Buxtehude. Für den deutschen Sänger beim ESC, Michael Schulte, hätte 2018 kaum besser laufen können. Nach dem Musikerfolg folgte Familienglück.

Michael Schulte kann sich noch an diese Zeit erinnern, die Aufregung kurz vor Weihnachten 2017. Er wartete darauf zu erfahren, ob er dabei ist, beim Eurovision Song Contest (ESC) 2018.

„Bis zum 22. Dezember war ja alles offen“, sagt er jetzt, ein Jahr später. Michael Schulte wusste nicht, ob er unter den letzten sechs Kandidaten für den Vorentscheid sein würde. „Und dann kam die Entscheidung kurz vor Weihnachten und die Tage bis zum Neujahr waren so seltsam still, als klar war, dass das kommende Jahr meinem Leben eine entscheidende Richtung geben könnte.“

So war es dann auch. Der damals erst 27-Jährige schrieb das Lied „You let me walk alone“ im Januar, er trat damit im Februar beim Vorentscheid „Unser Lied für Lissabon“ auf - und gewann deutlich.

Den Vorentscheid zum ESC gewann Michael Schulte mit Abstand.
Den Vorentscheid zum ESC gewann Michael Schulte mit Abstand. © Getty Images | Pool

Im März und April bereitete Michael Schulte sich intensiv auf den ESC vor, im Mai flog er nach Portugal, zwei Wochen vor seinem Auftritt. Immer wieder probte er das Lied, das ein sehr persönliches war: Im Alter von 14 Jahren hatte Schulte seinen Vater verloren. Im Text beschreibt er eine schöne Kindheit und Jugend mit Mutter und Geschwistern – nur der Vater fehlt. Die Bühnenshow war reduziert, kein Feuerwerk, ein bisschen Glitzer.

Mit seinem unaufgeregtem Äußeren hebt er sich ab

Schulte erreichte den vierten Platz beim ESC, sein Lied wurde einer der Ohrwürmer des Jahres. Der vierte Platz fühlte sich wie ein Sieg an, nach drei Jahren, in denen die Bundesrepublik Schlusslicht des Liederwettstreits war. „Es war eine unglaubliche Zeit“, sagt Schulte im Rückblick auf seinen Mai 2018.

„Ich bin überall freundlich empfangen worden, und auch jetzt in der Heimat Buxtehude erkennen mich immer noch viele.“ Selbst mit winterlicher Mütze und verborgener Haarpracht wird er überall erkannt – sehr zu seinem eigenen Erstaunen. „Aber es sind ja im Grunde immer gut gelaunte Kontakte, die Menschen freuen sich mit mir.“

Sein Äußeres hebt sich gerade dadurch ab, dass es so unaufgeregt ist. Rote lange Locken, schwarzes T-Shirt und Jeans – so stand er auf der Bühne, die Gitarre in der Hand, und sang von „der einen Liebe in den zwei Herzen“. Die Stimmung des Teams in Lissabon habe zum Erfolg sehr beigetragen, sagt er. Pessimistische Meinungen, an die kann er sich zwar auch erinnern, aber sie tangierten ihn in jener Zeit nicht.

Hochzeit bis zwei Uhr morgens gefeiert

„Das wird doch wieder nix“, hörte er zum Beispiel. Aber er und sein Team machten unbeirrt weiter. Mit einigen aus der Crew vom ESC hat er noch heute täglich Kontakt. Vielleicht wird er sie wiedersehen, wenn er im Mai 2019 nach Tel Aviv zum diesjährigen ESC fliegt. Er hat dort nur einen kleinen Auftritt, aber er soll dabei sein. Er würde noch mal antreten, hat er mal gesagt.

Das Jahr 2018 war noch wegen zweier weiterer Ereignisse ein wichtiges für Michael Schulte. Im Juni hat er seine Verlobte Katharina geheiratet, die Verlobung war schon im September, also lange bevor der Trubel um den ESC an Fahrt gewann.

Aber es war Schulte wichtig, diesen Zeitplan einzuhalten. „Obwohl es zum Teil ganz schön stressig war, beschlossen wir beide, wir machen das jetzt.“ Die Feier war dann ganz traditionell: Morgens Standesamt, danach musste der Bräutigam die Braut durch ein ausgeschnittenes Herz tragen, und gefeiert wurde bis zwei Uhr morgens.

Die Geburt des Sohnes stellte sein Leben auf den Kopf

„Nur die Hochzeitsreise“, sagt er, „die haben wir noch einmal verschoben.“ Denn nur zwei Monate nach der Hochzeit, im August 2018, kam sein Sohn zur Welt. „Das war der schönste Tag“, sagt er, „aber seitdem hat sich mein Leben noch einmal komplett geändert.“

Er will selbst viel Zeit mit dem Kind verbringen, den Sohn zum Lachen bringen, zuhören, wie der Kleine erste Geräusche macht. „Das klingt schon fast wie Singen“, sagt er. Er klingt selbst noch nicht ganz überzeugt.

Den Jahreswechsel verbringt Schulte mit seiner Familie auf der anderen Seite der Erdkugel: Er fliegt kurz vor Silvester nach Neuseeland. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hofft er, neue Ohrwürmer beim Publikum zu platzieren: Die neue Single ist für Ende Januar vorbereitet, ab dem 23. Januar wird er auch wieder auf Tour sein, das neue Album kommt im Spätherbst. „Man hat manchmal Angst oder macht sich Druck“, sagt er, „aber im Grunde weiß ich, dass ich das tue, was ich kann, und mehr geht eben nicht.“

Wenn der mittlerweile 28-Jährige sein Jahr 2018 in einem Wort beschreiben soll, muss er schummeln. Er hängt zwei Eigenschaften aneinander und sagt: „Es war ein verrückt-perfektes Jahr, alles fügte sich sehr gut ineinander.“