Berlin. Ravensburger verkauft ein Buch zum “Winnetou“-Film. Nun nimmt der Verlag es nach viel Empörung aus dem Programm. Das ist der Grund.

Eigentlich sollte das Buch "Der junge Häuptling Winnetou" des Ravensburger Verlags eine Ergänzung zum gleichnamigen Kinderfilm sein. Der Streifen läuft seit dem 11. August in deutschen Kinos, zeitgleich bewarb der Verlag das dazu passende Kinderbuch, ein Erstlesebuch, ein Puzzle und ein Stickerbuch. Nicht einmal zwei Wochen später ist damit Schluss: Ravensburger nimmt alle Winnetou-Produkte aus dem Programm.

Damit reagiert Ravensburger auf Kritik in den sozialen Netzwerken, nach der die Neuinszenierung des Karl May-Charakters rassistische Stereotype aus der Kolonialisierung indigener nordamerikanischer Völker bediene. Schon länger machen Aktivistinnen und Aktivisten darauf aufmerksam, dass sogenannte "Indianer"-Romane den Völkermord an indigenen Stämmen falsch darstellen und romantisieren.

Auf Instagram publizierte Ravensburger dafür nun eine umfassende Erklärung mit einer Entschuldigung. "Wir haben die vielen negativen Rückmeldungen zu unserem Buch 'Der junge Häuptling Winnetou' verfolgt und wir haben heute entschieden, die Auslieferung der Titel zu stoppen und sie aus dem Programm zu nehmen", korrigierte der Verlag seine Produktankündigung vom 11. August.

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Ravensburger: Bereits Filmjury hatte Probleme mit Winnetou-Streifen

"Die Entscheidung, die Titel zu veröffentlichen, würden wir heute nicht mehr so treffen", hieß es weiter. Die Redakteure und Redakteurinnen beschäftigten sich demnach "intensiv mit Themen wie Diversität oder kultureller Aneignung" und prüften Inhalte vor Veröffentlichung auf sensible Themen. Hier sei ihnen das nicht gelungen, so Ravensburger.

Tatsächlich hatte nach eigenen Angaben auch die Jury der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) ihre Probleme mit dem Kinotitel. Auf der Homepage der FBW heißt es in einer Erklärung zu "Der junge Häuptling Winnetou", die Jury sei in ihrer Bewertung "absolut gespalten" gewesen.

Mika Ullritz (l) als Winnetou und Milo Haaf als Tom Silver in einer Szene des Films
Mika Ullritz (l) als Winnetou und Milo Haaf als Tom Silver in einer Szene des Films "Der junge Häuptling Winnetou" © -/Leonine/dpa

Rassismus-Kritik: Winnetou-Erzählung "eine Lüge"

Während manche Jurymitglieder als deutlich erkennbare, fiktive "Märchen" einstuften, bezeichneten andere den Kinderfilm demnach als "kitschiges rückwärtsgewandtes Theaterstück, das nichts mit der Realität zu tun habe". Demnach sei die idyllische Karl May-Darstellung "eine Lüge, welche den Genozid an den Ureinwohnern Amerikas und das ihnen zugefügte Unrecht der Landnahme der weißen Siedler" ausblende.

Weiße Siedler löschten in Nord- und Südamerika zahlreiche indigene Stämme aus, indem sie Infektionskrankheiten einschleppten oder ihre Mitglieder versklavten und ermordeten. Auch während der Verteidigungskriege gegen die Kolonialherren starben auf beiden Seiten Tausende Kämpfende.

Nichstdestotrotz setzte sich bei der Bewertung des aktuellen Kinderfilmes am Ende der Juryteil durch, der die liebevoll-fantasievolle Darstellung des aktuellen Winnetou-Filmes lobte: Der Film erhielt von der FBW das Prädikat "besonders wertvoll". Das dürfte auch der FilmFernsehFonds Bayern (FFF) so gesehen haben: Die Förderung unterstützte die Produktion bereits im Jahr 2019 mit 950.000 Euro – der Höchstsumme im Bereich Kinofilm. Zur aktuellen Diskussion um Film und Buch äußerte sich der FFF bisher nicht.

Ravensburger: Boykott wegen Entscheidung über Karl Mays Winnetou

Für eine Spaltung sorgte nun allerdings auch der Verkaufsstopp der Produkte im Ravensburger Verlag – wenn auch in erster Linie bei den Nutzern und Nutzerinnen in sozialen Medien. Zahlreiche Kommentierende bezeichneten die Entscheidung als "albern", manche drohten dem Verlag sogar mit Boykott.

"Kinderbücher sind schön und verklären ein wenig die Welt, das ist gut so", schrieb der grüne Medienrechtsanwalt Carsten Brennecke bei Twitter. Selbst der CDU-Bundestagsabgeordnete Tino Sorge kritisierte die Entscheidung von Ravensburger: Wer Kindern heute Helden wie Winnetou und Old Shatterhand verwehre, dem sei "nicht mehr zu helfen", twitterte der Politiker.

Gegenüber dieser Redaktion kritisierte auch der Berliner Schriftsteller Wladimir Kaminer die Pläne des Verlags. Seiner Meinung nach gehe es in den Büchern nicht um eine koloniale Vergangenheit, sondern um "menschliche Werte", die zu Karl Mays Zeit wichtig waren.

Der Ravensburger Verlag selbst will solche Situationen in Zukunft von Anfang an anders bewältigen. "Wir können euch versichern: Wir lernen daraus!", erklärte der Kinderbuch-Verlag auf Instagram. Ob in Zukunft noch mehr bekannte Produkte aus dem Sortiment verschwinden werden oder es gar nicht erst als Neuauflage in den Verkauf schaffen, bleibt offen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.