Berlin. Gesundheitsminister Karl Lauterbach sieht Deutschland wieder in einer schweren Corona-Welle. Er will, dass die Länder gegensteuern.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach geht von einer gigantischen Dunkelziffer bei den Corona-Infektionszahlen aus: Täglich würden derzeit rund 300.000 Neuinfektionen gemeldet. „Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl mehr als doppelt so hoch ist“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin.

Lauterbach appellierte an die Länder, die Hotspot-Regel im Infektionsschutzgesetz zu nutzen: „Wir können es so nicht laufen lassen.“ Darüber hinaus mahnte der Minister die noch Ungeimpften, sich so schnell wie möglich impfen zu lassen. „Sie müssen damit rechnen, dass Sie sich in den nächsten Tagen anstecken werden.“

Vierte Impfung: Lauterbach will, dass Stiko Empfehlung ausweitet

Wichtig, so Lauterbach, sei es jetzt auch, die Angebote für eine vierte Impfung deutlich auszubauen: Bislang hätten erst zehn Prozent der Menschen, für die die vierte Dosis empfohlen sei, diesen zweiten Booster bekommen. Aktuell gebe es eine Empfehlung für die 13,5 Millionen Menschen über 70 Jahre und für alle Patienten mit Immundefekten und anderen schwerwiegenden Risikofaktoren.

"Wir können es nicht lassen, wie es derzeit ist": Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. © dpa

Lauterbach erklärte, er habe die Ständige Impfkommission (Stiko) gebeten, die Empfehlung auf die Gruppe der über 60-Jährigen auszuweiten. Er empfehle jedem, der über 60 sei und Risikofaktoren wie etwa Diabetes habe, sich um eine vierte Impfung zu kümmern. Bereits eine Woche nach diesem erneuten Booster zeige sich bereits ein Effekt beim Immunschutz.

Corona-Fälle: Krankenhäuser stehen wieder unter Druck

Lauterbach will am Montag beim Treffen der Gesundheitsminister der Länder erneut für strengere Corona-Maßnahmen werben. Während die Intensivstationen aktuell deutlich weniger belastet sind als in den vergangenen Wellen, stehen die Krankenhäuser aktuell wegen der vieler Infektionsfälle auf den Normalstationen und beim Klinikpersonal unter Druck. In vielen Kliniken sei bereits jeder zweite Mitarbeiter infiziert und falle für die Versorgung aus, Eingriffe müssten verschoben werden.

Lauterbach drängt Bundesländer zur Nutzung der Hotspot-Regelung

Ärztevertreter bestätigen das: In allen Bundesländern sei die Belastung hoch, erklärte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna. Noch sei nicht jedes Krankenhaus betroffen, eine Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft hatte allerdings ergeben, dass bereits 75 Prozent der Kliniken ihr reguläres Angebot wieder zurückfahren würden. Die Uniklinik Münster etwa, so Johna, könne im Wesentlichen nur noch Notfälle behandeln.

Man müsse jetzt unmittelbar und schnell reagieren, so Lauterbach: „Wir können es so nicht lassen, wir müssen unbedingt die Hotspot-Regelung nutzen.“ Mit der Hotspot-Regel können die Länder über die Basisschutzmaßnahmen hinaus deutlich strengere Regeln beschließen – etwa eine weitreichende Maskenpflicht oder 2G/3G-Regeln. Mecklenburg-Vorpommern ist derzeit eines der wenigen Länder, die bereits angekündigt haben, diese Option zu nutzen.

Bayern, NRW, Hessen & Co.: Diese Bundesländer gehen einen anderen Weg

Die Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und des Saarlands wollen einen anderen Weg gehen. Sie verlangen von der Bundesregierung eine Verlängerung der noch bis 2. April möglichen strengeren Corona-Maßnahmen um weitere vier Wochen. Das würde den Ländern ermöglichen, die noch geltenden Schutzmaßnahmen beizubehalten, ohne dass dafür Beschlüsse der Landesparlamente notwendig seien, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Freitag.

Ob nach dem 2. April im Einzelhandel weiterhin Maskenpflicht gilt, ist regional unterschiedlich.
Ob nach dem 2. April im Einzelhandel weiterhin Maskenpflicht gilt, ist regional unterschiedlich. © Tobias Hase/dpa

Die deutschen Amtsärzte warnten unterdessen vor einem Regel-Wirrwarr: „Das Virus macht nicht an Ländergrenzen halt und die Menschen machen es in ihrer Mobilität auch nicht“, sagte die Vize-Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Elke Bruns-Philipps, unserer Redaktion. „Es ist absurd, wenn jemand, der von Niedersachsen nach Hamburg fährt, sich im Vorfeld jedes Mal informieren muss, wo und wann welche Maskenpflicht gilt oder ob ein Impfnachweis nötig ist.“ Aktuell sei zu befürchten, dass es am Ende mindestens 16 verschiedene Modelle in den Ländern gebe. Die Pandemiebekämpfung dürfe nach dem 2. April nicht zu einem unüberschaubaren Flickenteppich führen.

Wichtig sei es zudem, dass sich Bund und Länder auf kluge Kriterien für die Beurteilung der Pandemielage einigen würden. Die Überlastung der Krankenhäuser lasse sich zwar dadurch feststellen, dass Kliniken keine neuen Patienten mehr aufnehmen könnten. „Doch in einem solchen Moment ist es schon zu spät. Wer dann erst handelt und die Regeln verschärft, entlastet die Kliniken frühestens zwei bis drei Wochen später.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.