ihr Label Pure leistet, zumeist nicht viel mit den Vorstellungen junger Modestudentinnen und -studenten zu tun hat. Anstatt aufwendiger Entwürfe setzt sie auf pragmatische Schnitte, die vergleichsweise schnell geschneidert werden können. Dies sei aber eine ebenso große Herausforderung wie die Entwürfe feiner Kleider. Außerdem nehmen Telefonate mit Kunden, Organisation von Arbeitsabläufen und die Kaltakquise neuer Kunden viel Zeit in Anspruch. Klar sei, so die 31-Jährige: "Ohne Zweifel" müsse man "für Mode brennen", wenn man in diesem Bereich arbeiten will. "Doch man sollte sich auch frühzeitig mit betriebswirtschaftlichen Fragen auseinandersetzen, wenn man selbst gründen will."

Den Traum vom eigenen Modelabel träumen nach wie vor viele junge Modestudenten in Hamburg, wie die aktuellste Absolventenstudie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften von 2010 belegt. Zwar gab die Hälfte der Absolventen darin an, zunächst eine Assistenzstelle in einem Unternehmen annehmen zu wollen. Mittelfristig planten jedoch rund 90 Prozent der Absolventen, schließlich ein eigenes Unternehmen zu gründen.

Die Modeschöpferin Anna Fuchs hat diesen Schritt bereits vor zwölf Jahren gewagt. Das nach ihr benannte Modelabel für elegante Frauenkleider beliefert vom Karolinenviertel aus Kundinnen in der gesamten Republik. Designer an der Universität ausbilden zu wollen, sieht Fuchs kritisch. "Manche verbringen Jahre an der Uni und können dann keinen Schnitt selber setzen", sagt die gelernte Schneiderin. Der Markt für selbst entworfene Mode sei sehr begrenzt. Die meisten Studenten würden aufgrund fehlender Erfahrungen im Ein- und Verkauf vor allem das nötige Startkapital unterschätzen. "Man braucht sicherlich einen sechsstelligen Betrag", sagt Fuchs im Hinblick auf den Traum vieler Nachwuchsdesigner, ein Label für edle Abendgarderobe wie ihres gründen zu wollen.

+++ Designerin aus Altona siegt mit Häkel-Mode +++

Wohl auch deshalb bleiben die wenigsten Absolventen von Modedesign-Studiengängen in der Hansestadt. Obwohl mit Unternehmen wie Tom Tailor, Closed oder Görtz durchaus namhafte Arbeitgeber ihre Produkte an der Elbe entwickeln, zieht es viele vor allem ins Ausland. "Man muss flexibel und örtlich ungebunden bleiben", sagt Susanne Müller-Elsner, Professorin für Modedesign an der privaten Hochschule AMD. Zwar seien auch viele ihrer Absolventen in Norddeutschland angestellt, doch die meisten zieht es zu internationalen Konzernen an Standorten in der ganzen Welt.

Die Kritik, eine universitäre Ausbildung im Modebereich sei weder Fisch noch Fleisch, will sie für ihre Hochschule nicht gelten lassen. "Bei uns wollen beispielsweise nur zwei von 22 Absolventen eine eigene Modemarke gründen, weil wir von Anfang an stärker auf betriebswirtschaftliche Inhalte setzen", sagt Müller-Elsner. Die Studenten könnten die Hürden auf dem Weg zur eigenen Marke besser einschätzen. Die Aussichten ihrer Absolventen bewertet Müller-Elsner positiv. Durchschnittlich nach einem halben Jahr haben rund 70 Prozent von ihnen einen Job gefunden - oft in Modekonzernen.

+++ Schnelsen - das Zentrum der Mode +++

Jörg Igelbrink von der JAK geht bei seinen Studenten von einer Erfolgsquote von rund 60 Prozent aus. Er sagt, dass sich die Profilanforderungen an einen Designer über die Jahre stark verändert hätten. Früher sei in den Chefetagen vor allem auf Noten und namhafte Praktika geachtet worden. Heute würden vorrangig die Persönlichkeit und Identifikation mit der Marke, für die man arbeite, zählen. Wer sich für den Job entscheide, müsse wissen, dass "man immer auch ein Stück seines eigenen Produktes" sei, so Igelbrink. Der Beruf des Modedesigners sei äußerst anspruchsvoll. In wenigen anderen Jobs müsse man sich so beweisen - mindestens zweimal im Jahr, bei der Vorstellung der neuen Kollektionen.