Berlin. “Ökologischer Fußabdruck“: Er gibt an, wie klimaschädlich ein Lebensstil ist. Woher kommt der Begriff? Spoiler: nicht von Greenpeace.

Begriffe wie Erdüberlastungstag oder Biokapazität liest man mittlerweile immer öfter. Sie sollen abstrakte Zusammenhänge zwischen Gesellschaft und Umwelt in verständliche Formeln gießen. Der ökologische Fußabdruck ist heute eine der vielen Messeinheiten, um die Klimaschädlichkeit moderner Lebensstile darzustellen. Er war in den 1990er-Jahren Vorreiter unter den nachhaltigkeitsorientierten Messgrößen. Doch bekannt wurde der "Carbon Footprint" nicht durch Greenpeace, den WWF oder den NABU. Ein Mineralölkonzern brachte ihn ins kollektive Bewusstsein.

Jeder Mensch hat einen eigenen ökologischen Fußabdruck. Dieser setzt den Konsumbedarf einer Person in Relation zu den verfügbaren Ressourcen, dargestellt wird die Formel in Flächeneinheiten. Im Jahr kommt der Durchschnittsdeutsche in Deutschland auf 2,7 Hektar. Um die Balance zwischen Ausbeutung natürlicher Ressourcen und der Regenerationsfähigkeit des Planeten zu gewährleisten, sollten nicht mehr als 1,6 Hektar pro Person verbraucht werden.

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Erdöl-Konzern BP nutzt den ökologischen Fußabdruck für eigene Zwecke

Dass sich die Messgröße auf den einzelnen Menschen bezieht, sahen Werbetexter im Jahr 2004 als große Chance für einen Erdöl-Giganten. British Petrol, besser bekannt unter dem Kürzel BP, gilt neben Shell, Chevron und ExxonMobil als eines der Aushängeschilder der Industrie. Unter dem zunehmenden Druck der Öffentlichkeit und dem Eindruck klimawandelbedingter Extremwetterlagen verabschiedeten Parlamente mehrere wirtschaftsstarker Nationen in den frühen 2000er-Jahren schärfere Klimaschutzgesetze.

Um von der eigenen Verantwortung abzulenken, schuf die PR-Agentur Ogilvy & Mather die Öffentlichkeitskampagne "Beyond Petroleum". Mittels Werbe-Clips und einem eigens angelegten Berechnungstool zur persönlichen Treibhausgasemission sollte die Verantwortung für den Klimawandel auf die Konsumenten übertragen werden. So macht eine breite Öffentlichkeit erstmals Bekanntschaft mit dem ökologischen Fußabdruck, oder CO2-Abdruck, wie er manchmal auch genannt wird.

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CO2: Energiekonzerne versuchten, von eigener Verantwortung abzulenken

Wie der "Guardian" berichtete, soll der zweitgrößte nicht-staatliche Ölkonzern zwischen 2004 und 2006 über 100 Millionen Dollar für die Kampagne investiert haben. Kritische Medienberichte bezeichneten die PR-Strategie damals als "Ablenkungsmanöver", heute würde man "Greenwashing" sagen. Denn Kritiker sehen im ökologischen Fußabdruck einen billigen Kartenspielertrick, der von der Verantwortung großer Energiekonzerne für den Klimawandel ablenken soll.

Heutzutage nutzen nicht nur Ölkonzerne, sondern auch Klimaschutzorganisationen und Regierungsbehörden das Kennzahlensystem. Das Global Footprint Network standardisierte den Berechnungsschlüssel, der 1994 vom Schweizer Ökologen Mathis Wackernagel konzipiert wurde. Mithilfe des ökologischen Fußabdrucks ermitteln Wissenschaftler den Erdüberschusstag, der anzeigen soll, zu welchem Zeitpunkt der kollektive Verbrauch die Regeneration natürlicher Ressourcen übersteigt. In Deutschland war der "Earth Overshoot Day" dieses Jahr bereits am 4. Mai. Damit bräuchten wir bei fortschreitendem Konsum auf demselben Niveau rechnerisch drei Erden, um einen Kollaps des ökologischen Systems zu vermeiden.

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