Berlin. Katja Riemann kehrt in „Unsere wunderbaren Jahre“ in die Rolle der Nachkriegs-Unternehmerin zurück. Ein Gespräch über Veränderungen.

  • „Unsere wunderbaren Jahre“ ist für Katja Riemann zur Reise in die Vergangenheit geworden
  • Im Interview zur Miniserie blickt die Schauspielerin zurück
  • Es geht um die 60er Jahre, um die „68er“, den Vietnamkrieg und den RAF-Terror

Mit der zweiten Staffel der Miniserie „Unsere wunderbaren Jahre“ (ab heute in der ARD Mediathek, ab 11. März jeweils um 20.15 Uhr im Ersten) kehrt Katja Riemann (59) als knallharte Metall-Unternehmerin der Nachkriegszeit zurück. Die Schauspielerin selbst beobachtet die Veränderungen der Zeit genau – und hat Hochachtung vor der jungen Generation.

In „Unsere wunderbaren Jahre“ spielen Sie eine Frau, die mit harter Hand ein Großunternehmen leitet. Hätten Sie dazu auch persönlich Talent?

Katja Riemann: Hahaha, das ist lustig – ich bin Künstlerin, ich habe keine Ahnung von Großunternehmen. Es gäbe aber viel zu diesen zu sagen, angefangen von Maximallöhnen, die eingeführt werden könnten, bis hin zur Verantwortung, die so ein Unternehmen politisch und ökologisch mit sich bringt. Aber vielleicht wäre es gut, zukünftig Unternehmen eben nicht mehr in dieser Größe zu denken, sondern in Größenverhältnissen, die ein Mensch auch fassen kann.

Katja Riemann als Nachkriegsunternehmerin Christel Wolf. Die aktuelle STaffel spielt um 1968.
Katja Riemann als Nachkriegsunternehmerin Christel Wolf. Die aktuelle STaffel spielt um 1968. © WDR/UFA Fiction/Willi Weber | WDR/ARD

Was für Größenverhältnisse meinen Sie da?

Riemann: Wie Ulrike Herrmann in ihrem wunderbaren Buch „Das Ende des Kapitalismus“ schreibt, wäre es sinnvoll, zu der Wirtschaftsleistung von 1978 zurückzukehren. Da wird niemand etwas verlieren und wir alle würden von der Gesundheit des Planeten profitieren.

Die Miniserie spielt in den 60ern. Welche Bedeutung hat diese Zeit aus Ihrer Sicht?

Riemann: Ich denke, die sogenannten 68er haben das bundesrepublikanische Denken sehr stark geprägt: die Gleichzeitigkeit der Radikalisierung der RAF und des Vietnamkriegs, in der Folge die zweite Generation der RAF, der deutsche Herbst, die Großdemonstrationen gegen den NATO-Doppelbeschluss und für den Frieden, die Bildung der Grünen, der Fall der Mauer. Das bildet doch, retrospektiv betrachtet eine Gerade, in der Konsequenz der Ereignisse, die das nächste hervorgerufen hat.

Hätten Sie diese Aufbruchsstimmung Ende der 60er gerne bewusster erlebt?

Riemann: Ich weiß nicht, ob ich in der Zeit gern eine junge Erwachsene gewesen wäre. Ich glaube nicht. Der Ton war hart auf allen Seiten, scheint mir. Der Nationalsozialismus lag nicht lang zurück. Ehemalige Parteimitglieder und noch viel mehr Unterstützerinnen und Unterstützer des faschistischen Regimes waren in der Politik und allerorts zu finden.

Katja Riemann mit ihrer Tochter Paula Riemann (29), die ebenfalls Schauspielerin ist, und der Kollegin Aylin Tezel bei der diesjährigen Berlinale.
Katja Riemann mit ihrer Tochter Paula Riemann (29), die ebenfalls Schauspielerin ist, und der Kollegin Aylin Tezel bei der diesjährigen Berlinale. © dpa | Gerald Matzka

Wie sehr haben Sie sich im Lauf der Zeit mit Ihren Eltern über deren Vergangenheit ausgetauscht?

Riemann: Ich habe mich mit meinen Eltern ausgetauscht, das ist wichtig. Viel wurde geschwiegen, flächendeckend, aus Scham, aus Angst, aus Zorn, aus Ohnmacht. Es war wohl die Idee, etwas ungeschehen zu machen, in dem man darüber schweigt. Das ist ein Trugschluss, wie wir wissen. Genau das Gegenteil passiert durch dieses bleierne Schweigen.

Inzwischen ist ja eine neue junge Generation herangewachsen, die auf ihre Weise an den bestehenden Strukturen rüttelt. Was finden Sie an der bemerkenswert?

Riemann: Welche Generation meinen Sie? Die minderjährigen Menschen heutzutage, die in Klimafragen so aufgeklärt und gebildet sind wie vermutlich niemand vor ihnen? Oder jene zwischen 20 und 35, die komplizierte Studien machen und die Welt mitdenken? Oder die Kinder, die jahrelang während Corona zur Grundschule gingen und das so tapfer durchgestanden haben, obwohl gar nicht jeder einen Computer hatte oder Internetzugang oder Eltern, die mit ihnen üben können? Wer ist die junge Generation? An welchem Ort? In Deutschland? Oder in UK? Wo über die Köpfe junger Menschen hinweg ein Brexit entschieden wurde von den Alten, die das englische Weltreich zurückwollen? Oder junge Frauen in Afghanistan, die aus der Uni geflogen sind? Junge Männer in Syrien oder der Ukraine, die einen Krieg kämpfen, den sie nicht wollten? Oder junge Männer in den USA, People of Color, die in Gefängnissen sitzen, weil sie Gras vertickt haben und ihnen nun die Bürgerrechte aberkannt werden? Oder die mich tief beeindruckenden klugen jungen Aktivistinnen in Uganda, die sich bei den Fridays engagieren und der Welt vermitteln, dass die Klimakatastrophe längst unter uns wandelt? Oder ...

Okay, anders gefragt. Wie würden Sie kurz Ihr Verhältnis zu jungen Menschen generell beschreiben?

Riemann: Wir können viel von jungen Menschen lernen. Wir müssen an ihrer Seite gehen, wenn es uns schon nicht gelungen ist, sie und ihren Lebensort zu beschützen.

Man könnte annehmen, dass Ihnen all diese Umwälzungen Mut machen und seelische Sicherheit geben...

Riemann: Ich habe keine Hoffnung und meine seelische Stabilität ist aus dem Lot. Aber ich finde es sehr schön, dass Sie annehmen, dass dem so wäre.