Berlin. Weltweit wurde am Freitag für den Klimaschutz gestreikt. Greta Thunberg demonstrierte in Berlin und kritisierte Deutschland scharf.

Der Termin ist sorgsam gewählt, der Ort der Kundgebung auch. Nach einem Jahr Pandemie-Pause streiken weltweit die Anhänger der Fridays-for-Future-Bewegung für mehr Klimaschutz, allein in Deutschland trafen sich von Hamburg, Berlin über Köln Zehntausende an insgesamt 470 Orten im Land.

Die Aktionen in Deutschland waren dabei Teil eines erneuten weltweiten Klimastreiks von Fridays for Future in mehr als 100 Ländern. Es war ihr insgesamt achter globaler Streik seit 2019. In Berlin demonstrierten die zumeist jungen Menschen zwei Tage vor der Bundestagswahl direkt vor dem Reichstagsgebäude.

Parteien bekamen Wut der Klimaschützer zu spüren

Es wurde zwar nicht direkt Wahlkampf betrieben, aber einige Parteien bekamen die Wut der Klimaschützer direkt ab. Allen voran Armin Laschet. Ein riesiger Heißluftballon, der den CDU-Kanzlerkandidaten darstellen sollte, schmückte die Wiese vor dem Reichstag und verkündete in großen Lettern die Botschaft, die Klimapolitik von CDU/CSU sei „nichts als heiße Luft“. An Laschet selbst arbeiteten sich mehrere Redner ab: Besonders in seiner Position als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen unternehme er nichts gegen die Zerstörung von Lebensräumen durch den Kohleabbau, blockiere die Förderung von erneuerbaren Energien und verschleppe den Klimaschutz.

Dass der Blick der Klimaschutzbewegung insbesondere auf Deutschland ruht, verdeutlichte zudem ein prominenter Gast in Berlin: Die Schwedin Greta Thunberg, die die Bewegung durch ihren „Schulstreik fürs Klima“ 2018 groß gemacht hatte, war angereist, um mit den Demonstranten durch die Hauptstadt zu marschieren. Vor dem Reichstagsgebäude wurde die 18-Jährige wie ein Popstar gefeiert.

Sie rechnete mit der Politik ab: „Es ist klarer denn je, dass keine politische Partei auch nur annähernd genug tut.“ Schlimmer noch, nicht einmal die eigenen Vorschläge der Parteien zum Klimaschutz seien mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar. „Deutschland ist objektiv gesehen einer der größten Klima-Bösewichte.“ Trotzdem sei es wichtig, wählen zu gehen, erklärte sie und forderte die Demonstranten doch im gleichen Atemzug auf: „Wir müssen weiter auf die Straßen gehen und von unseren Regierungen fordern zu handeln.“

Luisa Neubauer griff Kanzlerkandidaten an

Noch kämpferischer gab sich die Aktivistin Luisa Neubauer. Die Hauptorganisatorin der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung ließ in ihrer Rede kein gutes Haar am diesjährigen Wahlkampf: „Die Klimakrise eskaliert und keine Partei schlägt Maßnahmen vor, die ausreichen würden, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten.“ Die Klimabewegung habe den Wahlkampf dennoch maßgeblich beeinflusst: „Wir haben die Parteien dazu gezwungen, einen Sommer lang über Klimapolitik zu reden, obwohl ihre Programme überhaupt nicht ausreichen“, bilanzierte die 25-jährige Studentin.

Insbesondere ging Neubauer die Kanzlerkandidaten von CDU und SPD an. Armin Laschet unterstellte sie Lügen bei der Klimapolitik, Olaf Scholz’ „durchgeknallter Plan, Kohle bis 2038 laufen zu lassen“, sei zum Scheitern verurteilt. Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock blieb hingegen auf der gesamten Veranstaltung weitgehend unerwähnt. Zum Schluss beschwor Neubauer noch eine gewisse Aufbruchstimmung herauf, die auch von Baerbock in den letzten Wochen in ähnlicher Form immer wieder verkündet worden war: Die Suche nach Ausreden sei beendet, alle Verzögerungstaktiken aufgeflogen. „1,5 Grad wird das Ergebnis der Wahl sein“, wiederholte sie mehrmals, dies sei der Anfang der „klimagerechtesten Legislaturperiode überhaupt“.

Klimastreik: Baerbock nahm an Demo teil

Umweltbundesministerin Svenja Schulze (SPD) betonte unterdessen, dass diese Woche gezeigt habe, dass die Welt beim Klimaschutz in Bewegung gekommen sei. Immer mehr Länder der Welt wie China, die Türkei und die USA hätten den Ernst der Lage verstanden. Das mache Mut für die Weltklimakonferenz in Glasgow. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Industriestaaten ihr gemeinsames Versprechen erfüllen, 100 Milliarden Dollar pro Jahr für den Kampf gegen den Klimawandel in Entwicklungsländern zu mobilisieren“, sagte Schulze unserer Redaktion. Auf der Basis des Pariser Klimaabkommens müsse es gelingen, „den globalen Treibhausgasausstoß noch in den 2020ern spürbar zu senken und damit ein klimaneutrales, krisenresistenteres Zeitalter einzuleiten“.

Die Spitzenkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, nahm in Köln an einer Demonstration teil. Die Wahl sei eine „Klimawahl“, schrieb sie bei Twitter. Die Demonstrationen machten deutlich, dass diese „den Aufbruch“ wollten.

Unterstützend äußerte sich auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz: „Ich bin dankbar für das Engagement von Fridays for Future. Sie haben mitgeholfen, dass Klimaschutz oben auf der Agenda steht“, schrieb er auf Twitter. Die Klimastreiks lobte er als „richtig“. Die Veranstalter von Fridays for Future äußerten sich über den Tweet von Scholz irritiert. „Wir wollen die gute Stimmung ja nicht zerstören, aber wir bestreiken heute Deine Regierung, Olaf“, antworteten sie. (mja)