Berlin. Für welche Personengruppen macht ein zweiter Corona-Booster Sinn? Was Forscher und die Ständige Impfkommission zu dieser Frage sagen.

Die Corona-Zahlen sind weiterhin hoch und nach der vorerst gescheiterten Impfpflicht stellt sich die Frage: Wie schützt man sich am besten vor dem Virus, wenn sich noch immer so viele Menschen infizieren?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte vor einigen Tagen, er wolle eine Diskussion anstoßen, "ob wir nicht eine europäische Empfehlung für die vierte Dosis der Impfung bekommen bei den Über-60-Jährigen". Eine weitere Impfung könne die Sterblichkeit im Vergleich zur dritten Dosis noch einmal um 80 Prozent reduzieren, wie Daten aus Israel ergeben hätten, sagte Lauterbach. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur zweiten Booster-Impfung.

Zweite Booster-Impfung: Was sagt die Ständige Impfkommission?

Seit Mitte Februar rät die Stiko angesichts der Omikron-Welle bestimmten Gruppen dazu: Menschen ab 70, Bewohnern von Pflegeeinrichtungen sowie Menschen mit Immunschwäche ab fünf Jahren. Wegen der Ausbruchsgefahr sind auch Beschäftigte von Einrichtungen wie Kliniken und Pflegeheimen einbezogen. Bei gesundheitlicher Gefährdung rät die Stiko, die zweite Auffrischung frühestens drei Monate nach der ersten vorzunehmen. Bei Gesundheits- und Pflegepersonal soll es mindestens ein halbes Jahr Abstand sein.

Zweite Booster-Impfung: Welche Daten gibt es?

Eine erste Untersuchung zur vierten Spritze gibt es aus Israel. Daten zu mehr als 560.000 Menschen zwischen 60 und 100 Jahren, die teils nur dreimal, teils bereits ein viertes Mal geimpft wurden, sind im März als Preprint erschienen - also noch ohne die bei Studien übliche externe Begutachtung. Ergebnis: Die Sterblichkeit durch Covid-19 sei in der vierfach geimpften Gruppe um 78 Prozent verringert gewesen, verglichen mit der Gruppe der nur Geboosterten.

Ein genauerer Blick in die Daten zeigt: Die Unterschiede zwischen den verglichenen zwei Gruppen aus drei- beziehungsweise vierfach Geimpften sind minimal, wie der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Reinhold Förster, sagte: "Beide Gruppen haben bei Omikron ein sehr geringes Sterberisiko durch Covid-19."

Die Angaben zur verringerten Sterblichkeit basierten daher auf relativ kleinen absoluten Zahlen. Bei den 60- bis 69-Jährigen zum Beispiel starben laut Preprint fünf der rund 111.800 vierfach Geimpften und 32 der rund 123.800 dreifach Geimpften. Forscher halten die Datenlage daher noch für zu dünne.

Israel: Vierte Corona-impfung erhöht Zahl der Antikörper um das Fünffache

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    Booster-Impfung Nummer zwei: Was empfiehlt die EU?

    Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hält derzeit eine vierte Corona-Impfung für alle Bürger nicht für notwendig. Für eine generelle Empfehlung sei es momentan zu früh, teilte die EMA am Mittwoch in Amsterdam gemeinsam mit der EU-Gesundheitsbehörde ECDC mit. Eine vierte Dosis könnte aber für Menschen ab 80 Jahren sinnvoll sein angesichts des höheren Risikos einer schweren Covid-Erkrankung in dieser Altersgruppe.

    "Für Erwachsene ab 60 Jahre mit einem normalen Immunsystem gibt es zur Zeit keine schlüssigen Beweise, dass der Impfschutz gegen eine schwere Erkrankung abnimmt und dass eine vierte Dosis einen Mehrwert hat", erklärten die Behörden. Es gebe aber auch keine Sicherheitsbedenken gegen eine zweite Auffrischungsimpfung.

    Kann eine zweite Booster-Impfung Nachteile haben?

    Die Antwort auf diese Frage lautet: theoretisch ja. Bedenken haben Wissenschaftler, da völlig unklar ist, welche Virusvarianten in einigen Monaten vorherrschen, welche Impfstoffe es dann gibt und was das wiederum für die Impfempfehlungen zum Winter hin bedeutet.

    Für den Immunologen Andreas Radbruch vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin sprechen etwa die derzeit "relativ harmlose Virusvariante" und eine "exzellente" Grundimmunisierung momentan gegen Viertimpfungen für weitere Gruppen: "Durch eine vierte Impfung jetzt nehmen wir uns die Möglichkeit, im Herbst durch angepasste Impfstoffe auf eine vielleicht gefährlichere Virusvariante noch zu reagieren, weil das Immunsystem dann eventuell gar nicht mehr oder nur noch sehr schwach reagiert." (dpa/les)

    Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.