Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker bringt erstmals sanfte Umschuldung ins Gespräch. Weitere Varianten im Überblick.

Hamburg/Brüssel. Bisher lehnten die Euro-Staaten jede Form der Umschuldung kategorisch ab - und konzentrierten sich auf die Vergabe von Nothilfen. Gestern fiel nun der Startschuss für eine mögliche Kehrtwende. Um Griechenland von seiner Schuldenlast zu befreien, brachte der Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker erstmals die Möglichkeit einer sanften Entschuldung ins Gespräch, was er als "Reprofiling" (Neuprofilierung) bezeichnete. Dabei könnten die Laufzeiten von Staatsanleihen verlängert und deren Zinsen gesenkt werden.

Unterdessen stellten die Euro-Länder Griechenland ein neues Sparultimatum. Erhöhe Athen das Reformtempo nicht sofort, könnte die nächste Tranche der Hilfskredite von zwölf Milliarden Euro zurückgehalten werden, sagte EU-Finanzkommissar Olli Rehn.

Die Meinungen über Junckers Vorschlag sind geteilt. Griechenlands Arbeitsministerin Louka Katseli begrüßte die Idee. Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde sieht dagegen keinen Spielraum, die Anleihelaufzeiten zu verändern. Die Bundesregierung forderte unterdessen Griechenland auf, sich mehr um den Verkauf von Staatsbesitz zu bemühen, um seine Schulden zu verringern. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte bereits eine Mithaftung des Privatsektors zur Bedingung für weitere Unterstützungen gemacht, die bislang sowohl von der Europäischen Zentralbank (EZB) als auch der EU-Kommission abgelehnt wurde.

Der Konjunkturchef des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Michael Bräuninger, sieht in einem Reprofiling keinen Systemwechsel. "Die Rettungsschirme erfüllen mit ihren Krediten unter Marktzinsen bereits die Kriterien einer sanften Umschuldung." Bräuninger warnt aber vor einer radikalen Umschuldung, die zu einer neuen Bankenkrise führen könnte. Griechenland brauche eine konsequente Privatisierung und deutliche Lohnsenkungen, um wieder auf Kurs zu kommen. "Egal, was getan wird: Die Sanierung Griechenlands wird ein langer, schmerzhafter Prozess, der mindestens zehn Jahre dauert."

Dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) reicht wiederum die sanfte Variante nicht. "Eine richtige Umschuldung wäre sinnvoll. Sie wäre eine saubere Lösung, damit Griechenland wieder Boden unter die Füße bekommt, um seine Schulden überhaupt bedienen zu können", sagte der IfW-Konjunkturchef Joachim Scheide dem Abendblatt. Eine Umschuldung sei nichts Ungewöhnliches. "Da muss die Welt nicht zusammenbrechen."

Das Abendblatt beschreibt Varianten, wie Griechenland von seinen Schulden befreit werden könnte:

Weitere Hilfskredite: EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) würden das bisherige Rettungspaket von 110 Milliarden Euro - also Bürgschaften und zinsgünstige Darlehen - drastisch aufstocken, um die Märkte zu beruhigen und Griechenland mehr Luft zur Stabilisierung zu geben. Für die Politiker ist dies die angenehmste aller möglichen Lösungen: Sie können ihren Steuerzahlern sagen, dass Griechenland vielleicht doch alle Schulden zurückzahlt. Im Gespräch sind weitere 30 bis 60 Milliarden Euro.

Sanfte Umschuldung ("Reprofiling"): Die Rückzahlungsfristen für griechische Staatsanleihen und die Hilfskredite könnten verlängert und Kreditzinsen gesenkt werden. Es sind auch noch andere, komplexe Transaktionen - zum Beispiel der Umtausch von Staatsanleihen in sicherere Papiere, aber mit einem Abschlag - denkbar, die eine "offizielle" Umschuldung umschiffen würden. Die Idee dahinter: Für die privaten Gläubiger des Landes, darunter Banken im In- und Ausland, wäre diese Lösung am ehesten verkraftbar.

Harte Umschuldung: Griechenland erklärt sich für zahlungsunfähig und handelt mit seinen Gläubigern einen Forderungsverzicht (Haircut) aus. Die Gläubiger verzichten auf einen Teil ihrer Forderungen, was teuer werden kann. Verluste bis zu rund 70 Prozent wie einst im Fall Argentiniens sind denkbar. Griechenland könnte seine Schuldenlast von mehr als 340 Milliarden Euro auf einen Schlag reduzieren. Gleichzeitig würde es seine Kreditwürdigkeit am Finanzmarkt auf Jahre verspielen.

Euro-Ausstieg: Eine eigene, abgewertete Währung könnte griechischen Unternehmen zwar helfen, allerdings würden vor einer Rückkehr zur Drachme die Banken gestürmt und zusammenbrechen. Viele Privatleute würden ihr Euro-Kapital ins Ausland transferieren.

Brady-Bonds: In den 80er-Jahren handelte der damalige US-Finanzminister Nicholas Brady einen Plan aus, der viele lateinamerikanische Staaten vor der Pleite rettete. Im Fall von Griechenland würden Banken und private Gläubiger die riskanten Staatsanleihen zum Marktpreis gegen Papiere eintauschen, die von der Euro-Zone mit einer Garantie versehen werden. Die Gläubiger müssten auf einen Teil ihrer Ansprüche verzichten, zugleich würde die Schuldenlast Griechenlands so gedrückt.

Pariser Club: Die Experten der Großbank UniCredit halten Verhandlungen zwischen Griechenland und dem Pariser Club auf mittlere Sicht für wahrscheinlich. Durch bilaterale Kredite der EU-Staaten und den Ankauf griechischer Anleihen durch die EZB wird der Anteil der öffentlichen Gläubiger an den Verbindlichkeiten Griechenlands auf mindestens 40 Prozent steigen. Im Pariser Club haben sich 1956 die wichtigsten Gläubigerstaaten zusammengeschlossen - und seither 421 Umschuldungsabkommen mit 88 Staaten - von Afghanistan bis Vietnam - im Wert von 553 Milliarden Dollar getroffen.