Vom Zoologischen Museum zu Adenauers Kanzleramt: Das Museum Koenig in Bonn.

Ein Hort der Artenvielfalt, eine Datenbank der Erde und obendrein noch der Geburtsort der Bundesrepublik: Wer das Zoologische Forschungsmuseum Koenig in Bonn betritt, tut dies unweigerlich mit Ehrfurcht. Manchen Orten sagt man nach, sie seien so bedeutsam, dass man ihre Geschichte riechen könnte. Dieses Erschnuppern der Vergangenheit ist natürlich symbolisch gemeint. Geschichte hat keinen Geruch.

Das Museum Koenig hat einen ganz speziellen Geruch. Vor sechzig Jahren war das offenbar auch schon so. Konrad Adenauer fühlte sich nicht wirklich wohl im Museum Koenig. Er beschwerte sich 1949 mehrfach über den penetranten Mief, dem seiner Meinung nach etwas von Mottenkugeln anhaftete. Und dann dieses museale Ambiente, die vielen ausgestopften Tiere. Nein, dieses Haus durfte kein Kanzleramt auf Dauer sein, befand Adenauer. Er glaubte, es schade seiner Gesundheit.

Noch heute riecht es nach Mottenkugeln. Diese schwere, etwas säuerliche Luft, die sich so penetrant durch das Gemäuer zieht, kann nur von den ausgestellten präparierten Tierkörpern ausgehen. Viele Exemplare stehen schon seit Jahrzehnten im Museum, wobei die Bezeichnung Museum diesem Ort kaum noch gerecht wird. Das Museum Koenig ist längst ein international renommiertes Wissenschaftszentrum. Wer heutzutage in der Zoologie forschen will, kommt am Museum Koenig nicht vorbei.

Dutzende Wissenschaftler, dazu 100 Doktoranden, Diplomanden und Staatsexamenskandidaten arbeiten hier. Ihnen steht eine einmalige Sammlung von rund sieben Millionen archivierten Tieren - die Mitarbeiter sprechen lieber von "Individuen" - zur Verfügung. Allein zwei Millionen Schmetterlinge gehören zur Sammlung des Museums.

"Na dann kommen Sie mal mit in die Savanne." Unsere Museumsführerin Sabine Heine guckt fast ein wenig gelangweilt, als sie uns auffordert, ihr zu folgen. Sie ahnt, was wir sehen wollen. Wir lassen die Arktis links liegen und folgen ihr in die steppenartige Landschaft. Die Savanne liegt im Lichtsaal, dem Ort, in dem der Parlamentarische Rat am 1. September 1948 feierlich die Arbeit am Grundgesetz aufnahm und zu dem es diese eine, immer wieder zitierte und mit dem Museum auf ewig verbundene Anekdote gibt. "Also, die Giraffe ist dort hinten", sagt Heine. Da ist sie also, das prominente Tier, das den Organisatoren der Eröffnungsfeier des Parlamentarischen Rats so zu schaffen machte. Die Giraffe war damals ein Teil der Festlichkeiten. Man hatte sie gedreht, gekippt, an ihr gezerrt - es hatte nicht geholfen. Ihr Hals war einfach zu lang, um sie aus dem Saal entfernen zu können.

Rechts hinter dem Rednerpult, behelfsmäßig verdeckt von Vorhängen, stand sie im Saal, als der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold (CDU), bei der Eröffnungssitzung des Parlamentarischen Rats den Honoratioren der noch zu gründenden Republik bedeutungsschwer ins Gewissen sprach: "Ihr Werk wird gelingen, wenn es getragen sein wird von dem Geist der Gesetze, die der Schöpfer in die Brust eines jeden Menschen gelegt hat."

Wäre es nach den Gründungsvätern der Bundesrepublik gegangen, hätten sie gewiss lieber auf ein stickiges Tiermuseum als Geburtsstätte der Bundesrepublik verzichtet, aber in Bonn gab es keinen geeigneteren Ort als dieses Museum. Die Bomben hatten Bonn zu sehr in Mitleidenschaft gezogen, nur das Haupthaus des Museums war zufällig verschont geblieben. Über die Veranstaltung am 1. September 1948 schrieb "Der Spiegel" später, den Reden im Museum "hörten außer den Parlamentariern und ihren Gästen auch Perlhühner und ausgestopfte Flamingos zu, letzte sämtlich auf einem Bein".

Gut ein Jahr nach dem Festakt, einen Tag nach seiner Wahl zum Bundeskanzler am 15. September 1949, bezog Konrad Adenauer das Museum Koenig. Es blieb ein provisorisches Kanzleramt. Sehr bald zog es Adenauer ins großzügigere Palais Schaumburg. Am 23. November 1949 verließ er endgültig das Museum Koenig. Sein Zimmer wurde nun zur Ornithologischen Bibliothek. Adenauers Staatssekretär und weitere Bedienstete des Bundeskanzleramts blieben, später bezog auch das Auswärtige Amt einige Räume, und erst zum Ende 1957 wurde das Haus Alexander Koenigs aus einem politischen Ort wieder allein das, was es immer sein sollte: ein Zoologisches Museum. Heute ist es aus der deutschen Forschungslandschaft nicht mehr wegzudenken. Das Museum ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, es ist weltweit anerkannt für seine Evolutionsforschung. Bund und Länder finanzieren das Haus. Und dass es eben etwas merkwürdig riecht, nun ja, das fällt einem schon nach ein paar Minuten nicht mehr auf.