Zum 100. Geburtstag des Ullstein-Buchverlags: Sten Nadolny erzählt in seinem Roman vom Aufstieg und Untergang einer Verlegerfamilie.

Liebe, Intrigen, Macht und Reichtum, eingebettet in den Aufstieg und Niedergang eines Unternehmens - die Familie Ullstein bietet besten Stoff für einen Roman. Kein Wunder, dass es Stan Nadolny ("Die Entdeckung der Langsamkeit") gereizt hat, die Geschichte der Verlegerdynastie zum 100. Geburtstag des Ullstein-Buchverlags aufzuschreiben. Er hat sich selber als Autor angeboten und fleißig recherchiert. Herausgekommen ist ein dicker Familienroman, gespickt mit Anekdoten, Zitaten, Daten und verwirrend vielen Namen - die Familie Ullstein war unglaublich fruchtbar. Im Zentrum des "Ullstein- romans" steht der Gründer Leopold (1826-1899), ein etwas grimmiger, aber starker Charakter. Der familiäre Papierhandel ist ihm zu langweilig, das heimatliche, pro-jüdische Fürth zu eng. Ihn zieht es nach Berlin. Als er als Politiker scheitert, gründet er eine Zeitung und macht daraus ein Verlags-Imperium. Nebenbei zeugt Leopold Ullstein mit seinen zwei Frauen (Matilda und Elise) fünf Töchter und fünf Söhne. Letztere steigen ins Unternehmen ein, während die Frauen weiterhin zahlreiche Kinder aufziehen. Das Unternehmen floriert, die Ullsteins werden mächtig. Doch so unaufhaltsam, wie sich der Nationalsozialismus in Deutschland erhebt, ist auch der Untergang der jüdischen Verlegerfamilie. Wobei der Niedergang zum Teil hausgemacht ist. Statt gegen das drohende Terrorregime aufzubegehren, bekämpfen sich die fünf Brüder lieber stets untereinander. Hans, der Älteste, kann die Revierkämpfe noch unterdrücken. Doch als er sich zurückzieht, sieht Louis sich als neuer Patriarch. Gemeinsam mit Rudolf, Techniker und Lebemann, intrigiert er gegen die beiden anderen Brüder. Hermann, der Jüngste, verwirklicht sich mit seiner eigenen "Neuen Leipziger Volkszeitung". Er kämpft als einziger aktiv gegen die Nazis. Auch der exzentrische Franz wird, obwohl Vorstandsvorsitzender des Verlags, wegen seiner liberalen Haltung verachtet. Seine junge Frau Rosie wird schließlich zum Hassobjekt der Altherrenrunde erkoren. Denn sie hat Einfluss im Verlag, ist zudem schön und selbstbewusst. Durch eine Intrige wird Rosie als vermeintliche Doppelagentin denunziert und Franz aufgefordet, sich von ihr scheiden zu lassen. Er weigert sich und erhält Verlags-Hausverbot - der Brüder-Streit wird zum Krieg. Die Affäre um Rosie ist die spannendste Geschichte im ganzen Roman. Leider steht sie erst im letzten Drittel des 500-Seiten-Wälzers. Zuvor muss man sich durch langweilige Beschreibungen sämtlicher Ullstein-Mitglieder quälen, wobei keine Figur wirklich mit Leben gefüllt ist. Sten Nadolny hat zu viel Wert auf Nichtigkeiten und Details gelegt. Jeder öde Brief Matildas, Leopolds erster Frau, wird zitiert. Man erfährt, wie oft sie bei ihrer Schwester war und welche Witze Heinz (der Sohn von Louis) gern erzählt hat. Es scheint, als hätte Sten Nadolny zu viel Respekt vor dieser großen Familie gehabt und zu wenig Mut, von der Wahrheit zu Gunsten der Fantasie abzurücken. Der Geschichtslehrer sei manchmal mit ihm durchgegangen, bekennt Nadolny in einem Interview - und genau das ist das Problem des Buches. Es ist ordentliches Faktenwerk, aber kein spannender Roman.

  • Sten Nadolny: Ullsteinroman , Ullstein, 495 Seiten; 24 Euro.
  • Am 11.11. um 20 Uhr liest Sten Nadolny im Cafe Libresso, Uni-Hauptgebäude, Edmund-Siemers Allee 1. Kartenvorverkauf: 040/4411 33 18.