Ansbach/Neusitz. Fast 200 Tiere verhungerten qualvoll. Ein Bauer kam jetzt mit einer Bewährungsstrafe davon. Der Grund: Überforderung und Depressionen.

Der hölzerne Maststall liegt abseits des Dorfes inmitten von hügeligen Feldern. Den Streifenpolizisten bot sich ein grauenvolles Bild, als sie den mittelfränkischen Bretterbau nach einem anonymen Hinweis betraten: 171 tote Rinder lagen in dem Stall herum – qualvoll verhungert oder verdurstet. Zwischen den Kadavern entdeckten die Beamten 50 noch lebende Tiere. Sie waren in einem so schlimmen Zustand, dass sie wenig später getötet werden mussten.

Verantwortlich dafür ist, so sieht es die Staatsanwaltschaft, der Leiter des Mastbetriebs. Der 44-Jährige soll dem Vieh weder ausreichend Futter und Wasser gegeben noch einen Tierarzt gerufen haben. „Wir gehen davon aus, dass die Tiere über einen längeren Zeitraum nicht versorgt wurden“, sagt Michael Petzold vom Polizeipräsidium in Nürnberg.

Bauer lässt Tiere verhungern: Tiermisshandlungen kein Einzelfall

„Fakt ist, dass die Tiere extrem vernachlässigt waren.“ Wegen Tiermisshandlung musste sich der Bauer vor dem Amtsgericht Ansbach verantworten und wurde zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren und zu einem lebenslangen Tierhaltungsverbot verurteilt. Lesen Sie auch: Online-Psychotherapie: Helfen Apps gegen Depressionen?

Tiermisshandlungen sind kein Einzelfall. Vor Jahren wurde ein Landwirt aus dem Hunsrück wegen Tierquälerei verurteilt, weil er 160 Schweine in seinem Stall verhungern ließ. Die Zustände hätten „selbst die Vorstellungskraft der Veterinäre übertroffen“, zeigte sich die Kreisverwaltung schockiert. Zuletzt hatte ein Tierschutzskandal im Allgäu für Entsetzen gesorgt: Videoaufnahmen zeigten überfüllte Ställe und im Kot liegende Tiere.

Familiäre Spannung und Überforderung durch die Corona-Krise

Der Verteidiger des 44-Jährigen sagte, dass sein Mandant schon länger mit der Arbeit in seinem Mastbetrieb überfordert gewesen sei und unter familiären Spannungen gelitten habe. In der Corona-Krise habe sich die Situation dramatisch verschlechtert, weil er die Rinder nicht mehr verkaufen konnte. „Das war der Zeitpunkt, wo bei ihm Verzweiflung eingesetzt hat.“ Er sei in Depressionen abgeglitten, habe sich mit Alkohol betäubt. Nach dem Fund der Tiere sei er endgültig zusammengebrochen und in psychiatrische Behandlung gekommen.

Es sei immer „ein Zusammenbruch des Menschen, der einen Zusammenbruch des Betriebes nach sich zieht“, so Tierarzt Edgar Schallenberger. Er kennt als Vertrauensmann für Tierschutz in der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein viele Bauern. Kein Landwirt sei ein geborener Tierquäler. Doch der Druck steige seit Jahren, immer mehr erkrankten an Depressionen oder litten an einem Burn-out.

Studien zeigen: Landwirte sind stärker von Burn-Out betroffen als Restbevölkerung

Einer Schweizer Untersuchung zufolge sind zwölf Prozent der Landwirte Burn-out-gefährdet – gegenüber sechs Prozent in der Gesamtbevölkerung. Eine französische Untersuchung kam auf 20 Prozent mehr Selbstmorde von Landwirten als im Durchschnitt. Und eine finnische Studie besagt, dass die Hälfte aller Burn-out-Patienten in der Landwirtschaft arbeiten. Eine Folge: Einige der depressiven Bauern vernachlässigen ihre Tiere, weil sie nicht mehr können.

Oft seien Generationenkonflikte um die Hofnachfolge, Eheprobleme sowie Überforderung wegen hoher Auflagen und Dokumentationspflichten die Ursache für psychische Probleme, heißt es von der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Lesen Sie auch: Niederlande: Königin Máxima spricht offen über Depressionen