Berlin. Schauspielerin Katerina Jacob (62) über Rollenangebote und Kohle, Trauer und Lebenserfahrung – und wie man nicht nur Obdachlosen hilft.

Katerina Jacob hat viele Höhen und Tiefen der deutschen Film- und TV-Geschichte erlebt. Ihre Mutter Ellen Schwiers war einer der größten Stars des deutschen Kinos der 50er und 60er. Sie selbst spielte in „Derrick“ oder „Schwarzwaldklinik“ und wurde besonders mit der Serie „Der Bulle von Tölz“ populär.

Jetzt ist die 62-Jährige in „Anna und ihr Untermieter – Aller Anfang ist schwer“ (ARD, 9. Oktober) zu sehen, wo sie einen verknöcherten Pensionär aufnimmt. Katerina Jacob wurde 1958 in München geboren. Die Schauspielerin und Synchronsprecherin lebt mit dem deutsch-kanadischen Makler Jochen Neumann in Kanada und auf Antigua.

Vor einem guten Jahr verkündeten Sie in einem Interview, dass Sie aus der Schauspielerei aussteigen wollten. Warum sehen wir Sie dann jetzt in einer ARD-Komödie?

Katerina Jacob: Das ist das Schöne an den Interviews, wenn sie einen Halbsatz weglassen. Das vollständige Zitat lautet „Ich habe keine Lust zu drehen – außer das Drehbuch passt, die Kollegen sind wirkliche Schauspieler, der Regisseur weiß, was er tut und die Kohle stimmt.“

Welcher Faktor war denn bei diesem aktuellen Projekt ausschlaggebend? Die Kohle?

Nein. Ich habe gerade ein lukratives Projekt abgesagt, weil das nicht meine Rolle war und ich auch keine Lust hatte, eine Serie zu machen, wo ich wegen ein, zwei Drehtagen pro Monat das ganze Jahr gesperrt bin. Aber das Drehbuch von „Anna und ihr Untermieter“ war so gut, dass ich sogar das Geld mitgebracht hätte (lacht). Mir kommt es hauptsächlich auf das Drehbuch an. Das ist das A&O. Aber leider achtet Deutschland seine Autoren nicht.

Das Szenario, dass Sie aufhören, ist also doch nicht ganz von der Hand zu weisen.

Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Haupt- oder Titelrollen in meinem Alter gibt es ja kaum. Und ich entspreche auch nicht dem Standard. Ich habe keine Kleidergröße 36, ich habe kein gebügeltes Gesicht, ich trinke keine fünf Liter Wasser am Tag.

Ist das mit dem Rollengebot wirklich noch so?

Gucken sie doch, was da gedreht wird. Es ist immer Krimi, Krimi, Krimi. Da können Sie keine 60-Jährigen gebrauchen. Höchstens in Nebenrollen. Dass die Degeto überhaupt so ein Projekt wie „Anna und ihr Untermieter“ gemacht hat, fand ich toll, und dass es mich getroffen hat, fand ich noch toller.

Wenn Sie so eine Komödie drehen, ist das auch eine Art von Gegengewicht zu den Trauerfällen, die Sie zuletzt erlebten – insbesondere als sich Ihre Mutter 2019 zu Tode fastete?

Bei meiner Mutter darf man nicht vergessen: Sie wollte unbedingt sterben. Sie war alt, sie hatte Schmerzen, es war für sie eine absolute Erlösung.

Deshalb war das eine völlig andere Situation, als meine Stieftochter mit 47 Jahren an Gebärmutterkrebs starb oder mein Bruder mit 21 an Leberkrebs. Das waren die wahren Schicksalsschläge. Es ist natürlich schlimm, weil ich sie vermisse und mir der Gesprächspartner in vielen Dingen fehlt, aber so etwas ist gottgegeben.

Während Sie das erzählen, wirken Sie sehr gefasst. Liegt das auch an Ihrer Lebenserfahrung?

Bestimmt auch. Je mehr man erlebt hat, desto mehr hat man erfahren. Wobei es Menschen gibt, die an jeder Ecke irgendwas Irrsinniges erleben. Und gleichzeitig Leute, die durchs Leben tapern und gar keine Erfahrungen machen.

Um das mit einem Bild zu beschreiben: Ich bin immer wieder mit Leuten durch die schönste Gegend in Kanada gefahren, und die meisten schauen nur stur auf die Straße. Einer im Auto guckt aber links und rechts. Und der sieht die Bären und die Elche.

Aber was haben Sie denn alles erlebt? Sie sind ja vermutlich nicht nur im Auto durch Kanada gefahren.

Ich habe die ganze Welt bereist. Ich war immer alleine unterwegs. Ich bin immer Nebenwege gegangen. Ich bin in den tiefsten Slums gelandet. Und ich bin jedes Mal gut rausgekommen.

Ist das eine Frage der Einstellung oder des Glücks?

Es ist eine Frage der Einstellung und des Glücks. Man darf keine Angst haben.

Das klingt in der Theorie gut und schön ...

Das ist auch konkret so. Bei uns in Kanada hat jedes Haus einen Obdachlosen, um den es sich kümmert. Für den sammeln wir die Flaschen. Dem mache ich in der Früh einen Kaffee und ein Brötchen. Dem gebe ich Waschsachen, das letzte Mal hat er auch eine Matratze mitgekriegt. Zum Winter habe ich ihm einen Schlafsack gekauft. Und einmal, da war er so traurig, dass er geweint hat. Und da sagte ich: ‚Junge, umarme mich mal.’

Kostet das Überwindung?

Klar, der stinkt wie ein Iltis und ist verfettet und versifft. Ich habe mich selbst überrascht. Aber es war ein Moment, wo er das gebraucht hat. Er hat so geheult an meiner Brust, und da habe ich gefragt: „Warum fährst du nicht nach Hause?“ Er sagte, er stammt aus Edmonton, das ist zu weit weg. Da meinte ich: „Wenn ich dir das Flugticket kaufe, würdest du nach Hause fliegen?“ „Ja, sofort.“

Das haben wir dann auch gemacht. Da kam drei Wochen später der Brief, dass er auf der Farm seiner Eltern und so glücklich wie noch nie in seinem Leben ist. Er macht jetzt Entzug, geht in die Klinik und hat wieder Lebensmut. Man muss nur mit den Leuten reden.

Es sind manchmal nur Kleinigkeiten, mit denen man den Leuten wirklich helfen kann. Ich habe auch viele Leute in den Tod begleitet. Das Wichtigste, was sie wollen, ist körperlicher Kontakt. Klar muss man sich überwinden, aber man kriegt unglaublich viel zurück.

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