Essen. Autorin und Moderatorin Sophie Passmann startet mit dem Journalisten Matthias Kalle den Podcast „Jubel & Krawall“. Darum soll es gehen.

„Jubel & Krawall“ – unter diesem Titel startet am Donnerstag (9. Juli) der Audible-Podcast von Sophie Passmann (26) und Matthias Kalle (45), in dem beide popkulturelle Phänomene und Produkte bewerten. Im Gespräch erläutert die Autorin („Alte weiße Männer“) und Moderatorin („Männerwelten“) unter anderem, weshalb im Internet-Zeitalter eher Destruktivität angesagt ist.

Jubel oder Krawall – Welche Reaktion fällt Ihnen leichter?

Sophie Passmann: Krawall ist einfacher. Zu Jubel muss ich mich erst mal zwingen. Aber wenn man sich über Dinge freut, merkt man, dass es die angenehmere Pose ist.

Warum ist Krawall einfacher?

Passmann: Das ist eine Internet-Logik, an die ich mich gewöhnt habe, weil ich eben in dieser Welt groß geworden bin. Mit allem, was Gegenrede provoziert, bekommt man tendenziell mehr Aufmerksamkeit. Ich habe den Eindruck, dass es in den sozialen Netzwerken einen Hang zum Dooffinden und zum Destruktiven gibt. So gesehen hat der Podcast eine pädagogische Wirkung auf mich, da ich mich einmal pro Woche zwinge, etwas gut zu finden. Ich versuche also ein besserer Mensch zu werden.

Welche Kulturprodukte haben Sie zuletzt gut gefunden?

Passmann: Großartig war für mich Fiona Apples jüngstes Album „Fetch the Bolt Cutters“. Bei Büchern war das Ottessa Moshfeghs „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“.

Sie betreiben Ihren Podcast mit dem Kollegen Matthias Kalle. Wie gehen Sie damit um, wenn er etwas kritisiert, was Sie gut finden?

Passmann: Wenn wir uns komplett uneinig sind, haben wir immer noch genügend Spaß am Spaß des anderen. Wenn er etwas bescheuert findet, was ich gut finde, tut er das mit meinem jugendlichen Leichtsinn ab. Umgekehrt schreibe ich das seinem Altersstarrsinn zu. Zum Beispiel werde ich nie „Rocky“ verstehen, den er für das größte filmische Meisterwerk des letzten Jahrhunderts hält.

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Wie ist es, wenn man es nicht mit netten Kollegen zu tun hat, sondern auf sozialen Netzwerken attackiert wird? Härtet das einen ab?

Passmann: Ich glaube ehrlich daran, dass man nie abgehärteter wird. Hassnachrichten erwischen mich genauso wie am ersten Tag. Aber inzwischen habe ich Methoden gefunden, die das Unmenschliche im Internet nicht mehr an mich ranlassen.

Welche Methoden zum Beispiel?

Passmann: Zum Beispiel gibt es Plattformen, die ich komplett meide – Youtube, Facebook und Reddit auch. Wenn ich da hingehe, habe ich es drei Wochen lang mit irgendwelchen schlecht gelaunten Männern zu tun, die mich beleidigen, auch justiziabel. Das hat nichts mehr mit Debatte zu tun, sondern raubt mir Zeit und Energie.

Wie verarbeiten Sie die negativen Emotionen, die auf Sie einprallen?

Passmann: Im echten Leben Sachen machen. Das klingt banal, ist aber so. Das heißt: Mit Leuten, die man mag, real treffen, ein Buch lesen, spazieren gehen, versuchen, auf dem Balkon Kräuter zu pflanzen.

Aber haben Sie Ihre Widerstandsfähigkeit trainiert?

Passmann: Mit 15 habe ich angefangen, mich bei Poetry-Slams auf Bühnen zu stellen. Das war ein gutes Training. Wobei ich im Nachhinein nicht mehr weiß, was Leute in meinem Alter dazu bewegt, sich von 250 betrunkenen Lehramtsstudenten bewerten zu lassen. Mit Sicherheit würde ich das nicht mehr machen. Am Anfang war ich einfach furchtlos, und erst später habe ich gemerkt, was das eigentlich bedeutet.

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Was hatte Sie dazu bewogen?

Passmann: Ich habe geschrieben, und ich dachte mir: Wenn ich mir schon die Arbeit mache, dann will ich wenigstens, dass mir Leute sofort sagen, ob sie mich toll finden oder nicht. Viele Leute, die auf der Bühne stehen, gebrauchen auch gerne die Floskel, dass das mit einer Form von Minderwertigkeitskomplex zu tun hat.

Ist Ihrer jetzt geheilt?

Passmann: Ich bin mit Sicherheit kein 15-jähriges Mädchen mehr. Aber letztlich ist schon irgendetwas mit uns kaputt. Sonst würde ich mich einschließen, ein Buch schreiben, alle drei Jahre ein Interview geben und mich dann wieder einschließen. Diejenigen, die das so machen, die sind deutlich feiner mit sich als die ganzen Fernsehheinis.

In „Jubel & Krawall“ haben Sie es mit einem männlichen Partner zu tun. Gibt es eine explizit männliche oder weibliche Sichtweise?

Passmann: Ich merke einen Unterschied, auch wenn der nicht explizit ist. Es ist nicht so, dass Matthias immer Actionfilme mit vielen Explosionen und oberkörperfreien Männern mag. Aber es gibt so Nuancen, durch die es Sinn macht, dasselbe Werk aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Es kann auch passieren, dass ich von einer Serie schwärme und Matthias sich selbstzufrieden zurücklehnt und meint: „Da kommen aber keine Frauen drin vor.“ Und ich kann nur sagen: „Stimmt, Mist.“

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