München. Hollywoodstar Halle Berry über Mutterrollen, warum sie gerne ins Risiko geht und wie sie nach 30 Jahren über das Filmgeschäft denkt.

Halle Berry gehört zu den höchstbezahlten Filmstars in Hollywood und ist bis heute die einzige Afroamerikanerin, die einen Oscar als beste Schauspielerin gewann. Das war vor 20 Jahren für ihre Rolle in „Monster’s Ball“.

In Roland Emmerichs Katastrophen-Movie „Moonfall“ ist sie eine Ex-Astronautin, die zum Mond fliegt, um die Welt zu retten. Im Zoom-Interview aus Los Angeles erleben wir die 55-Jährige als sympathische, selbstbewusste Frau ohne Starallüren.

Mrs. Berry, ursprünglich sollte Ihre Figur in „Moonfall“ ja ein Mann sein…

Halle Berry: … und dank Roland Emmerich ist es jetzt eine schwarze Frau: Die stellvertretende Nasa-Chefin Jocinda Fowler fliegt ins All, um die Welt zu retten. (Lacht) Ich finde es großartig, dass sich Roland nicht an die Vorgaben gehalten hat, in welchen Rollen Frauen in Hollywood üblicherweise besetzt werden. Warum nicht eine Schwarze, die sich in der Männerdomäne Nasa durchsetzt und gleichzeitig eine alleinerziehende Mutter ist?

Jo ist eine Powerfrau mit viel Herz. Solche Rollen kriegt man selten angeboten. Da habe ich natürlich sofort zugegriffen. Außerdem bin ich schon lange ein Fan von diesen Katastrophen-Movies, wie sie nur Roland machen kann. Diese Filme werden vom Kinopublikum ja immer sehr geschätzt. Ich war auch noch nie bei einem so gigantischen Movie-Eskapismus mit dabei. Und ich liebe solche Abwechslungen.

Haben Sie etwas mit Ihrer Filmrolle Jocinda Fowler gemeinsam?

Berry: Was ich mit Jo gemeinsam habe, ist, dass ich wie sie sehr neugierig auf das Leben bin. Auch halte ich mich für ziemlich intelligent und bin eine sehr starke Frau. Nur weil ich klein und zierlich bin, bin ich noch lange nicht zerbrechlich.

Was macht Sie denn so stark?

Berry: Ich habe immer das Beste aus meinem Schicksal gemacht. Wenn man einen Vater hat, der – bevor er sich für immer aus dem Staub gemacht hat – des Öfteren im Alkoholrausch Mutter und Schwester verprügelte, wenn man als Schwarze mit einer weißen Mutter in der amerikanischen Provinz aufwächst, wenn man – seit man Teenager ist – vor allem Männer, die sich später als Charakterschweine entpuppen, magnetisch anzieht, dann ist das schlicht eine Frage des Überlebens.

Ich bin auch – wie Jo – mutig und habe in meinem Leben große Risiken auf mich genommen, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich stehe zu dem, was ich für richtig halte und woran ich glaube. Natürlich haben meine Kinder immer die höchste Priorität. Ich will immer für sie da sein. Aber ich will auch für mich da sein. Und Dinge machen, die mich inspirieren und weiterbringen. Die mir helfen, meinen Teil dazu beizutragen, dass diese Welt ein bisschen schöner wird.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sie eine starke Frau und liebevolle Mutter spielen. Was gefällt Ihnen so an diesen Rollen?

Berry: Dass sie die Realität abbilden, in der viele von uns Frauen heute leben. Wir haben einen Job, arbeiten hart und haben gleichzeitig auch Kinder und ein Familienleben, um das wir uns kümmern. Da muss ich gar nicht groß schauspielern, um das darstellen zu können. Das ist eigentlich meine tägliche Lebenssituation.

Es ist oft nicht leicht, als Frau und alleinerziehende Mutter all diese Entscheidungen zu treffen, die sehr weitreichende Folgen haben können. Hinzu kommt dann oft noch das schlechte Gewissen, wenn die Familie mal wieder zu kurz kommt – oder man dem Job nicht voll und ganz gerecht wird. Aber ich verstehe nur zu gut die große Sehnsucht, die wir Frauen haben, uns gleichzeitig im Berufsleben zu beweisen und gute Mütter zu sein.

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    „Wer nichts wagt, gewinnt nichts“, sagten Sie einmal. Was war denn das größte Risiko, das Sie in Ihrem Leben eingegangen sind?

    Berry: Beruflich war das sicher als ich vor 20 Jahren die Rolle in „Monster’s Ball“ angenommen habe. Jeder um mich herum hat mich davor gewarnt und mir prophezeit, dass das das Ende meiner Karriere sein würde. Es gab eine sehr heftige – und garantiert nicht jugendfreie – Sexszene im Film, die auch noch sehr im Mittelpunkt stand.

    Ich spielte eine Frau aus dem amerikanischen Süden, die sich ausgerechnet in den Gefängniswärter verliebt, der ihren Mann auf dem elektrischen Stuhl hinrichtet. Es ging um Rassismus und es fiel sogar das N-Wort! Das war vor 20 Jahren ziemlich heftig. Damals stand ich am Anfang meiner Karriere und alle dachten, ich würde mich damit selbst abschießen. Den Film trotzdem zu machen war sicher sehr riskant.

    Genau für diese Rolle haben Sie den Oscar als Beste Schauspielerin bekommen. Als erste schwarze Frau überhaupt.

    Berry: Und 20 Jahre später bin ich leider immer noch die einzige schwarze Frau, die den Oscar in dieser Kategorie gewonnen hat. So sehr ich mich damals darüber gefreut habe, so sehr macht mich das heute traurig. Es gibt viele schwarze Schauspielerinnen, die diese Auszeichnung längst verdient hätten.

    Und trotzdem muss ich sagen, dass sich die Dinge gebessert haben, seit ich vor 30 Jahren ins Filmgeschäft eingestiegen bin. Damals hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal bei so einem Film wie „Bruised“ Regie führen und auch noch die Hauptrolle spielen könnte. Und das mit 55 Jahren!

    Zum Glück gibt es in Hollywood jetzt auch immer mehr Frauen, die – ganz gleich welcher Hautfarbe – Regie führen, Projekte entwickeln und ihre eigenen Geschichten erzählen.

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    Ihnen gelingt es immer wieder, abwechselnd in Blockbuster-Movies und Arthouse-Filmen mitzuspielen. Worin finden Sie größere künstlerische Befriedigung?

    Berry: Das ist eine gute Frage. Die ehrliche Antwort darauf ist: Dass ich in der Lage bin, beides machen zu können! Ich liebe die künstlerisch wertvollen Filme für ihre Integrität. Sie erzählen uns meist sehr ehrlich von den Dingen des Lebens. Und manchmal tun sie das sehr ungeschliffen und schmutzig. Das spricht mich sehr an.

    Aber ich mag auch diese gigantischen Popcorn-Movies. Denn wir Menschen brauchen doch alle mal einen Notausgang, einen Ort, an dem wir für ein paar Stunden dem Alltag entfliehen und unsere Sorgen vergessen können. Dazu ist Unterhaltung doch da. Und ich rechne es mir schon als Verdienst an, dass ich nicht ausschließlich in die eine oder andere Schublade gesteckt werden kann.

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