Berlin. Seit der Verkürzung des Genesenenstatus reißt die Kritik an RKI-Präsident Lothar Wieler nicht ab. Nun gab die FDP einen Warnschuss ab.

  • Das RKI hat den Genesenenstatus auf drei Monate verkürzt
  • Für die Entscheidung kommt viel Kritik – unter anderem aus der FPD
  • Grünen-Politiker Dahmen nennt das "unverantwortlich"

War es der eine Alleingang zu viel? Der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai spricht im "Spiegel" von einer "Verfehlung". Behördenchef Lothar Wieler könne sich des Vertrauens der FDP nicht mehr sicher sein. Auslöser für die jüngste Kritik an Wieler ist die Verkürzung des Genesenenstatus von sechs auf drei Monate. Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte die neue Regel auf seiner Internetseite bekannt gemacht, nach gültigem Recht gilt eine solche Änderung dann sofort.

Das Problem: Zahllose Menschen verloren praktisch über Nacht ihren Genesenenstatus. Weil Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor der Änderung nicht persönlich informiert worden war, stand der SPD-Politiker in der Öffentlichkeit dumm da. Der Vorgang an sich, das wissen alle Beteiligten, ist zwar durch eine Verordnung gedeckt, in der Pandemie aber ist ein solcher Schritt ohne entsprechende Vorbereitung und Kommunikation durch den Minister mindestens eine kommunikative Katastrophe. Die Länder verlangen mittlerweile, dass Lauterbach dem RKI die Entscheidungsmacht in solchen Fragen wieder entzieht.

RKI-Chef Wieler: Ziemlich allein in der Kritik

Die FDP ist nicht mehr in der Opposition. Sie ist eine Regierungspartei. Wenn sie sich vom wichtigsten Behördenchef in der Pandemie distanziert, ist es ein Politikum; fast noch mehr, dass fast niemand Wieler in Schutz nahm.

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Wielers Dienstherr, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), weist auf Twitter auf eine Studie hin, die das Vorgehen des RKI wissenschaftlich untermauert: Bei Corona-Infizierten bleibe drei Monate nach Genesung mit Omikron von der Immunität nicht viel übrig. "Das hört niemand gern, ist aber so."

Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen twitterte am Sonntag, Wieler verdiene "Respekt und Dank für seinen unermüdlichen und professionellen Einsatz in dieser Pandemie". Und an den Koalitionspartner gerichtet: "Wer verantwortlich ein Land regieren möchte, sollte verantwortlich mit der eigenen Exekutive umgehen. Menschen öffentlich 'anzuzählen' ist nicht nur unverantwortlich, sondern so geht man einfach nicht miteinander um!" Ähnlich äußerte sich Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne).

Wieler ist der FDP seit Langem ein Dorn im Auge

Die Replik kam postwendend: Die Grünen könnten das RKI gerne "weiter für die tollste Behörde der Welt halten und weiter unkritisch und unreflektiert lobpreisen", schrieb FDP-Vize Wolfgang Kubicki auf Facebook. "Sie können aber nicht erwarten, dass wir uns aus Koalitionsräson lächerlich machen und dieser Einschätzung folgen. Derartige Ratschläge an die FDP sollte man sich bei den Grünen künftig sparen." Die Probleme um den Genesenstatus seien zudem nur die Spitze des Eisbergs. "Bis heute haben wir eine katastrophale Datenlage, haben kaum eigene Erkenntnisse über die Ansteckungswege des Virus gewinnen können, wissen nicht, wer mit Corona als Haupt- oder Nebenbefund hospitalisiert wird und haben kein belastbares Wissen über die Immunität in der Bevölkerung", so Kubicki.

Der FDP ist Wieler, der von Anfang an zu eher restriktiven Maßnahmen in der Pandemie riet, seit Langem ein Dorn im Auge. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Liberalen massive Kritik an Unklarheiten bei der Erhebung der Impfquote geäußert und die in ihren Augen mangelnde Distanz des Instituts zur Bundesregierung kritisiert. FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus erklärte damals, bei Wieler gebe es "von Fehlereinsicht keine Spur".

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Kritik kommt indes auch von Wissenschaftlern, zuletzt von den Virologen Alexander Kekulè und Sandra Ciesek ("So richtig glücklich und zufrieden bin ich nicht mit den Regelungen") sowie vom Immunologen Carsten Watzl. Die Kritik der FDP setzt bei der Kommunikation an, weil die europäischen Partner nicht eingebunden wurde und die Entscheidung ohne einen gewissen zeitlichen Vorlauf angekündigt wurde.

Auch die SPD stellt sich hinter Wieler

Die neuen Koalitionspartner sehen das anders. Am Sonntag stellte sich auch die SPD hinter Wieler: "RKI-Chef Lothar Wieler hat in der zweijährigen Pandemie viel geleistet und unermüdlich gearbeitet. Dafür bin ich ihm sehr dankbar", sagte Fraktionsvize Dagmar Schmidt unserer Redaktion. Das RKI sei wissenschaftlich unabhängig und trage mit seiner Expertise dazu bei, dass Deutschland gut durch die Pandemie komme.

Es werde auch weiterhin notwendig sein, politisches Handeln der wissenschaftlichen Expertise anzupassen. Schmidt betonte allerdings, dass es auch auf eine gute Vermittlung ankomme: "Dabei muss auf eine gute Kommunikation und Umsetzbarkeit Rücksicht genommen werden", so die SPD-Fraktionsvize.