Der Konzern Unilever setzt auf Expansion. Zukauf im Bereich der Körperpflege geplant. Ein Interview mit Deutschland-Chef Harry Brouwer.

Hamburg. Unilever in Hamburg hat sich in der jüngsten Vergangenheit stark gewandelt. Die Deutschland-Zentrale ist vor rund einem Jahr in ein modernes und ökologisch vorbildliches Gebäude in der HafenCity gezogen. Zugleich strich das Unternehmen in der Hansestadt rund 200 Stellen, schnitt Zuständigkeiten neu zu - offenbar mit Erfolg. Denn trotz Wirtschaftskrise konnte der Markenhersteller 2009 nach eigenen Angaben Marktanteile dazugewinnen. Das Abendblatt sprach mit Deutschland-Chef Harry Brouwer über Nachhaltigkeit, eine neue Unternehmenskultur, Expansionspläne sowie über die Zukunft Europas.

Hamburger Abendblatt:

Herr Brouwer, Sie sind seit gut einem Jahr Unilever-Chef für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Pendeln Sie immer noch nach Hause in die Niederlande, oder lebt Ihre Familie inzwischen in Hamburg?

Harry Brouwer:

Wir haben zwischen 2000 und 2004 in Hamburg gelebt, als ich Mitglied der Geschäftsführung von Unilever Bestfoods in Deutschland war. Jetzt bleibt meine Familie in den Niederlanden, weil die Kinder schulpflichtig sind. Ich habe in der HafenCity, fußläufig zu unserer Unternehmenszentrale, eine Wohnung und fliege jedes Wochenende nach Hause. Auch von dort aus kann ich viel Arbeit erledigen.

Wie ist die Stimmung in den Niederlanden wegen der Euro-Krise?

Natürlich haben auch die Niederländer deshalb Sorgen. Aber es gibt nur Diskussionen über die Krise und keine Ressentiments gegen die Griechen, wie sie manchmal in anderen Ländern vorkommen.

Reicht das Paket von EU und IWF über 750 Milliarden Euro zur Rettung der gemeinsamen Währung?

Das kann heute noch keiner sagen. Aber ich glaube schon, dass Europa aus dieser Krise gestärkt hervorgehen wird. Die europäischen Staaten werden enger zusammenwachsen. Denn eines ist klar: Es gibt keine Alternative zum Euro.

Wegen der Krise sparen die Deutschen an Lebensmitteln und Körperpflege, den zwei Schwerpunkten Ihres Geschäfts. Gleichzeitig werden die Markenhersteller von preisgünstigen Handelsmarken bedrängt. Wie positioniert sich Unilever in einem schwächelnden Markt?

Wir sind im vergangenen Jahr trotz Finanz- und Wirtschaftskrise erstmals seit langer Zeit in Deutschland gewachsen. Wir haben als Gesamtunternehmen Marktanteile hinzugewonnen sowohl gegenüber Markenartikelherstellern als auch gegenüber Handelsmarken, mit denen wir im direkten Wettbewerb stehen.

Um wie viel Prozent sind Umsatz und Gewinn in Deutschland gestiegen?

Wir machen traditionell keine genauen Angaben zu einzelnen Regionen.

Der Umsatz im deutschsprachigen Raum dürfte bei etwa 2,5 Milliarden Euro liegen, stimmt dies?

Wenn Sie das sagen, liegen Sie vielleicht nicht ganz falsch. Aber im Ernst, wir profitieren derzeit von mehreren Erfolgsfaktoren. Die Zusammenarbeit mit unseren Handelspartnern wurde verbessert, unter anderem durch mehr gemeinsame Verkaufs- und Vermarktungsaktionen. Wir sind näher an den Handel gerückt. Unser Fokus liegt zudem auf Nachhaltigkeit, das honorieren unsere Konsumenten und Mitarbeiter. Zudem engagieren wir uns für soziale Zwecke wie jetzt bei einem Rama-Projekt mit Rewe und der Welternährungshilfe der Vereinten Nationen.

Das klingt wie aus einem Marketinglehrbuch. Wie setzen Sie sich denn nun konkret gegen billigere No-Name-Produkte durch?

Der Markt der Handelsmarken wächst nicht mehr so stark wie früher, weil alle Markenartikler inzwischen Gas geben. Zudem sind die Verbraucher nicht ausschließlich preisbewusst, sie wollen ein gutes Preisleistungsverhältnis für ihr Geld. Und das bieten unsere Produkte. Wir profitieren zudem sehr von unseren Innovationen. So werden wir etwa unser neues Eis Magnum Gold dieses Jahr weltweit 75 Millionen Mal verkaufen. Insgesamt setzen wir in Deutschland, Österreich und der Schweiz zehn Millionen Produkte pro Tag ab.

