Paris/Berlin. Frankreichs Sportministerin hat auch während der Olympischen Spiele ein striktes Kopftuchverbot durchgesetzt. Was dahinter steckt.

„Liberté, Egalité, Fraternité“ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) lautet der Wahlspruch der heutigen Französischen Republik. Doch wie so viele hehre Prinzipien scheinen auch diese drei Losungen Interpretationssache zu sein. Mit der Freiheit ist es für muslimische französische Sportlerinnen bei den Olympischen Spielen diesen Sommer in Paris nicht weit her, denn das Tragen einer religiös motivierten Kopfbedeckung ist ihnen von Staats wegen untersagt. Und auch mit der „Gleichheit“ ist es so eine Sache. Denn während die Sportlerinnen anderer Länder etwa im einen Hidschab tragen können, ist dies französischen Athletinnen unter allen Umständen strikt verboten.

Kein anderer Staat in Europa setzt laizistischen und säkularen Prinzipien so streng durch wie Frankreich. Der Laizismus, also die Trennung von Staat und Religion, ist in der Verfassung verankert. Auch deshalb betonte die französische Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra bereits im vergangenen August im französischen Fernsehen, dass weder französische Athletinnen noch Mitglieder der Olympia-Delegation eine wie immer geartete religiös motivierte Kopfbedeckung tragen dürften.

Kopftuch-Verbot: Zweierlei Recht im Olympischen Dorf in Paris

Neu ist das Verbot jedoch nicht. Gegenüber der „Deutschen Welle“ erklärte das französische Sportministerium ebenfalls im August 2023, dass Mitglieder französischer Sportmannschaften ihre religiösen Überzeugungen bei Wettbewerben nicht öffentlich zur Schau stellen dürften. Das Verbot gilt prinzipiell für alle religiösen Symbole – nicht nur für das Kopftuch, sondern auch für die Kippa oder das christliche Kreuz, das man allerdings recht leicht unter der Kleidung verbergen kann.

Das französische Kopftuchverbot steht im strikten Gegensatz zu einer Erklärung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vom vergangenen September, in der betont wurde, dass jede Athletin und jeder Athlet sich und seinen Glauben genauso repräsentieren dürfe wie sein Land. Folgerichtig gibt es für nichtfranzösische Athletinnen diesbezüglich keine Einschränkungen. „Im Olympischen Dorf gelten die Regeln des IOC“, sagte ein IOC-Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Ungleichbehandlung französischer und nichtfranzösischer Athletinnen hat wie zu erwarten eine kontroverse Debatte ausgelöst. Sogar das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen und Amnesty International haben sich in die Diskussion eingeschaltet und die französische Haltung kritisiert.

Debatte um Kopftuch in Frankreich auch nach Jahren nicht vorbei

Die Kopftuch-Frage ist in Frankreich ein Dauerbrenner und wird immer wieder neu gestellt. Seit 2004 sind Kopftücher in Schulen verboten, im vergangenen Jahr wurde auch das Tragen der Abaya, eines langen Gewandes, untersagt. Schon seit Jahren wird um Ganzkörperschwimmanzüge, sogenannte Burkinis, erbittert gestritten. An der Côte d‘Azur galt einige Zeit ein kommunales Burkiniverbot, das jedoch schnell wieder gekippt werden musste.

Wie man souverän mit der Kopftuch-Frage bei internationalen Sportwettkämpfen umgehen kann, zeigen zwei Beispiele aus den USA und aus Marokko. Bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro trat die US-Fechterin Ibtihaj Muhammad mit Hijab an und gewann eine Bronzemedaille im Teamwettbewerb. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 2022 in Australien und Neuseeland spielte die Marokkanerin Nouhaila Benzina ebenfalls mit Kopftuch und wurde damit zur Vorreiterin.