Der “Volkswagen“ sollte die Deutschen mobilisieren. Später wurde der Hersteller des “Käfers“ ein Motor des deutschen Wirtschaftswunders - und ist es bis heute.

Draußen auf dem Flur ist alles ruhig. Dann öffnet sich eine automatische Klapptür und gibt Rauschen, Klopfen und Dröhnen frei. Und den Blick auf eine riesige Fabrikhalle. Bruno Henika lässt einen roten VW-Touran an, eine Einzelanfertigung, oben und seitlich offen, ohne Türen. Wenn man sich hier einen Überblick verschaffen will, braucht man so einen Wagen. Bei Volkswagen in Wolfsburg, im größten Automobilwerk der Welt.

Vor fast genau 71 Jahren, am 26. Mai 1938, wurde der Grundstein gelegt. Ein Mann im Größenwahn hatte die Fabrik in Auftrag gegeben, um den Deutschen den "Volkswagen" zu bescheren, ein Auto für 1000 Reichsmark, das Familien mobil machen sollte. Der Mann, der Namen wie "Wolfsburg" und "Wolfsschanze" liebte, stürzte Europa in den schrecklichsten aller Kriege. Sein Wahn ging unter, doch Wolfsburg blieb. Aus der Autofabrik des "Führers" wurde Europas führender Automobilkonzern, der mit eigenen Marken und Beteiligungen vom Kleinwagen bis zum 40-Tonner alles produziert, was Menschen und Güter auf der Straße voranbringt.

Zwei Modelle verkörpern VW mehr als alle anderen: der Käfer und sein Nachfolger, der Golf. Der Käfer stand für den Wiederaufbau, für bescheidenen Wohlstand und wachsende Mobilität. Er wurde weltweit mehr als 20 Millionen Mal verkauft. 1974 folgte der Golf, bis heute Rückgrat der VW-Modellpalette, mittlerweile in der sechsten Generation. "Das dort ist der 25-Millionen-und-erste Golf", sagt Bruno Henika und zeigt auf ein rotes Auto, das mit Tausenden Unterschriften von Mitarbeitern bedeckt ist. "Produziert am 23. März 2007." Inzwischen hat Volkswagen mehr als 26 Millionen Golf verkauft, bis heute wird das wichtigste Konzernmodell im Stammwerk produziert. Außerdem laufen hier die Modelle Touran und Tiguan vom Band.

Auch wenn große Teile der Produktion automatisiert sind, bleibt genügend Arbeit, um Zehntausende Menschen im Dreischicht-Betrieb rund um die Uhr zu beschäftigen. 20 Stunden dauert es, um aus Stahlblech und Komponenten aus anderen Werken einen Golf zu bauen. 3450 Autos verschiedener Typen kann Wolfsburg am Tag fertigen, derzeit sind es rund 3000 Fahrzeuge, die Auslastung gilt als gut. "Die Abwrackprämie für Altautos wirkt", sagt Henika.

Der Käfer stand für den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft und für den Aufstieg der deutschen Automobilindustrie in die erste Liga. Der Golf steht auch für die schweren Rationalisierungsschübe, die seit den 70er-Jahren durch die Automobilindustrie fahren. Furore machte 1983 die Einweihung der "Halle 54" in Wolfsburg. Eine menschenleere "Geisterfabrik", berichteten die Medien damals erschrocken über eine Fabrik, in der Roboter alles zu sein schienen und Menschen nichts mehr. "Der Eindruck war falsch", sagt Bruno Henika, während an einer Fertigungsstraße aus einer unteren Etage vollautomatisch ein Fahrgestell unter eine Karosserie gehoben wird, kontrolliert von einem Arbeiter an einem Steuerstand. "Hier haben immer Menschen gearbeitet. Heute ist die Halle 54 einer der mitarbeiterintensivsten Bereiche."

Weltweit betreibt Volkswagen 61 Fabriken, aber keine ist wie diese. Im Jahr 2000 eröffnete das Unternehmen neben dem Werk die "Autostadt", ein Auslieferungs- und Erlebniszentrum rund um das Automobil und die Marken des Konzerns. Die eigentliche "Autostadt" aber ist das Werk: Es misst eine Fläche von sechs Quadratkilometern, weit mehr als das Zentrum einer Stadt. Allein die mit Hallen überbaute Fläche entspricht der des Fürstentums und Stadtstaates Monaco. Fast 50 000 Menschen haben hier im Jahr 2008 gut 730 000 Autos produziert.

Nie war der Weltkonzern Volkswagen mit mittlerweile fast 370 000 Mitarbeitern so erfolgreich wie in dieser Zeit. Begonnen hatte alles auf der grünen Wiese in der Provinz von Niedersachsen, fast genau 71 Jahre zuvor.