Auf der Theaterbühne stehen, in einem Film mitspielen, in einem Musical singen: Davon träumen viele. Aber selbst die Naturtalente haben nur mit einer fundierten Ausbildung Chancen, in ein Engagement zu kommen. Und feste Stellen sind heiß umkämpft.

Der Beruf des Schauspielers ist nicht geschützt. Jeder Sportmax kann sich Mime, jede Jenny Elvers Schauspielerin nennen. Und glauben, auf Grund von Brust- oder Muskelumfang für die Kunst berufen zu sein, ohne je ein Theater von innen gesehen zu haben. Geschweige denn zu wissen, was an Disziplin, Durchhaltevermögen, Fleiß, Intelligenz und Selbstvertrauen auf der Bühne gefordert ist.

Wer auf die Bühne will, muß Talent mitbringen - aber auch eine fundierte Ausbildung zum Schauspieler. Sie dauert drei Jahre an privaten, vier an staatlichen Schulen. Dafür muß zunächst die Aufnahmeprüfung bestanden werden. Bis zu 1000 Bewerber melden sich für einen Termin - etwa bei der Top-Talentschmiede, der Berliner Ernst-Busch-Schule -, sechs bis acht werden aufgenommen, an privaten Instituten auch mehr. Neben Sprech- und Körpererziehung, Szenenanalyse, Rollenstudium, Bühnenfechten und Theatergeschichte wird den jungen Schauspielern Singen und Tanzen beigebracht. Künftige "Showstars" benötigen eine Extraportion Naturbegabung.

Talente bahnen sich ihren Weg, heißt es. Ratschläge dafür zu geben ist jedoch schwierig. Das sagt einer, der es wissen muß: Thalia-Intendant Ulrich Khuon. Er hat einen erfolgreichen Schauspielersohn, engagiert selbst Nachwuchs und verfolgt beobachtend, kritisch und fördernd dessen Weg wie etwa bei Daniel Hoevels . Und nicht erst, seit das Thalia-Theater mit der neu gegründeten Hamburger Theaterakademiekooperiert.

Jungen Berufsanwärtern empfiehlt Khuon: "Ich kann nur raten, die Runde zu machen": nämlich sich an verschiedenen staatlichen Hochschulen zur Aufnahmeprüfung anzumelden. "Mein Sohn Alexander hat in Leipzig vorgesprochen und wurde angenommen. Leipzig bietet eine besondere Anbindung der Studenten ans Theater, wo sie während der Ausbildung auftreten."

Für Khuon ist praktische Bühnenarbeit während der Ausbildung ein entscheidender Faktor. Aber die Öffnung der Schulen zur Praxis ist eher selten. Hoevels, Absolvent der Theaterakademie, konnte im Thalia-Weihnachtsstück spielen, schaffte den Sprung ins Ensemble. Das ist nicht die Regel, sondern eine Ausnahme. Anfängern bleibt zumeist die "Ochsentour" durch die Provinztheater zwischen Wilhelmshaven und Konstanz nicht erspart.

Das von Jürgen Hirsch geleitete private Hamburger Schauspiel-Studio Frese sorgt auch für Praxiserfahrung im letzten Studienjahr. "Unsere Studenten spielen zur Zeit in den Märchen am Altonaer Theater, Ernst-Deutsch-Theater und St.-Pauli-Theater", sagt Hirsch. "Bei Bewerbungen ist praktische Erfahrung immer ein Plus."

An der Musical-Academy Joop van den Ende gehören öffentliche Schul-Präsentationen zum Unterricht, ebenso in der Stage School of Music, Dance and Drama: Ihre Absolventen zeigen mit einer öffentlichen Schlußproduktion in der Kampnagelfabrik, was sie können. Diese sogenannten Diplominszenierungen sind Teil des Lehrplans. Eine Übernahme ins Engagement ist damit aber noch nicht gesichert - auch nicht durch die von den Schulen organisierten Intendanten-Vorsprechen.

