Pirna. Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat eine der höchsten Inzidenzen bundesweit. Davon ist in Pirna aber wenig zu merken.

Er hat keine Angst vor einer Ansteckung, aber davor, dass das Coronavirus seine Existenz zerstört. Direkt unterhalb des historischen Stadtschlosses in Pirna, im Zentrum der pittoresken Kleinstadt, betreibt André Kleinert sein Restaurant Refugium. Der Gastwirt kennt sich aus in der Branche, unten an der Elbe verwaltet er ein weiteres Restaurant mit Biergarten und Pension. Es lief gut bei ihm, doch dann kam die Pandemie – ein drittes Mal das Restaurant zu schließen, das könne er sich nicht mehr leisten, sagt er. „Wenn es nach meinem Gewissen ginge, müsste ich zumachen. Aber dann habe ich kein Personal mehr.“

1818 neue Corona-Fälle verzeichnete das Robert Koch-Institut in den vergangenen sieben Tagen für den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, in dem auch Pirna liegt. Für Kleinert bedeuten diese Zahlen, dass die Gäste ausbleiben Er rechnet damit, dass circa ein Drittel der Kunden im Winter wegfallen wird. Mehrere Weihnachtsfeiern wurden bereits storniert.

Gastwirt André Kleinert.
Gastwirt André Kleinert.

Kliniken geraten an Kapazitätsgrenzen

Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 742,9 (Stand: Mittwoch) ist der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge eine der am stärksten betroffenen Regionen in Deutschland, am Montag hatte der Wert mit 924,3 fast die 1000er-Marke erreicht.

Auch die Kliniken geraten an ihre Kapazitätsgrenzen. Im gesamten Landkreis sind am Mittwoch noch sechs normale Betten frei, die Intensivbetten sind bereits alle belegt. Aus diesem Grund hat die Verwaltung Anfang der Woche die Maßnahmen verschärft. „Die Lage wird sich so schnell nicht entspannen“, sagte Landrat Michael Geisler (CDU) noch am Montag.

Pirna: „Eigentlich ist alles wie immer“

Bereits in der vorherigen Woche hatte der Landrat erneut einen Verwaltungsstab zur Kontaktnachverfolgung eingesetzt, dieser soll nun noch einmal verstärkt werden. Außerdem kündigte Geisler intensivere Kontrollen der Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen an.

In Pirna, der größten Stadt des Landkreises, ist von den hohen Inzidenzen allerdings wenig zu merken – die Altstadt ist gut besucht, die Bürgerinnen und Bürger der Kleinstadt südlich von Dresden sitzen in den Cafés, bummeln durch die Fußgängerzone. „Eigentlich ist alles wie immer“, sagt Altenpflegerin Sophie Klein, die mit ihren beiden Kindern in der Stadt unterwegs ist. Sorgen mache sie sich keine. Was solle man auch anderes machen, als sich mit der Situation abzufinden.

In Pirna, der größten Stadt des Landkreises, ist von den hohen Inzidenzen allerdings wenig zu merken.
In Pirna, der größten Stadt des Landkreises, ist von den hohen Inzidenzen allerdings wenig zu merken.

Impfquote von nur 51 Prozent

„Man merkt, dass die Straßen etwas leerer sind als sonst“, bemerkt Marianne Thiel, eine Erzieherin aus Pirna. Beunruhigt sei aber auch sie nicht, sagt sie, daran ändere auch ihre fehlende Impfung nichts. Sie leide an einer Allergie, deshalb „traue“ sie der Impfung nicht.

Mit einer Impfquote von 57,2 Prozent ist Sachsen bundesweit Schlusslicht. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sind noch weniger geimpft, mit rund 51 Prozent liegt die Impfquote knapp 16 Prozentpunkte unter dem deutschlandweiten Durchschnitt. „Das ist keine Quote, mit der man einer Pandemie begegnen kann“, sagte Landrat Geisler. Er kündigte an, das Impfangebot in der Region weiter auszubauen. Neben den mobilen Impfteams, die in den Orten unterwegs sind, soll es künftig auch feste Impfstellen geben.

Auch die Landesregierung reagierte bereits auf die steigenden Infektionszahlen in Sachsen. Seit Montag gilt unter anderem eine 2G-Regelung für die Gastronomie, Zutritt haben seitdem nur noch Geimpfte und Genesene. Doch in Pirna wirkt es so, als würden die neuen Regelungen nicht zu einer Meinungsänderung führen. Eine ungeimpfte Passantin erzählt, es störe sie nicht, dass sie nicht mehr ins Restaurant dürfe. „Zu Hause schmeckt es eh am besten“, sagt sie. Impfen lassen werde sie sich deshalb nicht.

Viele Menschen nehmen die Gefahr nicht ernst

Rund eine halbe Stunde von Pirna entfernt, in der Ortschaft Helmsdorf, ist am Dienstag das mobile Impfteam im Einsatz. Die meisten bekommen bereits ihre dritte Impfung, zu ihnen gehört auch Karin Löser. „Mir macht die Situation große Sorgen“, sagt sie. Aufgrund einer schweren Herzerkrankung wäre eine Covid-19-Infektion für sie besonders gefährlich, umso weniger könne sie verstehen, dass so viele Menschen die Gefahr nicht ernst nehmen, erklärt sie.

Auch die niedrige Impfquote bereitet ihr große Sorgen: „Ich kann es mir einfach nicht erklären. Bei wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es keine Meinung.“ Mittlerweile würde sie mit einigen Menschen einfach überhaupt nicht mehr reden, erzählt sie. „Corona spaltet die Leute hier.“

Viele Gäste sind besorgt

Auch für den Tourismus haben die hohen Inzidenzen Folgen. Die Sächsische Schweiz ist eine beliebte Urlaubsregion – das ganze Jahr über lockt das Elbsandsteingebirge die Menschen in die Region, doch viele von ihnen bleiben nun lieber zu Hause. „Bei uns klingelt ununterbrochen das Telefon“, erzählt Kathrin Honnes, Managerin des Aktiv Sporthotels in Pirna.

„Die Gäste sind besorgt, weil sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen.“ Einige hätten bereits abgesagt, vor allem Familien- und Weihnachtsfeiern würden storniert. Bisher könne das Hotel das allerdings noch gut durch Geschäftsreisende und Sportgäste aus dem Ort ausgleichen, doch einen Lockdown, das sagt auch Honnes, könnte sie nicht noch einmal durchstehen.

Landrat Geisler will auf jeden Fall einen Lockdown verhindern. Trotzdem geht man im Landratsamt davon aus, dass die Inzidenzwerte ab Donnerstag wieder steigen werden. Allein am Mittwoch wurden knapp 700 neue Fälle gemeldet.