Berlin. Gesundheitsminister Lauterbach sollte umdenken: Statt seinen Corona-Alarmismus zu pflegen, sollte er sich um etwas anderes kümmern.

Dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der Beurteilung der Corona-Lage zum Team Vorsicht zählt, ist hinlänglich bekannt. Manche sagen, er gehöre zum Team Panikmache. Selbst in der Regierungskoalition ist sein Kurs mittlerweile äußerst umstritten.

Schon vor vielen Monaten hat der Minister erklärt, er wolle jedem Bürger und jeder Bürgerin das Angebot einer vierten Impfung machen. Und wer das will – das wissen wir aus den Anfangstagen der Impfkampagnen – der muss sich gut vorbereiten. Impfstoff bestellen, informieren, Kapazitäten schaffen, um die Vakzine tatsächlich verteilen und verimpfen zu können. Von heute auf morgen geht das nicht. Und wenn es hakt, gibt’s wütende Proteste. Wir erinnern uns.

Millionen Impfdosen laden auf dem Müll

Also hat der Minister groß eingekauft. Zwischen Dezember 2021 und Juni 2022 hat er mehr als 130 Millionen Dosen nachbestellt. Insgesamt sind es laut Bundesregierung seit Pandemiebeginn jetzt 660 Millionen Dosen für Deutschland bis 2023.

Lauterbach hat dies aus Überzeugung getan und in dem Wissen, dass die Öffentlichkeit wenig Gnade aufbringt für Politikerinnen und Politiker, die während einer Pandemie viel versprechen und wenig halten. Anfangs ist er für seine Tatkraft durchaus gelobt worden. Dass die Opposition ihn schon damals kritisierte – geschenkt.

Autor Kai Wiedermann
Autor Kai Wiedermann © Reto Klar | Reto Klar

Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Sehnsucht nach etwas mehr Normalität in bedrückenden Zeiten ist groß. Der dauermahnende Minister und seine vielen Aussagen zu Corona auf Twitter und im Fernsehen nerven. Viele denken sich: Jetzt ist doch mal gut. Wir haben es doch im Griff, einigermaßen.

Selbst das frühe Impfversprechen fällt Karl Lauterbach jetzt auf die Füße. Weil weder die Ständige Impfkommission, noch viele medizinische Fachgesellschaften eine vierte Impfung für alle empfehlen, ist das Interesse bei immungesunden jüngeren Menschen gering. Der bestellte Impfstoff bleibt liegen. Und da auch die von Deutschland gezeigte Bereitschaft zur Spende ins Ausland kaum nachgefragt wird, landen Millionen Impfdosen im Müll. Unfassbar.

Die Energiekrise hat die Gesundheitskrise überlagert

Lauterbachs Tatkraft hat sich zu einer Fehleinschätzung entwickelt. Sie kostet viel Steuergeld. Teure Entscheidungen im Angesicht der Pandemie kennen wir bereits – von Masken, Tests oder Impfzertifikaten. Auch dafür haben wir Milliarden rausgehauen, die nicht immer klug investiert waren. Jetzt aber schmerzt das umso mehr, da der Staat das Geld bräuchte, um die Bürgerinnen und Bürger von den extremen Preisanstiegen bei Gas und Strom zu entlasten.

Die Energiekrise hat die Gesundheitskrise überlagert. Wer hätte das vor einem Jahr gedacht. Von Karl Lauterbach und der Bundesregierung müssen wir verlangen, dass sie die Zeichen erkennen: ein fast zwanghaft vorgetragener Alarmismus samt Gefasel von neuen Killervarianten ist unangemessen.

Corona ist weiter sehr gefährlich für Alte und Kranke und auch das Long-Covid-Thema ist nicht vom Tisch. Doch die Impfung hat die Situation extrem verbessert. Statt Angst zu verbreiten, sollte der Minister als Teil der Politik sachlich aufklären und weiter dafür werben, die noch immer bestehenden Impflücken zu schließen. Das ist der beste Weg, die Pandemie zu beenden.

Darüber hinaus sollte sich Lauterbach mit seinen Kolleginnen und Kollegen in Europa mit einem Problem beschäftigen, das die Zukunft betrifft. Deutschland muss sich dafür einsetzen, das Verfahren bei der Zulassung angepasster Corona-Impfstoffe zu durchleuchten.

Muss es wirklich so lange dauern, dass die angepassten Vakzine einsatzbereit sind? Oder gibt es Hürden, die abgebaut werden können, ohne die Sicherheit Geimpfter zu gefährden? Das Virus mutiert weiter. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Diesmal wirklich.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.