Innovationen reklamiert jedes Unternehmen für sich. Wie hoch ist die Innovationsquote bei Unilever?

25 Prozent. Also jedes vierte der 7000 Produkte, die wir im Angebot haben, ist neu oder wurde qualitativ weiter verbessert.

Was sind Ihre Wachstumsziele für die kommenden Jahre?

Unilever will seinen Umsatz von derzeit rund 40 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 weltweit verdoppeln. Gleichzeitig wollen wir die Belastung für die Umwelt entlang der gesamten Wertschöpfungskette halbieren, also etwa den CO2-Ausstoß verringern und Wasser einsparen.

Sind Zukäufe geplant?

Wir wollen Teile des Sortiments von Sara Lee übernehmen. In Deutschland etwa die Marken Duschdas und Badedas. Derzeit prüft das Europäische Kartellamt diese Übernahme.

Vor einigen Jahren hat Unilever noch zahlreiche Marken wie Iglo oder Livio verkauft. Jetzt wollen Sie wieder zukaufen? Das klingt ein wenig nach Konzeptlosigkeit.

Vor zwei Jahren hätte ich auch noch nicht von Übernahmen gesprochen. Damals haben wir einiges zu guten Preisen verkauft. Jetzt können wir gezielt günstig neue Geschäfte kaufen. Wir mussten uns neu aufstellen, auf zentrale Felder konzentrieren. So haben wir damals nur Bereiche abgegeben, die nicht zu unserem Kerngeschäft zählten. Nun bauen wir die zentralen Bereiche aus - dahinter steckt durchaus ein Konzept.

Was versprechen Sie sich von Ihrem neuen Umweltengagement?

So neu ist das nicht. Unilever führt bereits seit elf Jahren den Dow Jones Sustainability Index für den Lebensmittelsektor an, ist also das umweltfreundlichste Unternehmen in diesem Bereich. Unsere Unternehmenszentrale in Hamburg wurde beim World Architecture Festival in Barcelona zudem als das beste Bürogebäude der Welt ausgezeichnet, besonders aufgrund seiner Nachhaltigkeit. Zusätzlich haben wir das Umweltzeichen der HafenCity in Gold für nachhaltiges Bauen erhalten.

Wie viel Energie sparen Sie durch Ihre neue Unternehmenszentrale in der HafenCity ein?

Wir haben die Stromkosten um 70 Prozent gesenkt und die Wärmekosten um 40 Prozent. Der Umzug hat sich gelohnt. Wir haben nicht nur einige Millionen Euro durch den Umzug gespart, sondern auch die Arbeitsatmosphäre hat sich für die Mitarbeiter stark verbessert.

Vor einem Jahr machte Unilever mit dem Abbau von 200 Stellen, vorwiegend in Hamburg, von sich reden. Wie motiviert man enttäuschte Mitarbeiter?

Wir sind immer offen und transparent mit dieser schwierigen Situation umgegangen und haben für alle betroffenen Mitarbeiter Lösungen gefunden. Mit dem neuen Gebäude zog bei uns eine neue Unternehmenskultur ein. Wir sprechen mehr miteinander, statt still nebeneinander herzuarbeiten. Schon vor dem Umzug haben wir unser Geschäft umgestaltet. Statt getrennt arbeitender Bereiche gibt es jetzt Einheiten, die sich jeweils um einen Geschäftsbereich kümmern. Die Mitarbeiter haben mehr Eigenverantwortung. Anders als früher arbeiten jetzt verschiedene Abteilungen wie Marketing, Vertrieb, Finanzen, Personalwesen und Logistik enger zusammen. So sind wir näher am Handel und schneller an seinen Bedürfnissen dran.

Mehr Konsumenten- und Kundennähe ist bei vielen Unternehmen wieder in Mode gekommen. Aber wie wollen Sie wirklich wissen, was Ihre Kunden wollen?

Nehmen Sie unsere neue Unternehmenszentrale; sie ist zu einem der Anziehungspunkte in Hamburg geworden. Täglich kommen etwa 2500 Besucher, am Wochenende sogar 3500 zu uns. Sie gehen ins Langnese Café, ins Dove Spa oder kaufen in unserem Unilever-Shop ein. Damit können wir vor Ort das Kaufverhalten der Konsumenten in der Praxis miterleben.

In Ihrer Zentrale arbeiten 1100 Mitarbeiter in Großraumbüros. Sie selbst sitzen auch im Großraum. Was machen Sie, wenn Sie vertrauliche Gespräche führen wollen?

Schauen Sie sich um. Wir haben in jedem Stockwerk schöne Ecken, an denen sich die Mitarbeiter treffen und zusammen sprechen können. Dort gibt es kostenlos Kaffee, Wasser und Eis. Zudem haben wir einige Konferenzzimmer. Und wem das nicht reicht, der kann auch auf die Dachterrasse gehen.