Berlin. Das RKI verschärft seine Risikobewertung wegen Omikron. Lesen Sie hier, wie die Gefahr für Geimpfte und Ungeimpfte beurteilt wird.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat seine Risikobewertung für die Bevölkerung verschärft. Am Montag teilte das RKI bei Twitter mit, der Schritt sei wegen des Auftretens und der rasanten Verbreitung der Omikron-Variante erfolgt.

Für zweifach Geimpfte und Genesene werde die Gefahr einer Ansteckung nun als "hoch" angesehen. Für Ungeimpfte bleibt sie demnach „sehr hoch“. Für Geimpfte mit Auffrischimpfung (Booster) schätzt das Institut die Gefährdung hingegen als moderat ein. Insgesamt werde die Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung als "sehr hoch" eingeschätzt, schreibt das Institut in seiner geänderten Risikobewertung. Es warnt vor schlagartiger Erhöhung der Fallzahlen.

Die aktuelle Entwicklung sei "sehr besorgniserregend". Zu befürchten sei bei weiterer Verbreitung von Omikron eine Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle und ein Überschreiten der deutschlandweit verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten. Lesen Sie dazu: Omikron-Welle – Warum die Politik jetzt handeln muss

Die Bewertung des RKI entsteht anhand verschiedener wissenschaftlicher Kriterien und verfolgt bestimmte Ziele. Grundlage bildet dabei der Nationale Pandemieplan und dessen Ergänzung nach dem Auftreten von Covid-19. Ursprünglich sollten mit dem Instrument die saisonalen Grippe-Wellen bewertet werden.

Wozu dient die Risikobewertung?

Im Nationalen Pandemieplan heißt es: "Ziel einer Risikoeinschätzung während einer Pandemie ist die Beschreibung und Einschätzung der Situation." Sie dient "vorrangig dazu, dass von den Entscheidungsträgern geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung eines bedeutsamen epidemischen Geschehens empfohlen werden können." Dazu zählen unter anderem Maßnahmen in Krankenhäusern, im und außerhalb des Haushalts oder gruppenbezogene Maßnahmen, etwa Kontaktbeschränkungen oder Schließung des Arbeitsplatzes.

Die Einschätzung wird fortwährend mit verfügbaren Informationen ergänzt, damit sowohl die Risikoeinschätzung selbst als auch Entscheidungen über Maßnahmen auf den aktuellsten Erkenntnissen beruhen. Übergeordnetes Ziel der aufgrund von Risikoeinschätzungen empfohlenen Maßnahmen ist es, Infektionszahlen deutlich zu senken, "um die Dynamik der Ausbreitung der Omikronvariante zu bremsen schwere Erkrankungen und Todesfälle zu minimieren und das Gesundheitswesen zu entlasten", schreibt das RKI. Und weiter: "Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Vermeidung von Langzeitfolgen, die auch nach milden Krankheitsverläufen auftreten können und deren langfristige Auswirkungen noch nicht absehbar sind."

Wie kommt die Risikobewertung zustande?

Drei grundlegende Kriterien können zur Risikoeinschätzung herangezogen werden: das epidemische Potenzial, beziehungsweise die Übertragung des Erregers in der Bevölkerung (sog. Transmissibility), das epidemiologische (Schwere)-Profil von respiratorisch übertragbaren Erkrankungen (sog. Seriousness of Disease) und die Ressourcenbelastung im Gesundheitsversorgungssystem (sog. Impact). Die Kriterien stammen aus einem Tool der Weltgesundheitsorganisation WHO, mit dem Schwereeinschätzungen von Influenzapandemien vorgenommen werden können.

  • Epidemisches Potenzial: Das Kriterium beschreibt, wie viele Menschen innerhalb der Bevölkerung pro Woche an Covid-19 erkranken. Herangezogen werden also die Fallzahlen und Trends zu gemeldeten Fällen gemäß dem Infektionsschutzgesetz in Deutschland und in anderen Ländern. Zu den Trends zählen etwa die Impfquote oder klimatische Faktoren.
  • Epidemiologisches Schwereprofil: Hier werden unter anderem Fragen geklärt, wie schwer Menschen an Covid-19 erkranken, welche Risikofaktoren zur schweren Erkrankungen führen, wie viele kritische und tödliche Krankheitsverläufe gemeldet werden und welche möglichen Langzeitfolgen in Deutschland und anderen Ländern beobachtet werden. Die Antworten erlauben unter anderem "eine Einschätzung, welcher Anteil der Bevölkerung erkrankt bzw. schwer erkrankt ist", heißt es im Nationalen Pandemieplan.
  • Ressourcenbelastung im Gesundheitsversorgungssystem: Das Kriterium fragt etwa danach, wie hoch der Anteil an Covid-Patienten im Bezug auf verfügbare Krankenhausbetten, medizinisches Personal oder intensivmedizinischen Versorgungsmöglichkeiten ist. Auch Laborkapazitäten und Impfquote spielen hier eine Rolle.

Welche Stufen der Risikobewertung gibt es?

Die Risikobewertung des RKI ist eine Beschreibung des aktuellen Zustands. Den vier Stufen "gering", "mäßig", "hoch" und "sehr hoch" liegen dabei keine festen Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt eines Ereignisses, also Infektion und/oder Erkrankung, oder dessen Schadensausmaß zu Grunde. In anderen Worten: Wenn das RKI das Risiko als "sehr hoch" einschätzt, sagt das noch nichts über das individuelle Risiko einer Person aus. Lesen Sie auch: RKI-Chef Wieler über Corona – "Fünfte Welle wird kommen"

So weißt das RKI auf seiner Internetseite darauf hin, dass sich die Risikobewertung nicht auf die Gesundheit "einzelner Individuen oder spezieller Gruppen in der Population" bezieht oder Vorhersagen für die Zukunft vornimmt, sondern "die aktuelle Situation für die Gesamtbevölkerung" beschreibt. (pcl mit dpa)