Berlin. Irgendwo zwischen Homeoffice und Küche versucht „Team Lockerungen“, mich auf seine Seite zu ziehen. Wie lange halte ich noch durch?

Die Skifahrer kehren jetzt mit Corona zurück. Sie erzählen mir von traumhaften Pisten, entspannter Atmosphäre, guten Preisen, gutem Essen – „und so ganz ohne diesen dummen Ski-Gaudi“. Dass sie Omikron trotzdem erwischt hat irgendwo zwischen Zugspitze, Dolomiten und Matterhorn, „das war es zu 100 Prozent wert“, werfen sie mir, die mit ihrer Familie den Skiurlaub in Südtirol abgesagt hat, entgegen. Ein wenig Halsweh, bisschen Husten, etwas schlapp, das sei alles.

Unser Schulkind wird derweil unter besten Corona-Bedingungen unterrichtet. Denn auch in den Oberstufen-Kursen fehlen die Ski-Urlauber – und diejenigen, die auch kurz vor dem Abitur die Aufhebung der Präsenzpflicht noch mal so richtig ausnutzen und sich ausschlafen nach den abendlichen Bar-Besuchen, die sie so lange machen, bis sie ohnehin wegen eines positiven Testergebnisses zu Hause bleiben müssen.

„Wir sind geboostert. Wir tragen Masken. Jetzt haben wir keine Lust mehr“

Zu Beginn des dritten Corona-Jahres „holen wir jetzt unser Leben zurück“, lautet das Glaubensbekenntnis von all denen, die sich zum „Team Lockerungen“ zählen. „Wir sind doch geboostert. Wir haben doch alles mitgemacht. Wir haben einfach keine Lust mehr auf Corona.“

Ich gehöre zum „Team Vorsicht“. Eigentlich. Doch immer öfter durchschüttelt mich in den vielen stillen Momenten der Gedanke: Und wenn ich mir jetzt Omikron hole, wäre das so schlimm?

Schnell holt mich dann „Team Vorsicht“ zurück zu den Realitäten. „Selbst ein milder Verlauf kann ganz schön krank machen“, flüstert es. „Du weißt nichts über die Spätfolgen.“ „Denk‘ an Long Covid.“ „Denk an die Alten.“ „Denk an deine Studenten-Tochter, die mitten in wichtigen Prüfungen steckt.“

Team Lockerungen flüstert: In der Kälte auf dem Fahrrad – wie ungesund

„Team Lockerungen“ kontert: „Long Covid, das ist doch nur ein Hirngespinst von Hypochondern.“ „Sollen doch die Alten zu Hause bleiben.“ Und die Tochter? „Die ist erwachsen, wohnt nicht bei dir, die hält es aus, wenn du sie ein paar Tage nicht siehst.“

Noch ist es „Team Vorsicht“, dass mich bei Hagel und Sturm aufs Rad zwingt, statt mich in die volle U-Bahn zu pressen. Wenn ich mich dann in der Badewanne aufwärme, raunt mir wieder „Team Lockerungen“ zu: „Ist auch nicht gesund, so halb erfroren nach Hause zu kommen.“

„Team Vorsicht“ zwingt uns Eltern ins Homeoffice; zwingt uns, Abend für Abend selbst zu kochen; doch spätestens, wenn ich mit nicht gründlich genug abgespülten Chili-Spuren an meinen Händen die Kontaktlinsen am Abend herausnehme, während der Gatte und das Teenie-Kind streiten, wer die dritte Spülmaschinenfüllung des Tages ausräumt, meldet sich „Team Lockerungen“: „Du, bei dir um die Ecke, da ist doch der Asiate mit dem besten Crunchy-Sushi der Stadt.“

Es hat leichtes Spiel, denn in meinen Augen brennt es wie Feuer, und mich nervt der Streit um die Alltäglichkeiten. „Morgen gehen wir zum Asiaten“, rufe ich, während ich die Augen mit Kochsalzlösung durchspüle.

Die Corona-Viren schwirren bunt vor meinem geistigen Auge umher

Hat keine Lust mehr auf Homeoffice: Birgitta Stauber
Hat keine Lust mehr auf Homeoffice: Birgitta Stauber © FUNKE Foto Services | Reto Klar

„Der mit dem Crunchy-Sushi“ ist allerdings auch in Corona-Zeiten überfüllt. Die Kellner tragen ihre Maske am Kinn, werfen nur einen flüchtigen Blick auf den Impfstatus der Gäste. Familien drängeln sich mit Kleinkindern auf dem Schoß. Jugendliche sitzen vor riesigen Cocktail-Gläsern, aus denen Trockeneis dampft.

Wir warten darauf, dass uns ein Tisch zugewiesen wird, und schon bekommt „Team Vorsicht“ Oberwasser, lässt vor meinem geistigen Auge bunte Coronaviren durch das Restaurant schwirren.

Ich überprüfe den Sitz meiner FFP2-Maske und sage zum Kellner, der geschäftig dabei ist, einen Tisch für uns abzuwischen: „Tut mir leid, uns ist es zu voll hier.“ Wir bestellen „To go“ und warten mit unseren Masken vor der Tür auf unsere Tüte.

„Team Vorsicht“ hat gewonnen. Ach, Mensch, ganz ehrlich, wäre es doch nicht immer so dominant.

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