Berlin. In der Corona-Pandemie hat sich das Homeoffice etabliert. Doch am 20. März fällt die Homeoffice-Pflicht. Müssen jetzt alle ins Büro?

  • In zwei Jahren Pandemie hat sich das Homeoffice in Deutschland etabliert
  • Die Pflicht, wenn möglich von zu Hause aus zu arbeiten, soll aber bald enden
  • Heißt das, dass jetzt alle Menschen zurück ins Büro müssen?

In der Pandemie haben sich Büroarbeiter ans Homeoffice gewöhnt. Ab dem 20. März müssen Millionen von ihnen wohl zurück in die Büros. Für viele ein Schock, für andere eine Erleichterung, für fast alle: ein Bruch im Alltag. Ist das Arbeiten zu Hause ein Auslauf- oder ein Zukunftsmodell?

Am 19. März läuft die gesetzliche Verpflichtung zum Homeoffice aus. Während der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) von der Bundesregierung "Augenmaß" beim weiteren Vorgehen verlangt, sind die Arbeitgeber strikt gegen eine Verlängerung – und haben ihren Willen bekommen. Bund und Länder haben auf dem Corona-Gipfel beschlossen, die Homeoffice-Pflicht nicht zu verlängern.

Allerdings verweist die Bundesregierung eindrücklich darauf, dass Arbeitgeber auch weiterhin Homeoffice anbieten können, wenn das von den Beschäftigten gewünscht ist. Zumal dies auch dem betrieblichen Infektionsschutz dienen können. Beispielsweise wenn sich statt im Homeoffice die Mitarbeiter wieder im Großraumbüro drängen.

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Hoemoffice: DGB und Arbeitgeber streiten über mobiles Arbeiten

Eine Verlängerung sei "überflüssig", hatte zuvor bereits Hauptgeschäftsführer der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, unserer Redaktion gesagt. "Das gilt erst recht für einen Anspruch auf mobile Arbeit", stellte er klar. Mit "starren Gesetzgebungen" und einem "stumpfen Anspruch" erreiche man nichts. Die Möglichkeit der mobilen Arbeit werde dort, wo sie in den Betrieben möglich sei, "weiter verantwortungsvoll und im gegenseitigen Einvernehmen genutzt".

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist nach eigenen Worten dafür, "dass wir aus dem coronabedingten ungeplanten Großversuch zum Homeoffice grundlegende Konsequenzen ziehen." Er sagte unserer Redaktion, "mein Ziel ist es, den Beschäftigten den Rücken zu stärken, die mobiles Arbeiten stärker in ihren Arbeitsalltag einbauen möchten." Zu Hause zu arbeiten sei für Millionen von Menschen zur neuen Normalität geworden.

Die Koalition habe verabredet, dass die Beschäftigten ihren Wunsch nach Homeoffice zukünftig mit dem Chef oder der Chefin erörtern können. Wenn diese das ablehnen wollen, müssten betriebliche Gründe dagegenstehen. Zugleich müsse klar sein, dass Arbeit auch zu Hause Grenzen habe: "Feierabend bleibt Feierabend, egal ob im Büro oder am heimischen Schreibtisch.“

Das Bundesarbeitsministerium verfügt nach eigenen Angaben über keine genauen Zahlen darüber, "wie viele Unternehmen in Deutschland Vereinbarungen zu mobiler Arbeit getroffen haben". Es weiß insbesondere nicht, in wie vielen Betrieben Arbeitgeber und Arbeitnehmer diese Möglichkeit auch für die Zeit nach der Pandemie vereinbart haben.

Arbeiten von zu Hause aus? In der Pandemie hat sich das etabliert.
Arbeiten von zu Hause aus? In der Pandemie hat sich das etabliert.

Mobiles Arbeiten in 175 Tarifverträgen längst verankert

Klar ist, dass rund 100 Tarifverträge Homeoffice und in weitaus mehr Fällen – 175 Mal – mobile Arbeit regeln. Mobile Arbeit kann überall erbracht werden, Homeoffice zu Hause. Dann muss der Arbeitgeber auch dafür Sorge tragen, dass der Arbeitsplatz dort den gleichen Anforderungen wie im Betrieb entspricht.

