Ein Politisches Buch zum Frauenbild des Islam. Hans-Peter Raddatz kritisiert auch die falsche Toleranz des Westens.

Es gibt kaum einen Experten in Deutschland, der mit ebenso scharfsinnigem wie kritischem Sachverstand das Verhältnis zwischen dem Westen und dem Islam unter die Lupe nimmt wie Hans-Peter Raddatz. Jetzt ist ein neues Werk des Orientalisten und Wirtschaftsanalytikers erschienen: "Allahs Schleier", eine Analyse der "Frau im Kampf der Kulturen".

Mit der kulturgeschichtlichen Untersuchung über das Verhältnis der Geschlechter in Christentum und Islam schließt Raddatz eine dreiteilige Betrachtung ab, die zunächst die historischen Beziehungen der beiden Religionen und danach die politischen Dimensionen von Macht und Gewalt untersucht hatte. Gerade vor dem Hintergrund der Kopftuchdebatte erfährt das jüngste Werk eine beklemmende Aktualität. Schildert Raddatz doch das verzweifelte Bemühen islamischer Frauen, sich gegen die Dominanz der Männer im Islam zur Wehr zu setzen - zum Teil unter Einsatz ihres Lebens. Und beklagt deshalb umso vehementer eine Haltung des Schweigens im Westen, die hier als Toleranz missverstanden werde.

Kein Zweifel, der wissenschaftlich versierte Autor hat vor allem ein politisches Buch vorgelegt. Als Mahner und Warner zugleich nimmt er engagiert und manchmal zornig Partei gegen eine Laissez-faire-Haltung von Kirchen, Medien und politischem Liberalismus gegenüber einem Islamgesetz, in dem Frauen "eine niedrigere Existenzstufe" zugedacht wird. Die drücke sich unter anderem in der jederzeitigen sexuellen Verfügbarkeit des weiblichen Körpers aus. Habe sich das ursprünglich auch einseitig orientiertierte christliche Frauenbild über die Jahrhunderte hinweg geändert, betone der Islam nach wie vor die Rolle des Mannes als "biologisch befruchtender Stellvertreter Allahs".

Raddatz sieht darin eine Verletzung der Grundrechte, über die auch im Streit über das Kopftuch viel zu leise geredet werde. Dieses Stückchen Stoff in einen Zusammenhang mit Religionsfreiheit zu stellen, verkenne den Begriff Freiheit. Von freiem Willen zu reden, so der Wissenschaftler, setze voraus, dass islamische Frauen ihren Beruf, Wohnort und vor allem ihren Mann frei wählen können. Solange dies aber nicht der Fall sei, laufe eine Haltung, die sich auf Kosten der Frauen zu einem politischen Proislamismus auszuweiten beginne, auf einen Verrat am demokratischen Frauenbild auch westlicher Gesellschaften heraus.

Für den Dialog mit dem Islam liefert das kenntnisreiche Buch eine gute Argumentationshilfe. Es ist aber auch eine bewusste Provokation, mit der der Autor allzu Gutgläubige wachrütteln will.

  • Hans-Peter Raddatz: Allahs Schleier , Herbig-Verlag, 470 S.; 24,90 Euro.