Paderborn. Winfried W. und Angelika W. aus Höxter quälten zwei Frauen auf ihrem Hofe zu Tode. Der Staatsanwalt fordert für beide lebenslange Haft.

Es ist eines der bestialischsten Verbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik: Im Prozess um das sogenannte Horrorhaus von Höxter vor dem Landgericht Paderborn hat die Staatsanwaltschaft am Mittwoch in erschütternden Plädoyers lebenslange Freiheitsstrafen für die angeklagte Angelika W. (49) und ihren Ex-Ehemann Wilfried W. (48) gefordert. Sie sollen wegen gemeinschaftlichen Mordes durch Unterlassen lebenslang hinter Gittern.

Oberstaatsanwalt Ralf Meyer sieht bei beiden eine besondere Schwere der Schuld, was eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ausschließt. Zusätzlich soll Wilfried W. in ein psychiatrisches Krankenhaus.Zwei Jahre schon dauert der Prozess. Auf dem Hof sollen zwischen Ende 2010 und April 2016 mehrere Frauen misshandelt worden sein. Zwei Opfer, Susanne F. und Anika W., starben an den Folgen der körperlichen und seelischen Quälereien.

Anwalt zitiert aus „Liste des Grauens“

Die Staatsanwaltschaft sieht die Mordmerkmale niedere Beweggründe, Grausamkeit und Verdeckungsabsicht erfüllt. Mitten in seinem 100 Minuten langen Plädoyer weist Meyer auf eine weiß gekleidete Frau auf der Nebenklagebank. Es ist die Mutter der gestorbenen Anika W. „Weitere Einzelheiten will ich ihr ersparen“, sagt Meyer in ihre Richtung. Und doch: Roland Weber, Anwalt der 76-Jährigen, zitiert anschließend aus der „Liste des Grauens“, die Angelika W. zusammengestellt hatte.

Blick auf das ehemalige Haus der Angeklagten im Ortsteil Bosseborn.
Blick auf das ehemalige Haus der Angeklagten im Ortsteil Bosseborn. © dpa | Friso Gentsch

In jener Liste hatte die ehemalige Gärtnerin 45 Quältechniken aufgeführt. Das im Alter von 33 Jahren verstorbene Opfer wurde unter anderem gewürgt, geknebelt, geschlagen, getreten, mit heißem Wasser verbrüht, mit einem Elektroschocker traktiert. Ihre Haare wurden mittels eines Bunsenbrenners versenkt. Nächte verbrachte sie angekettet in einer Badewanne im kalten Keller. Nahezu identisch war es bei der ebenfalls verstorbenen Susanne F. Die Taten übersteigen die menschliche Vorstellungskraft.

Einsame Frauen per Kontaktanzeige angelockt

Anklagevertreter Ralf Meyer sieht ein bestimmtes Muster: Erst wurden Frauen „mit wenigen Sozialkontakten“ über eine Anzeige in die westfälische 30.000-Einwohner-Stadt Höxter gelockt, um eine Liebesbeziehung mit Wilfried W. einzugehen. Dann wurden ihnen Schlüssel, Handy und Ausweise entwendet. Nach einer kurzen Zeit begannen schließlich die Misshandlungen.

Meyer zitiert eine Zeugin, die dem Martyrium entkam: „Wilfried W. war erst lieb und nett. Dann wurde er zum Monster.“Nach Überzeugung von Nebenklageanwalt Weber handelten die Angeklagten gemeinschaftlich. Ihnen sei es einzig darum gegangen, den Willen der Opfer zu brechen, um Macht auszuüben. Die Grausamkeiten nach einem selbst aufgestellten Regelwerk seien in „perfekter Teamarbeit“ ausgeübt worden: „Der eine hätte ohne den anderen nicht derart viele Taten begehen können.“

Tatverdächtige erhielten mehr als 100.000 Euro

Alle Frauen mussten Wilfried W. und seiner Ex-Frau offenbar auch Geld zahlen. Insgesamt sollen die Tatverdächtigen von den Opfern mehr als 100.000 Euro erhalten haben. Wie viele Frauen von den beiden gequält wurden, ist unbekannt. Am Tatort sind 20 Handys gefunden worden.Anika W. heiratete Wilfried W. kurz nach ihrem Umzug nach Höxter. Sie wurde wiederholt in einem Stall angekettet, wo sie stundenlang im Mist stehen musste.

Angelika W. hatte in einer Vernehmung angegeben, dass die Opfer auf dem Hof „gehalten“ wurden. „Wie Tiere“, ergänzt Meyer. Die Angeklagten verfolgen die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Nebenklage regungslos.

Plädoyers am Donnerstag

Bei Wilfried W. wurde eine Intelligenzminderung festgestellt. Dennoch: „Er wusste genau, dass er Unrecht begeht“, so Oberstaatsanwalt Meyer. Damit weicht er von dem Gutachten der psychiatrischen Forensikerin ab, die Wilfried W. für „schwachsinnig“ und damit vermindert schuldfähig hielt. Am Donnerstag sollen die Verteidiger ihre Plädoyers halten. Angelika W. hat ein sehr ausführliches Schlusswort angekündigt.