Anja Piel vom DGB-Vorstand mahnte, der Arbeits- und Gesundheitsschutz für Beschäftigte müsse weiter oben auf der Prioritätenliste bleiben. Unabhängig von der Pandemie wolle ein großer Teil der Beschäftigten flexibel arbeiten in einem gesunden Mix aus mobiler Arbeit und Präsenz im Büro. Zwei Drittel der Arbeitgeber wollten nach der Pandemie hingegen wieder zurück zum alten Status Quo. "Diesen Interessenkonflikt muss die Ampel dringend zugunsten von Beschäftigten auflösen", sagte Piel unserer Redaktion.

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Homeoffice: Mobiles Arbeiten kann laut DGB zur "Win-Win-Situation" werden

Piel forderte, "damit Ansprüche gegen unwillige Arbeitgeber besser durchgesetzt werden können, brauchen Beschäftigte einen verbindlichen Rechtsanspruch." Bei der Einführung von Homeoffice müssten Betriebsräte mitreden. Außerdem müsse der Gesundheitsschutz gut geregelt sein. Dafür braucht es eine ordentliche Ausstattung, moderne Technik und Regeln gegen Entgrenzung von Arbeit. Im besten Fall seien Beschäftigte "zufriedener, gesünder und produktiver" – und Home Office eine "Win-Win-Situation.“

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Die Gewerkschaften selbst haben ein zwiespältiges Verhältnis zum Homeoffice. Die Ansprache der Belegschaften in den Betrieben sei in der Pandemie schwieriger geworden, räumte DGB-Chef Reiner Hoffmann ein. Nicht zuletzt erschwerte Homeoffice die Mitgliederwerbung. Dass die Gewerkschaften 2021 den Verlust von über 120.000 Mitgliedern nicht ausgleichen konnten, wird auch auf Homeoffice zurückgeführt.

Mitarbeiter glauben, dass sie beim mobilen Arbeiten effektiver sind

Vor der Pandemie haben nur knapp zehn Prozent aller abhängig Beschäftigten in Deutschland gelegentlich von zuhause gearbeitet. In der Spitze waren es während der Pandemie– im Februar 2021 – fast die Hälfte, 49 Prozent. Viele Beschäftigte haben laut Umfragen positive Erfahrungen gemacht, aber auch "potenzielle Nachteile und Schattenseiten" benannt: Isolationsgefühle, Klagen über fehlenden Kontakt, beziehungsweise schwierige Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen, wie es in einem Report ("Homeoffice nach fast zwei Jahren Pandemie") vom Institut der Deutschen Wirtschaft (DIW) heißt.

Überwiegend wird von einer höheren Effektivität berichtet. Im Homeoffice werden Mitarbeiter seltener durch Unterbrechungen in ihrer Arbeit gestört – und können auf der anderen Seiten schlechter von der Arbeit abschalten. Eine US-Studie kommt zum Ergebnis, dass Beschäftigte durchschnittlich 54 Minuten täglich für die Hin- und Rückfahrt zum Arbeitsplatz benötigen – diese Pendelzeiten konnte man sich im Home Office sparen.

Ampel plant einen "Erörterungsanspruch" auf mobiles Arbeiten

Die Ampel-Koalition hatte sich auf einen Erörterungsanspruch geeinigt. Einen konkreten Gesetzentwurf hat Arbeitsminister Heil allerdings noch nicht eingebracht.

Selbst in der High-Tech-Branche im Silicon Valley sind nicht alle im Homeoffice, wie eine Auflistung des DIW zeigt. Bei Adobe können fünfzig Prozent der Mitarbeiter zu Hause arbeiten, bei Google wird ein Anteil von 60 Prozent akzeptiert. Bei Apple sollen die Mitarbeiter an zwei Tagen in der Woche zu Hause arbeiten, bei Facebook und Intel kann jeder beantragen, zu Hause seinem Job nachzugehen, bei Twitter sogar dauerhaft.