Berlin. Wissenschaftler analysieren im Winter das Eis auf zugefrorenen Seen. Nun schlagen sie eine neue Faustregel für die Sicherheit vor.
Zugefrorene Seen sind im Winter ein beliebtes Ausflugsziel zum Eislaufen und Spazieren – aber auch ein gefährliches. Denn nach einer Studie kam ein internationales Forschungsteam nun zu einem besorgniserregenden Schluss: Die Eisflächen auf Seen scheinen im Laufe der Jahre immer weniger stabil zu werden. Sie fordern neue Maßnahmen.
Der Grund für die Veränderungen liegt dabei im Klimawandel und den ansteigenden Temperaturen. Langzeitaufzeichnungen zeigten bereits eine schnelle Abnahme der Zahl der Tage, an denen Seen im Winter zugefroren sind, berichten die Forschenden in einer Studie. Bei zahlreichen Seen sei zu erwarten, dass sie noch in diesem Jahrhundert dauerhaft eisfrei bleiben.
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Im Wesentlichen machen die Forschenden die Sicherheit der zugefrorenen Seen dabei an der Dicke und Art des Eises fest. Das Problem ist dabei das sogenannte "weiße Eis" – im Gegensatz zu dem in der Regel tragfähigeren schwarzen Eis. Was ist der Unterschied und woran erkennt man ihn?
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Zugefrorene Seen: Weißes Eis ist unsicherer als schwarzes Eis
"Weißes Eis entsteht zum Beispiel, wenn die Wasseroberfläche wiederholt gefriert, antaut und wieder gefriert", sagte Hans-Peter Grossart, Leiter der Forschungsgruppe Aquatische mikrobielle Ökologie am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) am Standort Stechlin in Brandenburg.
Auch Laien könnten weißes Eis erkennen, erklärt Grossart: "Es hat durch den Einschluss von Luft eine geringere Dichte und grobere Oberfläche, die beim Schlittschuhfahren bremst." Das häufigere Vorkommen dieser Art von Eis hänge damit zusammen, dass die Temperaturen mittlerweile im Winter öfter tagsüber über null Grad steigen und Kälteperioden nicht mehr so lange dauern wie früher.
Schwarzes Eis sei schon heutzutage seltener vorzufinden. "Schwarz ist das Eis, wenn ein See über Nacht bei starken Minustemperaturen zufriert", sagt Grossart. "Es ist ein durchsichtiges, schönes Eis, das spiegelglatt und damit toll zum Schlittschuhlaufen ist."
Studie über zugefrorene Seen gibt besorgniserregende Erkenntnis
Grossart war an der Studie beteiligt, für die zugefrorene Seen beprobt wurden. Die Studie unter Leitung der schwedischen Universität Uppsala ist bereits im Sommer im Fachblatt "Nature Communications" erschienen. Dafür haben die Forschenden im Winter 2020/21 wiederholt Proben von Eisschichten von 31 Seen in 10 Ländern auf der Nordhalbkugel genommen und analysiert. Bei zwei Seen lagen Langzeitdaten vor, die bis 1971 beziehungsweise 1996 zurückreichten und die zum Vergleich herangezogen wurden.
Die Untersuchungen liefen in einem der wärmsten Winter seit 1880, wie es hieß. Die Erkenntnisse sollten Anlass geben, die Regeln für das Betreten von Eisflächen zu überdenken, so die Forschenden.
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Denn meist fand sich in dem Zeitraum demnach instabiles weißes Eis, das zeitweise die komplette Eisschicht ausmachte. Der Anteil weißen Eises habe zudem im Laufe des Winters durch Schneefall und stetes Überfrieren – meist nachts – noch zugenommen. Es sei bereits beobachtet worden, dass es meist zu Saisonende, vor dem Abschmelzen der angetauten und wenig tragfähigen Eisschicht, zu tödlichem Einbrechen komme.
Eisflächen auf Seen: Schwarzes Eis trägt zehnmal so viel wie weißes
Bei einer Probenentnahme am Dagowsee bei Stechlin in Brandenburg sei das Forscherteam selbst erstaunt gewesen, wie dünn die vorgefundene Eisschicht mit circa nur zehn Zentimetern – überwiegend weißes Eis – war. "Es hielten sich zu dem Zeitpunkt mehrere Hundert Menschen auf dem See auf. Die Tragfähigkeit kann man also sehr leicht überschätzen."
Schwarzes Eis kann den Schätzungen der Forscher zufolge gut zehnmal so viel Last tragen wie ein gleich dickes und gleich großes Stück weißes Eis. Folglich bestehe bei großem Anteil weißen Eises ein viel höheres Risiko, trotz trügerisch tragfähig wirkender Eisdicke einzubrechen.
Zugefrorene Seen: Diese Faustregel schlagen Forschende vor
Die Eisbedingungen, die im Winter 2021 in Schweden beobachtet wurden, zeigten, dass Verhaltensanpassungen an eine wärmere Welt nötig seien, schreiben die Forscher. Während man in dem Land im Februar traditionell sicher aufs Eis habe gehen können, seien in dem Monat im Jahr 2021 zehn Menschen eingebrochen und gestorben – so viele wie noch nie seit Beginn entsprechender Beobachtungen im Jahr 2000.
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Als Faustregel schlagen die Forscher vor, die bisherigen Richtwerte für die für ein Betreten nötige Eisdicke zu verdoppeln. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) schreibt derzeit in ihren Tipps zum Betreten von Eisflächen unter anderem: "Betritt einen See erst, wenn das Eis 15 Zentimeter dick ist."
Zu den Erkenntnissen der aktuellen Studie sagte Grossart: "Es ist erschreckend zu sehen, wie stark sich die Systeme verändern." Die Eisqualität habe auch Konsequenzen für die Ökologie von Seen, weil sich die Lichtdurchlässigkeit unterscheide. Weißes Eis lasse weniger Licht durch, was zum Beispiel die Photosynthese von Algen verändere und damit letztlich Einfluss auf die gesamte Nahrungskette habe. (reba/dpa)
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