In der letzten Spielzeit (von Juli 2004 bis Juni 2005) haben beim Leiter der Schauspielabteilung in der "Zentralen Bühnen-, Fernseh- und Film-Vermittlung" (ZBF) der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung 488 Anfänger vorgesprochen. "Davon haben wir 347 in die Vermittlungskartei aufgenommen, 141 wurden aus Qualitätsgründen abgelehnt", sagt Michael Schäfermeyer. 186 Anfänger von den 347 aufgenommenen kamen von staatlichen Hochschulen. Die übrigen hatten bei Privatlehrern und -schulen studiert.

Aber: An allen deutschsprachigen Bühnen gab es nur 283 freie Stellen - 202 feste mit auf zwei Jahre befristeten Anfängerverträgen und 81 Gastverträge, etwa für die Märchenaufführungen. Im Vorjahr gab es noch 373 freie Stellen - die Tendenz ist also stark rückläufig.

"In den letzten Jahren hatte nicht einmal mehr der an staatlichen Schulen ausgebildetete Nachwuchs die Garantie auf ein Engagement", sagt Schäfermeyer. Statistiken sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Immerhin sollten die Zahlen naiven Möchtegern-Mimen zu denken geben. In ihrem Jahrbuch 2003 registrierte die Bühnengenossenschaft 20 948 Beschäftigte in allen künstlerischen Bühnenberufen vom Sänger bis zum Regisseur - gegenüber 12 129 Arbeitslosen.

Die Arbeitslosenquote für Männer lag bei 27,6, für Frauen bei 44,4 Prozent. Denn in den Theatern werden immer mehr Männer gebraucht - es gibt traditionell einfach mehr Rollen für sie zu spielen. Doch das Angebot ist genau umgekehrt: Auf ein Drittel männliche kommen zwei Drittel weibliche Darsteller. Das steigert den Konkurrenzdruck unter Schauspielerinnen. "Ab dem Alter von 35 Jahren habe ich sogar bei wirklich guten Schauspielerinnen Probleme, sie zu vermitteln", bestätigt Schäfermeyer.

Allen, die trotzdem davon überzeugt sind, diesen Beruf ergreifen zu müssen, rät Schäfermeyer - ähnlich wie Ulrich Khuon - dringend, auf jeden Fall an eine staatliche Hochschule zu gehen: "Wie in jedem Beruf sollte man die bestmögliche Ausbildung anstreben."

Ob die allerdings von allen Hochschulen angeboten wird, wäre noch zu überprüfen. Wenn es nach zwei Jahren Vorsprechtour immer noch nicht geklappt hat, sollte man sich vielleicht nach anderen Berufsperspektiven umsehen. Ist man jedoch immer knapp in der letzten Runde gescheitert, blieben noch die Privatschulen. Über deren Angebot und Spektrum in der Ausbildung sollte man sich aber gründlich informieren. Es wäre auch klug, sich mit Studenten zu unterhalten. Und zu schauen, ob noch im Beruf stehende Schauspieler beim Rollenstudium unterrichten.

Das ist die große Chance für Hirsch und seine Kollegen: "Wir nehmen 12 bis 14 Studenten jährlich auf, sechs davon bleiben im Schnitt übrig bis zum Abschluß." An der Frese-Schule melden sich etwa 200 Bewerber zur Aufnahmeprüfung, "darunter sind manche, die haben die Vorsprechtour schon hinter sich", sagt Hirsch. "Andere gehen, wenn sie erkennen, daß wir nicht der direkte Weg zu RTL oder zu ,Deutschland sucht den Superstar' sind."

Übrigens sind sich die genannten Fachleute einig: Auch im Film- und Fernseh-Geschäft schafft man es auf die Dauer nicht ohne solide Grundausbildung. Die Casting-Direktorin Heta Mantscheff bestätigt: "Genau wie auf der Bühne zählt nichts als das beherrschte Handwerk."

Kunst kommt eben noch immer von Können.